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Würzburg
Im falschen Geschlecht geboren: Gibt es wirklich immer mehr Kinder, die transgender sind, Professor Romanos?
Wenn Mädchen sich nicht als Mädchen fühlen und Jungen nicht als Jungen. Wie findet man heraus, ob das Kind transident ist? Und was können Eltern tun?
'Genderdysphorie', also die Unzufriedenheit mit dem biologischen Geschlecht, kann sich schon früh bei Kindern zeigen.
Foto: Getty Images | "Genderdysphorie", also die Unzufriedenheit mit dem biologischen Geschlecht, kann sich schon früh bei Kindern zeigen.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 18.05.2023 02:33 Uhr

"Oscars Kleid" heißt ein Film über ein neunjähriges Transgenderkind, der zurzeit in den Kinos das Thema Transidentität für ein Mainstream-Publikum erzählt. Auch die YouTuberin Jolina Mennen spricht gerade im Dschungelcamp offen über ihre Transsexualität. Scheinbar immer mehr junge Menschen nehmen das Geschlecht, das ihnen bei der Geburt aufgrund äußerlicher Merkmale zugewiesen wurde, im Widerspruch zu dem wahr, was sie als ihre eigenen geschlechtliche Identität empfinden. Mädchen fühlen sich nicht als Mädchen und Jungen nicht als Jungen.

Es geht um um Identifikation und nicht um Sexualität 

Transgender ist ein Oberbegriff für Menschen, die sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Häufig spricht man auch von Transidentität, dabei wird betont, dass es um Identifikation und nicht um Sexualität geht. Aber gibt es wirklich immer mehr Kinder und Jugendliche, die transgender sind? Nachgefragt bei Professor Marcel Romanos, Klinikdirektor der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Würzburg.

Frage: Professor Romanos, gibt es wirklich immer mehr junge Menschen, die sich in ihrem Körper und mit ihrem angeborenen Geschlecht nicht wohlfühlen?

Marcel Romanos: Was wir sicher sagen können, ist, dass es Kinder gibt, die schon sehr früh wahrnehmen, dass sie im falschen Körper geboren wurden. Man nennt dies "Genderdysphorie", also die Unzufriedenheit mit dem biologischen Geschlecht. Transidentität ist also keine Erfindung, sondern ein Schicksal, das sich niemand aussuchen kann. Die betroffenen Kinder leiden psychisch sehr stark darunter und entwickeln vielfach Folgeprobleme. Auch die Suizidgefahr ist bei diesen Kindern extrem hoch. Wie viele Kinder und Jugendliche das betrifft, darüber haben wir noch wenige verlässliche Daten. Erst mit der gesellschaftlichen Öffnung trauen sich mehr Kinder und Jugendliche, dieses Thema überhaupt anzusprechen.

Professor Marcel Romanos ist Klinikdirektor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik in Würzburg.
Foto: Johannes Kiefer | Professor Marcel Romanos ist Klinikdirektor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik in Würzburg.
Manche Medien sprechen mittlerweile von einem "Transgender-Hype". Wie sehen Sie das?

Romanos: Man muss unterscheiden: Es gibt sicher mehr Jugendliche, die äußern, dass sie sich weder dem einen, noch dem anderen Geschlecht fix zugehörig fühlen und die Gendergrenzen generell in Frage stellen. Dies berichten nicht nur Eltern, sondern auch Lehrerinnen und Lehrer, Therapeutinnen und Therapeuten. Doch von einem Hype würde ich nicht sprechen. Ich würde es als gesellschaftliche Entwicklung beschreiben, die nicht erst gestern begonnen hat, und die immer sichtbarer wird. Mit Begriffen wie "Hype" oder "Mode" werden die Probleme derjenigen Kinder bagatellisiert, die unter ihrer Situation massiv leiden.

Wie viele Kinder und Jugendliche behandeln Sie pro Jahr zur Thematik Transidentität? Sind auch in Unterfranken die Zahlen gestiegen?

Romanos: Wir behandeln etwa zehn bis 15 Jugendliche pro Jahr mit der Problematik stationär und ambulant etwa ebenso viele. Es geht also um eine sehr kleine Gruppe. Wir versorgen insgesamt im Jahr ambulant etwa 2000 Kinder und Jugendliche und stationär deutlich über 1000 Kinder und Jugendliche. Es ist aber in der Regel nicht der primäre Grund, warum diese Kinder zu uns kommen.

In welchem Alter bemerken Kinder, dass sie im falschen Körper geboren sind?

