Seit November ist die Flüchtlings-Notunterkunft des Landkreises Rhön-Grabfeld wieder belegt. Bei der Bekanntgabe der erneuten Öffnung hatte Landrat Thomas Habermann aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen vor einem "Kollaps" gewarnt und an die Bundesregierung appelliert, die Zuzüge zu beschränken. Wie der Landrat aktuell die Flüchtlingssituation in Rhön-Grabfeld beurteilt, was er von der Politik fordert und ob Zelte aufgebaut werden müssen, erläutert er im Interview.
Thomas Habermann: Heute sehen wir, dass sich diese Hoffnung der Kanzlerin nicht erfüllt hat. Es kann nicht richtig sein, wenn man von 27 Staaten die Einzelmeinung vertritt, dass wir eine Willkommenskultur für Flüchtlinge brauchen. Wir maßen uns in Europa eine Sonderrolle an und meine Erfahrung in Brüssel zeigt, dass wir als unsolidarisch wahrgenommen werden. Auf unsere Rufe nach einer Verteilung von Flüchtlingen in Europa wird niemand einsteigen.
Habermann: Gescheitert will ich nicht sagen, aber die Grenzen sind erreicht. Bisher haben wir keine sozialen Probleme und keine gestiegene Kriminalität durch Zuwanderung. Die Bevölkerung ist nicht ausländerfeindlich, sondern weltoffen. Dafür muss man sich bei den Menschen bedanken.
Habermann: Nein, weil nicht einmal wir im ländlichen Raum die Integration ordentlich hinbekommen. Mit einem warmen Bett ist es doch nicht getan. Wir hängen mit den Deutschkursen hinterher, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sie nicht liefern kann. Wir hinken in Kindergärten und Schulen hinterher. Wir müssten noch viel mehr machen. Aus menschlichen Gründen, aber auch aufgrund unserer eigenen Interessen und der der Angekommenen.
Habermann: Das Gesetzeswerk stimmt nicht. Wir sind zu überreguliert und müssten viel pragmatischer vorgehen. Bis jemand als Bedienung, Reinigungskraft oder Ärztin arbeiten kann, wird man schier verrückt. Die Bürokratie ist zu komplex und kompliziert. Hier sind wir gescheitert.
Habermann: Ich bin im Bereich des Gesetzesvollzugs tätig und Opfer der Unfähigkeit der Parlamente. So deutlich muss ich das sagen. Wir wollen einfach klare Vorschriften, die wir leicht vollziehen können.
Habermann: In Unterfranken sind wir nach wie vor der Landkreis – mit Ausnahme von Schweinfurt, das mit dem Ankerzentrum eine Sonderrolle hat –, der in Relation zur Bevölkerung die meisten Asylbewerber und Flüchtlinge aufgenommen hat (Stand: 12.12.2023). Wir können die meisten Unterbringungsplätze melden, haben aber die Regierung von Unterfranken darauf hingewiesen, dass wir an der Grenze sind und man in anderen Landkreisen erst einmal auffüllen soll.
Habermann: Wir haben seit vier Wochen einen leichten Rückgang von Asylbewerbern. Wir führen das auf die Jahreszeit zurück, aber auch auf die zusätzlichen Grenzkontrollen. Im Moment haben wir noch die Sonderzuständigkeit Ukraine. Trotz des Rückgangs brauchen wir weiterhin dringend Unterkünfte. Das ist eine Dauerbitte an die Bevölkerung.
Habermann: Ja, das hatte doch erheblichen Erfolg. Es haben sich fünf Gemeinden und etwa zehn Privatpersonen gemeldet.
Habermann: Ja, aber nicht aus einer bestimmten Gesinnung heraus, sondern weil sie sich eher passiv verhalten. Vieles läuft auch über Privatpersonen, von denen man in der Gemeinde teilweise gar nichts weiß.
Habermann: Ja, wenn wir Ankommende nicht mehr unterbringen können, müssen wir Zwangszuweisungen nach dem Bevölkerungsschlüssel machen. Die Gemeinden wissen, dass im schlimmsten Fall die Menschen dann einfach vor dem Rathaus stehen und untergebracht werden müssen.
Habermann: Das kann man nicht sagen. Wir fahren auf Sicht, weil wir nicht wissen, wie viele Menschen noch kommen. Die Tatsache, dass wir eine Notunterkunft in Betrieb haben, zeigt, dass wir mehr Wohnraum brauchen. Dazu kommt, dass wir etwa 225 Fehlbeleger haben. Das sind Menschen, die anerkannt sind, aber auf dem freien Markt keine Wohnung finden. Bei den Zahlen sind der Familiennachzug und die afghanischen Ortskräfte noch gar nicht berücksichtigt.
Habermann: Turnhallen wollen wir nicht belegen, da wir den Schulsport nicht einschränken möchten. Eher kämen Zelte infrage. Das könnte man innerhalb weniger Wochen umsetzen.
