Der eine beeindruckt durch seinen Mut, seine Krankheit öffentlich zu machen und aus der Politik auszusteigen, eine andere durch eine steile Karriere in der Wissenschaft, der Dritte träumt von einer Show-Karriere - und jetzt kommt auch noch die Deutsche Weinkönigin aus Franken: Ein Blick auf zehn Menschen, die im Jahr 2023 in Unterfranken für Schlagzeilen gesorgt haben.
1. Sabrina Altieri aus den Haßbergen ist die Lieblingsbusfahrerin der Deutschen
Eine Jury aus Branchenvertretern wählt aus 2300 Vorschlägen aus - und kürt Sabrina Altieri aus Ebelsbach (Lkr. Haßberge) zur beliebtesten Busfahrerin Deutschlands. Ist man mit der 30-Jährigen, die für das Unternehmen Busclassic in Wiesentheid (Lkr. Kitzingen) arbeitet, unterwegs, spürt man schnell, warum ihr diese Ehre zuteilwurde. Da ist die Leidenschaft zu ihrem Beruf - und zum Gefährt. "Ich habe Benzin im Blut", sagt Sabrina Altieri, die ihren Bus liebevoll "Giovanni" nennt.
Und da ist die Wertschätzung für ihre Fahrgäste: Sabrina Altieri wartet schon mal, wenn sie einen Pendler an der Haltestelle vermisst, sie legt Lappen aus, damit die Passagiere bei Regenwetter nicht ausrutschen. Und ist einfach immer für ein paar freundliche Worte zu haben.
2. Trong Hieu aus Bad Kissingen ist ein Superstar in der Heimat seiner Eltern
Am Ende belegt Sänger Trong Hieu aus Bad Kissingen im Mai Platz vier beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest (ESC). Der Traum des 31-Jährigen, auch hierzulande ein Star zu werden, lebt indes weiter. So wie es ihm in Vietnam, der Heimat seiner Eltern, längst gelungen ist: Seit Trong Hieu dort 2015 die Castingshow "Vietnam Idol" gewonnen hat, wird der Sänger und Tänzer bei seinen Auftritten von kreischenden Fans gefeiert.
Trongs Geschichte gefällt den Medien: Geboren in Bad Kissingen, verbringt er seine ersten acht Lebensjahre in einem Flüchtlingsheim in Münnerstadt. Als die Eltern endlich arbeiten dürfen, zieht die Familie nach Bad Kissingen, wo Trong nicht nur sein Abitur ablegt, sondern auch in einer Tanzschule und im Kinderchor die Grundlagen für seine Karriere legt.
3. Alicia von Schenk aus Würzburg ist eine der jüngsten Professorinnen Deutschlands
Mit vier Jahren eingeschult, 1,0-Abitur mit 15, Studium mit 16, Doktortitel mit 25 - und mit 26 Jahren Professorin an der Uni Würzburg. Die Ökonomin und Mathematikerin Alicia von Schenk hat eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Kein Wunder, dass sich die Medien, aber auch die Fachwelt für eine der jüngsten Professorinnen Deutschlands interessieren.
"Das positive Feedback freut mich", sagt Alicia von Schenk. Dabei ist die gebürtige Heidelbergerin niemand, der das Rampenlicht sucht. "Forschung und Lehre haben absolute Priorität", betont die Juniorprofessorin für angewandte Mikroökonomie mit Schwerpunkt Mensch-Maschine-Interaktion, so der offizielle Titel. Aufgrund ihres Alters - mittlerweile ist sie 28 - wirkt sie inspirierend auf die Studierenden, vor allem auf andere junge Frauen.
4. Georg Holzmann ist ein Glücksfall für das Waldbad in Lengfurt
Zwei Gesellenbriefe als Maler und Lackierer sowie als Industriemechaniker hat der 51-jährige Georg Holzmann schon, als er noch einmal die Schulbank drückt, um sich als Betriebsleiter für das Waldbad in Lengfurt (Lkr. Main-Spessart) zu qualifizieren. Ein Glücksfall für den engagierten Rettungsschwimmer, der schon als Schulbub Dauergast im Waldbad war - und für seine Heimatgemeinde Triefenstein, die die Existenz des wunderbar gelegenen Bades langfristig sichern möchte.
"Es ist ein großes Glück, dass wir dieses schöne Waldbad haben, und es soll alles getan werden, um es zu erhalten", lautet das Credo Holzmanns, der auch Ansprechpartner für die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer ist, die sich im Förderverein für das Lengfurter Bad engagieren.
5. Eva Brockmann aus Großwallstadt ist eine Weinkönigin, die weiß, wovon sie spricht
"Ich bin überglücklich, es fühlt sich großartig an", sagt Eva Brockmann am Morgen danach. Ein paar Stunden zuvor ist die 24-Jährige, die in Großwallstadt (Lkr. Miltenberg) daheim ist, zur 75. Deutschen Weinkönigin gekürt worden. Mit Brockmann trägt erstmals nach 15 Jahren wieder die Vertreterin Frankens die nationale Wein-Krone.
Und sie ist der sympathische Beweis dafür, dass die Zeiten, in denen Wein-Hoheiten lediglich lächelnde Werbegesichter für den Rebensaft waren, endgültig vorbei sind. Als studierte Önologin, als Fachfrau für Kellerwirtschaft, hat Eva Brockmann viel Ahnung von dem Produkt, das sie in aller Welt vertritt. So wie sie bei der Wahl Ende September ihr Fachwissen auch noch schlagfertig und charmant verkauft, ist sie ein Glücksfall für Silvaner, Müller-Thurgau und fränkischen Burgunder.