Romanos: Genderdysphorie äußert sich oft bereits im Kindesalter beispielsweise darin, dass die Kinder die Wahrnehmung äußern, dass sie in dem Körper, in dem sie geboren wurden, falsch sind, und den überdauernden Wunsch verspüren, dem anderen Geschlecht anzugehören. Manche Betroffene setzen sich auch erst im Jugend- oder Erwachsenenalter damit auseinander.

Wie viele Jugendliche wünschen sich auch eine körperliche Veränderung?

Romanos: Die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen, für die die Genderzugehörigkeit ein Thema ist, wünscht sich keine oder keine überdauernde körperliche Veränderung. Manchmal sind auch psychische Erkrankungen wie Ängste, Depressionen oder autistische Erkrankungen ursächlich mit einer Unzufriedenheit in einer bestimmten Geschlechterrolle. Dann kann das ein reaktives Phänomen sein, das sich ändern kann. Diejenigen, die eine stabile Genderdysphorie aufweisen, schämen sich oft für ihren Körper, gehen zum Beispiel nicht ins Schwimmbad oder meiden den Sportunterricht. Aber nur bei einem Teil der jungen Menschen mit Genderdysphorie ist der Wunsch nach einer körperlichen Geschlechtsangleichung stark ausgeprägt.

Besteht die Gefahr, dass sich Jugendliche zu früh und zu leichtfertig für einen körperlichen Eingriff entscheiden?

Romanos: Genderdysphorie per se ist nicht als Erkrankung definiert. Manche vergleichen es mit Homosexualität, wobei alle Vergleiche etwas hinken. Die Ärztinnen und Ärzte treffen keine Entscheidung, die treffen die Jugendlichen mit den Sorgeberechtigten gemeinsam. Die Therapeuten entscheiden, ob sie den Weg, den die Familie wünscht, mitgehen und verantworten können. Die Situation ist zweifellos kompliziert und muss sehr sorgfältig abgewogen und begleitet werden.

Wie sinnvoll ist der Einsatz von Pubertätsblockern?

Romanos: Diese Frage sorgt für viele hitzige Diskussionen. Die Pubertätsblockade kann verhindern, dass sich die körperlichen Merkmale des als falsch wahrgenommenen Geschlechts ausbilden. Der diagnostische Prozess muss aber auf jeden Fall mit einer fachlichen Begleitung einhergehen. Und das ist ein langer Weg. Das Grunddilemma besteht in folgenden Fragen: "Welchen Schaden kann eine Geschlechtsumwandlung anrichten?" gegenüber "Welchen Schaden kann es anrichten, wenn keine Umwandlung erfolgt." Jede Entscheidung hat langfristige Folgen für die Kinder und Jugendlichen. Insofern muss der beratende Therapeut oder die Therapeutin, der Jugendliche und die Familie alle Aspekte sorgfältig abwägen, um vorschnelle Entscheidungen, die später bereut werden, zu vermeiden.

Wann geht es auch um eine Operation am Geschlecht?

Romanos: In Deutschland sind Operationen am Geschlechtsteil vor dem 18. Lebensjahr verboten. Die chirurgische Angleichung an das Gegengeschlecht ist ein komplizierter, aufwendiger Eingriff, der Risiken birgt und medizinischen Grenzen unterliegt. Zudem ist eine geschlechtsangleichende Operation nicht mehr umkehrbar.

Wie sollten Eltern reagieren, wenn ihr Kind im falschen Körper steckt?

Romanos: Wir raten erst einmal zur Gelassenheit. Es ist ein Prozess. Wichtig ist es, zuzuhören. Abwehr führt eher dazu, dass Wege beschritten werden, die auch die Jugendlichen dann manchmal bereuen.

Wie offen ist unsere Gesellschaft mittlerweile beim Thema Transsexualität?

Romanos: Man sieht in den öffentlichen Diskussionen, dass es ein Thema ist, das die Menschen bewegt und auch ein Stück weit polarisiert. Wir beobachten, dass die Gesellschaft flexibler wird in ihren Rollenvorgaben, Erwartungen und Geschlechtermodellen. Ich will das nicht bewerten. Gesellschaftliche Entwicklungen passieren immer und sie gehen immer weiter, ob wir es gut finden oder nicht. Es gibt keine Referenz, wie unsere gesellschaftlichen Vorstellungen sein sollten, weil sie sich in der Zeit kontinuierlich verändert haben. Als Kinder- und Jugendpsychiater werbe ich grundsätzlich für Offenheit, wechselseitiges Verständnis und die Akzeptanz, dass diejenige Hilfe erhalten, die sie brauchen.

