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Karlstadt
Geschlechtergerechte Sprache: Wie halten es Politikerinnen in MSP?
Die Landrätin bemüht sich, andere finden es sperrig, immer alle anzusprechen. Wieviel Gleichberechtigung steckt in Gender-Sternchen und Binnen-I?
Symbolbild zum Thema gendergerchte Sprache.
Foto: getty Images | Symbolbild zum Thema gendergerchte Sprache.
Jennifer Weidle
Jennifer Weidle
 |  aktualisiert: 27.04.2023 10:51 Uhr

Gender-Sternchen, Binnen-I und geschlechterneutrale Formulierungen – das begegnet uns immer häufiger in öffentlicher Kommunikation – Frauen und nicht-binäre Menschen sollen so einbezogen und sichtbar gemacht werden. Politikerinnen und Politiker, Ämter und Unternehmen in Main-Spessart sind unterschiedlicher Meinung, wie wichtig diese sprachliche Anpassung ist. Der Begriff  Gendern geht auf das englische Wort "gender" (Geschlecht) zurück. 

Auf dem aktuellen Stand in Sachen gendergerechte Sprache ist die Webseite des Landratsamtes Main-Spessart. „Ich achte sehr darauf, Frauen und Männer immer gleichermaßen anzusprechen,“ sagt Landrätin Sabine Sitter. Das Landratsamt verwendet in Texten häufig neutrale Formulierungen. „Es mag nicht immer gelingen,“ sagt Sitter. Sie räumt ein, dass Texte durch striktes Gendern "nicht unbedingt leserlicher" werden.

Unterschiedliche Auffassungen

Karin Öhm, zweite Bürgermeisterin in Triefenstein,  findet die Sprache nicht so wichtig. „Das Rollenbild in den Köpfen ist wichtiger,“ meint sie. „Wenn man die Gleichberechtigung mehr leben und jeden mit Respekt auf Augenhöhe behandeln würde, hätten wir schon viel gewonnen.“

Triefensteins erste Bürgermeisterin Kerstin Deckenbrock verwendet gendergerechte Sprache. Diese begegne ihr auch oft im täglichen Leben, sagt sie: „Ein Prozess hierzu findet statt.“ Ulrike Röder, Stadträtin in Lohr, gibt zu: „Ich bin nicht immer korrekt mit den Formulierungen.“ Vieles werde leider durch korrektes Gendern sperrig. Sie findet es besser, neutrale Formulierungen zu verwenden. Gleichberechtigung beim Sprechen drücke sich für sie darin aus, dass man alle Geschlechter gleich behandelt – aber nicht durch das gendergerechte Formulieren an sich.

Bosch-Rexroth ist eines der größten Unternehmen im Landkreis. Wie wichtig ist dem Konzern das Thema? „Für Bosch Rexroth ist die Verwendung gendergerechter Sprache ein Anliegen“, sagt Pressesprecherin Nicole von Killisch-Horn. Sie drücke Vielfalt aus, die fester Bestandteil der Unternehmensstrategie sei. „Wir sensibilisieren unsere Organisation, gendergerechte Sprache sowohl in der internen als auch in der externen Kommunikation zu nutzen, geben jedoch zentral keine bestimmten Formulierungen vor.“ 

Diese Sensibilisierung klappt (noch) nicht immer. Auf der Webseite des Unternehmens ist ganz überwiegend von Kunden und Mitarbeitern die Rede, Kundinnen oder Mitarbeiterinnen werden nicht erwähnt. Killisch-Horn dazu: „Aktuell gestalten wir unsere komplette Website von Grund auf neu. Dabei wollen wir auch gendergerechte Sprache berücksichtigen.“ Der Relaunch der Webseite soll Ende 2021 abgeschlossen sein, so Killisch-Horn. 