6. Thomas Eschenbacher aus Hammelburg ist Pfarrer, der rappend Menschen in die Kirche holt
Einer, der immer wieder unkonventionelle, kreative Wege geht, um Menschen in die Kirche zu locken, ist Thomas Eschenbacher, katholischer Pfarrer in Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen). Mit seiner gerappten Faschingspredigt wird er 2023 zum Medienstar. Bis zum Sommer haben zwei Millionen Menschen einen Videomitschnitt seines Auftritts im Internet verfolgt. Zu sehen ist der 57-jährige, wie er im Februar vor dem Altar mit Sonnenbrille, Goldkette und Basecap eine selbst gedichtete, zehnminütige Büttenrede rappt.
Seine Themen reichen vom Weltgeschehen samt Ukraine-Krieg bis zu Glaubensfragen: "Alle, die wir heute hier versammelt sind, dürfen uns verstehen als von Gott geliebtes Kind. Übersetzt in Rapper-Sprache, check es einfach aus: Der im Himmel oben ist für dich voll fett gut drauf."
7. Anna Stolz aus Arnstein ist die politische Aufsteigerin in Unterfranken
Nach der Landtagswahl gewinnen die Unterfranken an Einfluss im Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Sein Parteifreund Sandro Kirchner aus Premich (Lkr. Bad Kissingen) darf Innenstaatssekretär bleiben, die bisherige Digitalministerin Judith Gerlach (ebenfalls CSU) aus Weibersbrunn (Lkr. Aschaffenburg) ist künftig bayerische Gesundheitsministerin. Den größten Karrieresprung aber macht Anna Stolz (Freie Wähler).
Zuvor Staatssekretärin, steigt die 41-Jährige, die bis vor fünf Jahren noch Bürgermeisterin von Arnstein (Lkr. Main-Spessart) war, auf zur Chefin im einflussreichen, aber oft auch kniffligen Kultusministerium. Der Lohn nicht zuletzt dafür, dass Stolz während der Flugblatt-Affäre treu zu und hinter ihrem Parteichef Hubert Aiwanger stand.
8. Marat Gerchikov ist Würzburger mit russischem Pass - und schämt sich für Russland
Als Kind musste Marat Gerchikov aus Belarus vor den Deutschen fliehen, später setzten dem Ingenieur die Kommunisten in der Sowjetunion zu. Seit 1995 lebt Gerchikov als jüdischer Kontingentflüchtling in Würzburg - mit einem deutschen und einem russischen Pass. Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine entsetzt den 86-Jährigen: "Einfach nur furchtbar - ganz, ganz schlimm." Die Hälfte der 1000 Mitglieder der jüdischen Gemeinde Würzburg hat ihre Wurzeln in der Ukraine, die andere Hälfte meist im heutigen Russland.
"Die Ukraine ist das unschuldige Opfer", stellt der 86-Jährige klar. Er schäme sich für Russland. Nicht zuletzt deshalb packt er mit an, wenn es gilt, Geflüchteten aus der Ukraine, "egal ob jüdisch oder nicht", in Würzburg im Umgang mit Sprache und Bürokratie zu helfen.
9. Hedwig Knüpfing ist die Erfinderin der "Geknickten" in Würzburg und sagt Ade
Die "Geknickte", mit oder ohne Senf, ist seit 53 Jahren Kult am Würzburger Marktplatz. So lange betreibt die Familie Knüpfing den Grillstand, als sie am 30. September die letzten Bratwürste ausgibt. Die 85-jährige Hedwig Knüpfing war von Anfang an dabei. Nachdem ihr Mann, Metzgermeister Karl Knüpfing, 2005 bei einem tragischen Unglück ums Leben kam, waren dann auch Tochter Silvia Kling (63) und Enkelin Charlene King-Demling (40) gefordert.
Letztere kümmerte sich als gelernte Metzgermeisterin um die Fertigung der Würste - nach einem Familienrezept. Während der Bratwurststand von Nachfolger Jan Wiesner weiterbetrieben wird, vermissen die drei Damen vom Grill nun ihre Stammkundschaft aus der Region sowie die Touristen aus aller Welt, die hier den "kulinarischen Geheimtipp" ihres Reiseführers ausprobierten.
10. Bad Brückenaus Bürgermeister Jochen Vogel ist mit Post Covid jetzt konsequent
Jochen Vogel, der Bürgermeister von Bad Brückenau (Lkr. Bad Kissingen), gibt sein Amt auf. Vogel war 2002 in Motten (Lkr. Bad Kissingen) zum Bürgermeister gewählt worden, 18 Jahre später holte ihn die CSU in die Kurstadt. Er gewinnt - und ist voller Tatendrang. Mehrfach geimpft, erkrankt Vogel im März 2022 an Corona. Nach einer Woche arbeitet der Bürgermeister wieder, doch dann kommen Rückschläge. An mögliche Covid-Folgen denkt der leidenschaftliche Radfahrer und Bergwanderer zunächst nicht.
Doch immer wieder bricht er zusammen. Die ungewohnte Leistungsschwäche auf der einen Seite, Pflichtbewusstsein auf der anderen: Es zerreißt Jochen Vogel förmlich. Ende September 2023 entscheidet der 50-Jährige: "Wenn ich gewinnen will, muss ich aussteigen." Langsam falle der Druck ab, sagt Vogel jetzt.