Habermann: Sehr aktiv ist zum Beispiel Sulzfeld. Aber auch Ostheim, Mellrichstadt und Bad Königshofen sind Vorzeigebeispiele.
Habermann: Sie haben eine Struktur mit Ehrenamtlichen, die sich kümmern. Und wenn beispielsweise der Kindergarten aufgrund der zu geringen Gruppengröße kurz vor der Schließung steht, kann eine Zuweisung von ukrainischen Müttern mit Kindern helfen. Man hofft auch, dass die Menschen bleiben und man Arbeitskräfte gewinnt.
Habermann: Bedingt. Wir wissen ja nicht, wer uns zugewiesen wird. Natürlich sind es nicht reihenweise ukrainische Familien mit Kindern, sondern auch viele alleinstehende junge Männer aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Türkei, Eritrea oder Somalia. Man sollte aber nichts verallgemeinern. Bei den 29 Afghanen, die in der Notunterkunft untergebracht waren, haben wir Lob von den Anwohnern bekommen, wie gut das lief.
Habermann: Sie wären dann eine Chance, wenn die Verfahren schnell abgeschlossen werden würden. Wenn die, die abgelehnt werden, Deutschland schnell verlassen und die anderen sehr schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden würden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es ist von Anfang an nicht sauber gearbeitet worden. Der Rechtsstaat ist durch Barmherzigkeit ersetzt worden und sowas geht immer schief. Das ist der größte Vorwurf, den ich Angela Merkel mache.
Habermann: Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán hat die Vorschriften eingehalten und war unbarmherzig. Merkel hat die Vorschriften negiert und mit Barmherzigkeit reagiert. Beides geht nicht. Ich muss klare rechtsstaatliche Regeln haben und zusätzlich barmherzig sein, muss menschlich bleiben. So etwas gibt es in Form der Härtefallkommission. Man hat sich aber nicht an den Rechtsstaat gehalten. Das ist jetzt fatal.
Habermann: Die Menschen sind allgemein sehr unzufrieden und sehen Probleme, die nicht gelöst werden. Dann wählen sie die, die versprechen, es zu lösen. Wenn wir ein Land überfordern, kommt es zu diesen Reaktionen. Nicht alle Menschen sind gebildet und kennen die Anfänge des Nationalsozialismus. Und nicht alle Menschen haben eine Herzensbildung – aber die wählen auch mit. Sie zu beschimpfen, ist nicht die Lösung des Problems. Man muss sie überzeugen, dass sie auf dem falschen Weg sind und persönlich mitnehmen.
Habermann: Wer in unser Land darf, muss bundespolitisch geregelt werden. Aber wer bei uns ist, für wen wir die Verantwortung haben, der muss auch menschenwürdig, christlich und sozial behandelt werden. Das ist mein Anspruch. Das ist uns bisher gut gelungen – dank der Ehrenamtlichen, die sich menschlich um die Leute kümmern.
In Orbans Ungarn lebt " Ein Drittel der Bevölkerung an und unter der Armutsgrenze, ein weiteres Drittel schaffe es gerade so, sich finanziell jeden Monat über Wasser zu halten" (https://www.deutschlandfunk.de/fluechtlingsreferendum-in-ungarn-ein-land-macht-dicht-100.html). Das kann man nicht mit Deutschland vergleichen! "Flüchtlinge: Orban erlaubt Armee zu schießen" lautete die Überschrift der Welt im Flüchtlingsjahr 2015. Und das ist der Rechtsstaat den unser Landrat hier preist? Mit der Weigerung, Flüchtlinge aufzunehmen, hat Ungarn2015 gegen EU-Recht verstoßen. Zu diesem Ergebnis der EuGH: Az: C-643/15 und C-647/15) EX-Richter und JETZT Landrat Habermann meint das Gegenteil?
Von den Antworten im o.g. Interview gefällt mir dessen nachfolgend abgedruckte Antwort am allerbesten:
"Habermann: Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán hat die Vorschriften eingehalten und war unbarmherzig. Merkel hat die Vorschriften negiert und mit Barmherzigkeit reagiert. Beides geht nicht. Ich muss klare rechtsstaatliche Regeln haben und zusätzlich barmherzig sein, muss menschlich bleiben. So etwas gibt es in Form der Härtefallkommission. Man hat sich aber nicht an den Rechtsstaat gehalten. Das ist jetzt fatal."
Besonders fatal finde ich, daß obwohl all diese Mißstände für jeden offenbar liegen, die Ampelparteien, allen voran die Grünen, keinen Kurswechsel einleiten, sondern im Gegenteil durch erleichterten Familiennachzug die Lage weiter verschärfen wollen.
International ist Deutschland mit dieser Position übrigens komplett isoliert.
Ein Blick nach Norden würde genügen: Dänemark und Schweden wurden ebenso überrannt.
Kaum haben sie die Versorgung der Flüchtlinge auf das Notwendige beschränkt und Sachleistungen statt Geld ausgegeben, ist der Flüchtlingsstrom nahezu abgerissen.