Transidentität

Die Ausgangslage: Transidente Menschen können sich nicht oder nicht vollständig mit dem Geschlecht, das ihnen aufgrund äußerlicher Merkmale zur Geburt zugewiesenen wurde, identifizieren. Einige streben daher medizinische Maßnahmen wie Hormontherapie und Operationen an und/oder beantragen eine Änderung des Vornamens und/oder der Personenstandsdaten, die in offiziellen Dokumenten festgehalten sind. Andere fühlen sich weder dem Geschlecht "weiblich" noch dem Geschlecht "männlich" zugehörig. Transidentität sagt nichts über sexuelle Orientierungen und Vorlieben aus. Für viele bedeutet Transidentität eine starke seelische Belastung und Diskriminierung.
Die Rechtslage: Therapieversuche, die junge Menschen von ihrem gefühlten Geschlecht abbringen sollen, sind seit Mai 2020 in Deutschland strafbar. Zusätzlich wird die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen durch den Grundrechtsartikel Art.2 Abs.1 GG geschützt. Auch der Deutsche Ethikrat weist darauf hin, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes auch das Recht umfasst, ein Leben entsprechend der eigenen, subjektiv empfundenen geschlechtlichen Identität zu führen und in dieser Identität anerkannt zu werden.
Die Zahlen: Genaue Statistiken zur Transsexualität gibt es nicht. Laut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) liegt der Bevölkerungsanteil von transsexuellen Menschen in Deutschland bei etwa 0,35 Prozent. Dies ist aber nur eine ungefähre Schätzung. Die dgti geht von einer höheren Anzahl aus.
Hilfe finden Eltern und Kinder zum Beispiel bei dem Verein Trans-Kinder-Netz. Der Verein will Eltern und Angehörigen Mut machen und vor allem mit Informationen und Rat zur Seite stehen: www.trans-kinder-netz.de
clk
 
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  • M. K.
    Ich war selbst von 2018-2021 in der ambulanten Sprechstunde der KJP Würzburg aufgrund Geschlechtsdysphorie, dementsprechend nehme ich mir das Recht raus, davon zu sprechen, dass ich in dem Gebiet eine gewisse Expertise mitbringe.
    Ich weiß nicht warum man schreibt, dass man die Kinder Kinder sein lassen soll, genau das ist ja der Punkt. Menschen, die schon in jungen Jahren Depressionen entwickeln, weil sie todunglücklich sind mit ihrem Geschlecht, können keine schöne Jugend erleben, sofern ihnen nicht geholfen wird.
    Ich kenne sehr viele Jugendliche, die sich selbst verletzen und Suizidgedanken haben deshalb, das wird nicht weg gehen, wenn man es als Eltern ignoriert.
    Irgendwann kommt der Punkt, da geht es nicht mehr, ich spreche da aus eigener Erfahrung…
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  • H. S.
    Keine Filme und Serien mehr, in denen nicht die "Probleme" Lesbos, Homo, Genderismus, Transsex usw. hochgespielt werden, obwohl es nur Minderheiten im 0,001%-Bereich sind. Die Masse unserer Bevölkerung ist nicht so. Leute wie Hr. Romanos verdienen halt ihr Geld damit. @elfder... hat recht, lasst die Kinder Kinder sein und zwingt ihnen nicht etwas auf. Wenn sie erwachsen und vor allem lebenserfahren sind, können sie immer noch machen was sie wollen.
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  • U. S.
    Puh, da kommen aber einige Begriffe durcheinander. Falls mit „homo“ homosexuell gemeint ist: allein hier liegt der Anteil bei mindestens 4%. Und natürlich wäre es am schönsten, wenn man Kinder Kinder sein lassen könnte. Aber leider ist Kindheit nicht immer so heiter und unbeschwert, wie wir es uns wünschen würden. Und dann muss man helfen.
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  • R. D.
    Es wird nur allen immer mehr eingeredet, dass es in und schick ist.
    Man muss sich nur die Lokalpresse anschauen. Jeden Tag mindestens ein Artikel über dieses Thema.
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  • E. S.
    Alle verrückt geworden.... lasst die Kinder Kinder sein, in all ihren Facetten, hört auf sie in Schubladen zu stecken. Wer das gut findet, vergreift sich an den Kindern. Sie sind dann lebenslang Patienten. Romanos reitet die Welle
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  • U. S.
    Kinder und Jugendliche mit ihren Nöten alleine lassen ist besser?
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  • T. F.
    Niemand reitet eine Welle, wenn Sie sich den Bericht genau durchlesen, gibt es Eltern, Lehrer, Therapeuten die diese Problematik ernstnehmen....die es bestimmt schon immer gab, nur heute können sich Kinder, Jugendliche outen...
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    Kommentare wie Ihrer sind es, die Kinder in Schubladen stecken!
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  • G. W.
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