Liebe Frau Brockmann,
es gibt nicht viele Menschen, die es innerhalb einer Woche dreimal auf den Titel dieser Zeitung geschafft haben. Markus Söder oder Angela Merkel vielleicht. Die Fußballnationalmannschaft schaffte es nach dem WM-Gewinn 2014 jedenfalls nur zweimal auf die Seite eins, Bischof Franz Jung in der Woche nach seiner Weihe 2018 in Würzburg gar nur einmal.
Sie, Frau Brockmann, haben seit ihrer Krönung zur Deutschen Weinkönigin quasi den Titelseiten-Hattrick hinbekommen. Mehr noch: Bei Ihrem Heimatempfang in Großwallstadt (Lkr. Miltenberg) bescheinigte Ihnen der Vorsitzende des örtlichen Weinbauvereins, Ihr Mentor Klaus Giegerich, Sie hätten der Region ein neues Wir-Gefühl, gewissermaßen ein neues Selbstbewusstsein gegeben. Und all das, obwohl Kritikerinnen und Kritiker die Rolle der Weinköniginnen für aus der Zeit gefallen halten und böse Zungen von einer "Maskottchen-Wahl" sprechen. Wie passt das zusammen?
Die Persönlichkeiten sind der Rolle entwachsen
Vielleicht ist einiges nicht mehr stimmig im Bild der Weinmonarchie. Das ist nicht Ihre Schuld oder die Schuld Ihrer Vorgängerinnen auf dem fränkischen und deutschen Weinthron, liebe Frau Brockmann. Nein, es ist Ihr Verdienst!
Die modernen und intelligenten Frauen, die heutzutage als Markenbotschafterinnen durch die Lande ziehen, entsprechen eben längst nicht mehr dem Bild, das landläufig von einem Krönchen tragenden Werbegesicht bestehen mag. Man könnte sagen, die Persönlichkeiten sind der ursprünglichen Rolle entwachsen.
Bayerns Kunstminister gleich trocken ausgekontert
Besonders gut kann man das an Ihren sehen. Als studierte Önologin haben Sie nicht nur viel Ahnung von dem Produkt, für das Sie stehen. Sie sind zudem selbstbewusst und schlagfertig. Kaum hatten Sie vor eineinhalb Jahren die fränkische Weinkrone auf dem Kopf, monierten Sie lachend, wie unbequem das Teil sei. Ob sich das eine frisch Gekrönte vor 20 Jahren getraut hätte?
Zum Glück haben Sie sich Ihre charmant-direkte Art bewahrt. Als fränkische Winzer vor einigen Wochen während des Oktoberfestes Bayerns "Museumswein" in München vorstellten, flachste Kunstminister Markus Blume, dass man sich das "erst mal trauen" müsse, "ausgerechnet zum Hochamt des Bieres" mitten in München einen Termin für den Frankenwein zu legen. Sie konterten den Minister silvanertrocken aus, indem Sie ihm beibrachten, dass die Zeit des "Hochamtes des Bieres" in München nunmal deckungsgleich ist mit der Zeit des "Hochamtes des Weines" in Franken, also der Weinlese. Respekt!
Die Kandidatinnen im TV-Finale: Gefangen in einem überholten Format
Umso dramatischer finde ich das seit Bacchus' Zeiten immer gleiche Prozedere vor der Krönung. So auch vergangene Woche. Mit Verlaub: Das Finale zur Wahl der Deutschen Weinkönigin fühlte sich an wie ein schlimmer Kater.
Da führte ein Moderator in feinster "Geh-aufs-Ganze"-Manier - die Spielshow kennen Sie vielleicht nicht, das Original der Sat.1-Sendung wurde 1999, zwei Jahre vor Ihrer Geburt, abgesetzt - durch eine angestaubte und in Teilen alberne Sendung. Da half auch die Möglichkeit, vom Sofa aus online auf die Spielchen Einfluss nehmen zu können, nicht viel. Mittendrin fünf Kandidatinnen, die mir ehrlich gesagt ein bisschen leidtaten, weil sie eben nicht angestaubt und albern, sondern spritzig und smart wirkten. Irgendwie überlegen und doch gefangen in einem aus der Zeit gefallenen Format.
Tiefpunkt des Ganzen war für mich gegen Ende der Sendung ein Spiel, bei dem Sie eine spontane Rede zu einem bestimmten Wein-Thema halten sollten, in die Sie Begriffe einbauen mussten, die Ihnen als Bilder eingespielt wurden. Das führte dann zu Sätzen wie: "Die Farben der Weine wandeln von Kanarienvogelgelb" (ein Foto des Vogels war eingeblendet worden) "bis hin zu einem blassfarbenen Gelb".
Eine Frischzellenkur für die Weinköniginnen-Wahl
Natürlich könnte man das alles mit Verweis auf den Unterhaltungscharakter der Show oder auf Tradition abtun. Dennoch habe ich in den vergangenen Tagen häufig die Frage gehört: "Warum tun diese Frauen sich das an?"
Großwallstadts Bürgermeister Roland Eppig verglich diese Woche Ihren Werdegang von der Weinpraktikantin zur 75. Deutschen Weinkönigin mit dem modernen Märchen vom amerikanischen Traum, in dem ein Tellerwäscher zum Millionär wird. Ich finde das ein wenig übertrieben. Aber natürlich stehen Ihnen in Zukunft, wenn Sie die Kronen abgelegt haben, nahezu alle Türen in der Weinbranche offen. Und möglicherweise ist da die Teilnahme an dieser Wahl aus Ihrer Sicht ein ziemlich kleiner Preis.
Ich würde mir trotzdem wünschen, dass sich etwas tut: Längst sind aus dunklen Weinstuben trendige Vinotheken geworden. Aus dünkelhaften Weinverkostungen für elitäre Pseudo-Experten wurden eventige Weinproben für jedermann. Und die Weinköniginnen haben sich im wahrsten Sinne des Wortes emanzipiert. Da wäre es schön, wenn auch deren Wahl eine Frischzellenkur bekäme. Vielleicht sehen Sie das ja ähnlich und sprechen das Thema einmal an.
Ihnen, Frau Brockmann, wünsche ich eine schöne Zeit als Deutsche Weinkönigin. Ich bin mir sicher: Sie werden die Branche charmant, professionell und zeitgemäß vertreten - und vielleicht auch die Region.
Auf Ihr Wohl!
Benjamin Stahl, Redakteur