Pamela Nembachs klare Meinung

Auf den Webseiten vieler Städten und Kommunen sieht es ähnlich aus – es werden ausschließlich Männer angesprochen. Das muss sich ändern, meint Pamela Nembach, Gymnasiallehrerin und Kreisrätin aus Marktheidenfeld: „Bei der öffentlichen Kommunikation muss man anfangen.“ Im privaten Bereich könne das jeder handhaben wie er oder sie möchte. „Viele Menschen befürchten, dass sie selbst in jedweder Situation auf eine gendergerechte Sprache achten müssen.“ Im Alltag sei das "natürlich umständlich". Nembach findet, dass die Diskussion über gendergerechte Formulierungen längst ausgestanden sein sollte: „Wo ist das Problem einer gendergerechten Sprache in der öffentlichen Kommunikation?“

Das Argument, Sprache werde durch Sternchen oder Binnen-I verhunzt, "geht mir wirklich auf die Nerven“, sagt Nembach. Kein Mensch beurteile ein Anschreiben des Landratsamts nach der sprachlichen Ästhetik oder die Fernsehnachrichten nach der Lyrik des Wortlauts. Gleichzeitig störe es aber viele Menschen, wenn sie falsch angesprochen werden – „und es ist vergleichsweise leicht, Abhilfe zu schaffen. Also kann man das ja auch einfach machen.“ 

Der Begriff „Fräulein“ ist für Nembach ein Beispiel dafür, wie der öffentlich-offizielle Umgang mit Sprache das Private beeinflusst. „Das Fräulein ist ja auch erst aus der öffentlichen Kommunikation und dann aus der Alltagssprache verschwunden, ohne dass es uns besonders gestört hätte.“

Geschlechtergerechte Sprache

SchülerInnen, Schüler*innen, Schüler:innen, Schüler_innen, Schülerinnen und Schüler oder das neutrale Schülerschaft?
Nach dem Binnen-I kam das Gender-* – digitale Vorleseprogramme interpretieren das * jedoch oft falsch. Daher gibt es auch die Schreibweisen mit Doppelpunkt oder Unterstrich. Manche ziehen neutrale Formulierungen oder die Ansprache beider Geschlechter vor.
Ein Genderzeichen hat jedoch noch eine weitere Funktion: Menschen, die sich nicht eindeutig als Frau oder Mann fühlen ("nicht-binär"), sollen sich dadurch angesprochen fühlen und sichtbar gemacht werden.
Gendern ist keine Rarität mehr: Der Duden will in seiner Online-Ausgabe gendern, die Tagesschau will mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache und auch der Tagesspiegel gibt sich neue Leitlinien für geschlechtergerechte Sprache.
Informationen und Schreibtipps finden sich auf www.genderleicht.de, einem Projekt vom Journalistinnenbund, das vom vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird oder beim Bayerischen Staatsministerium für Arbeit, Familie und Soziales.
Quelle: jen

Am 8. März ist übrigens Weltfrauentag.

 
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Kommentare
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  • J. W.
    Natürlich gibt es andere Probleme - nur wenige aber sind so einfach zu lösen wie das Einschließen aller Menschen durch respektvolle Sprache; zumindest in der öffentlichen Kommunikation von Zeitungen, Politik etc.
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  • S. H.
    Wenn man die Sache richtig angehen wollte, bliebe nur die eine sinnvolle Variante:
    ALLES geschlechterneutral benennen - so wie im Englischen und vielen anderen Sprachen.
    Alles andere wird Murks!
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  • D. W.
    Hoffentlich kommt jetzt nicht noch jemand auf die Idee und beschwert sich darüber das beim gendern immer die männliche Form vor der weiblichen Form genannt wird. Also "Schüler*innen". Ich bin dafür das bei jeder*innen zweiten Nennung dann die weibliche Form vorangestellt wird. Also "Schülerinnen*er". Und bei der uns angeborenen politischen Korrektheit und bis in kleinste verwurzelten Regulierungswut bin ich mir da nicht so sicher ob das nicht auch noch monatelang diskutiert wird.

    Ich habe für mich beschlossen diesen Genderwahnsinn und die damit verbundene Sprachakrobatik nicht mit zu machen.
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  • W. F.
    wenn es keine anderen Probleme gibt, dann......
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  • R. H.
    Welche und wie viele Probleme muss man denn erst lösen, bis man(n) auch das Thema geschlechtergerechte Sprache angehen darf?
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