
So war das auch am Wochenende. „Unser großes Wohnzimmer“, nennen Anneliese und ihre Schwester Margarete (61) Schwarzmann die Wirtsstube ihres traditionsreichen Hotelgasthofes „Stadt Mainz“ in der Semmelstraße.
Und dieses Wohnzimmer stand am Samstag und Sonntag allen Gratulanten offen.
Viele Blumensträuße gab es, dazu Glückwunsch-Anrufe aus der ganzen Welt: aus Amerika, Japan, der Schweiz, aus Afrika.
Und: von anderen Schalttag-Kindern. „Das führt irgendwie zusammen“, hat Anneliese Schwarzmann gemerkt.
Aber bringt es nicht Unglück, wenn man zu früh feiert? „Wie kann das ein Unglück sein, wenn gute Freunde mit einem zusammen sind?“, kontert die Jubilarin trocken.
Und Zeit dafür haben beide Wirtsschwestern neuerdings deutlich mehr. Wie berichtet, gaben sie den täglichen Betrieb der Gastwirtschaft vor einigen Monaten auf. Ein Tribut an das Alter.
„Wir konnten das nicht mehr leisten“, sagt Schwarzmann, die zu Spitzenzeiten rund 30 Mitarbeiter beschäftigt hatte und – vor dem Einzug der Firmenkantinen – mittags rund 300 Essen auftischte.
Vor wenigen Wochen sorgten die Schwestern für Schlagzeilen: Sie hatten die „Stadt Mainz“ zum Verkauf angeboten. Der interessierten rechtsextremen NPD erteilten sie aber eine deutliche Absage.
Das trug ihnen und Mutter Wilhelmine großen Respekt ein. Als vorbildhaft für eine demokratische Gesellschaft wurde ihr Verhalten gewürdigt. Aktuell ist die Zukunft der „Stadt Mainz“ offen.
Ein Verkauf ist denkbar, auch Interessenten gebe es. Genau so gut möglich: Dass Anneliese und Margarete das 27-Betten-Haus als Hotel Garni, also als Frühstückspension, weiterführen.
So wie sie das, unterstützt von drei angestellten Helfern, übergangsweise gerade tun. Die Gastwirtschaft öffnet bei Bedarf und auf Vorbestellung für Gruppen ab zehn Personen.
Weltoffenheit ist ein Lebensprinzip der Familie Schwarzmann. Das galt schon für den 1983 verstorbenen Vater. Nach dessen Tod übernahmen Margarete und Anneliese gemeinsam mit ihrer Mutter die Geschäfte.
„Wir möchten den Reisenden ein Zuhause geben“, sagt die Jubilarin, deren eigenes Zuhause fast ein Leben lang der Hotelgasthof in der Semmelstraße war.
Hier hat sie in jungen Jahren geputzt und gespült, Koffer geschleppt und Schuhe geputzt. Ein Leben voller Arbeit – und mit großer Erfüllung: „Ich kann mir keinen schöneren Beruf vorstellen. Man lernt so viele verschiedene Menschen kennen.“
Zum 50. Geburtstag, da hat die gelernte Köchin und Hotelkauffrau mit sich gehadert: „Ich dachte, jetzt ist das Leben vorbei.“ Und heute? Mit 65? „Kein Problem.
Die Männer, die gratulieren, werden immer jünger...“, schmunzelt die bekannte Würzburgerin schelmisch. Und noch ein Vorteil des Schalt-Geburtstages: „Es braucht sich keiner zu entschuldigen, wenn er zu spät gratuliert.“
Beinahe wäre das Leben der Anneliese Schwarzmann ganz anders verlaufen. Selbst Mutter Wilhelmine erinnert sich an den 29. Februar 1944:
In der Rotkreuzklinik hatte sie das Töchterchen zur Welt gebracht – da gab es Fliegeralarm. Alle mussten in den Keller. Babys wurden vertauscht. Doch Wilhelmine Schwarzmann holte sich ihre Anneliese zurück.
Als diese dann im Lauf der Jahre aber weniger vom Schlage Schwarzmann schien, da gingen die Eltern auf Nummer sicher: Sie fuhren nach Höchberg und begutachteten das möglicherweise vertauschte Kind.
Um festzustellen: Alles in Ordnung. Eine echte Schwarzmann – auch wenn sie erstaunlich blond und ein Schreikind war, leidenschaftlich Fußball spielte und vom Taschengeld alle Freundinnen zu Süßigkeiten einlud.
Dem Erfolg als Wirts- und Hoteliersfrau hat diese Offenherzigkeit jedenfalls nicht geschadet.