
Deutlich steigende Flüchtlingszahlen hat Landrat Thomas Habermann für den Landkreis Rhön-Grabfeld angekündigt. Da Unterfranken für die kommenden Monate die Sonderzuständigkeiten Ukraine und Türkei erhalten hat, kommen gemäß der Quotenverteilung immer mehr Menschen in den Landkreis – unabhängig vom Zustrom weiterer Flüchtlinge aus anderen Ländern, die ebenfalls untergebracht werden müssen.
Die Bürgermeister der Landkreisgemeinden sind bei der Dienstbesprechung am 24. Oktober bereits über deutlich mehr Zuweisungen informiert worden. Sie sind aufgerufen, mögliche Unterkünfte für Geflüchtete zu suchen und zu melden. Erklärtes Ziel sei laut Habermann, keine Turnhallen belegen zu müssen.
Unter den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Rhön und Grabfeld herrscht Sorge. Freier Wohnraum im Landkreis ist knapp, viele Gemeinden sind, auch was die Betreuung und Versorgung der Flüchtlinge betrifft, am Limit. Wie sehen die Bürgermeister aus Mellrichstadt, Ostheim, Bad Neustadt, Bad Königshofen und Bischofsheim die aktuelle Entwicklung?
Michael Kraus, Mellrichstadt: "Unsere Ressourcen sind aufgebraucht"
Der Vorsitzende des Kreisverbands im Bayerischen Gemeindetag, Mellrichstadts Bürgermeister Michael Kraus, sagt dazu klipp und klar: "Unsere Ressourcen sind aufgebraucht. Jetzt muss auf höherer Ebene eingegriffen werden, denn wir werden die Belastung nicht mehr stemmen können."
Mit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 und zusätzlich verschärft durch den Angriffskrieg auf die Ukraine wird in Mellrichstadt seit Jahren nach Unterkünften gesucht, der Wohnungsmarkt ist leergefegt. Auch die Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in der ehemaligen Berufsschule ist voll belegt. "Mellrichstadt kann keinen freien Wohnraum anbieten", macht Kraus deutlich, auch dieWohnungen der Baugenossenschaft sind komplett vermietet.
Belegung von Turnhallen sollte die letzte Möglichkeit sein
"Unsere Kommunen leisten mit den Helferkreisen seit Jahren hervorragende Integrationsarbeit und suchen beständig nach Wohnungen für Geflüchtete", spricht Kraus auch für seine Amtskollegen. Wo also sollen künftig bis zu 130 Geflüchtete pro Woche im Landkreis unterkommen? Die Belegung von Turnhallen könne nur die letzte Möglichkeit sein. "Das sollten wir unbedingt vermeiden", so Kraus. Denn er sieht auch die Gefahr, dass mit zunehmender Belastung die Stimmung in der Bevölkerung kippt. "Hier ist nun auch Fingerspitzengefühl der Landes- und Bezirksregierung gefordert."
Mellrichstadt als Mittelzentrum sehe sich durchaus in der Pflicht, intensiv zu helfen und nehme seit Jahren mehr Geflüchtete auf, als nach dem Verteilungsschlüssel vorgesehen, führt er an. Jetzt aber müsse er sagen: "Mellrichstadt ist voll." "Wir werden zwar niemanden frierend am Straßenrand stehen lassen", so Kraus, doch er sieht die große Politik gefordert, die Situation an sich in den Griff zu bringen und Lösungen zu finden. "Wir als Bürgermeister können das nicht, und es ist auch nicht unsere Aufgabe."
Steffen Malzer, Ostheim: "Keine Kapazitäten mehr, weitere Flüchtlinge unterzubringen"
Auch Ostheims Bürgermeister Steffen Malzer blickt mit Sorge auf die aktuelle Entwicklung. "Wir haben vonseiten der Stadt keine Kapazitäten mehr, weitere Flüchtlinge unterzubringen." Seine Stellvertreterin Karina Werner, die beim Ostheimer Unterstützerkreis federführend mitwirkt, nennt Zahlen: Rund 40 Menschen aus der Ukraine leben derzeit in Wohnungen in Ostheim, 26 Afghanen sind zudem in drei Häusern, die der Landkreis angemietet hat, untergebracht. Dazu kommen rund 90 Syrer und Pakistaner, von denen manche bereits seit 2015 in der Streustadt leben und die ebenfalls in Privatunterkünften in Ostheim wohnen.
Die Ankündigung, dass noch viel mehr Geflüchtete kommen, hat für ratlose Gesichter bei den Helfern gesorgt. "Wir fragen uns, wo die Menschen noch hinsollen", sagt Karina Werner. Zumal nicht nur Geflüchtete eine Wohnung suchen. "Wir brauchen ja auch Wohnraum für die Einheimischen."
Das Ferienheim in Oberwaldbehrungen ist keine Option
Für Steffen Malzer hat die Stadt Ostheim ihre Aufgaben in der Flüchtlingshilfe voll erfüllt. "Wir tun seit Jahren viel für Geflüchtete, jetzt sind auch andere Kommunen gefragt, die noch nicht so viele Menschen aufgenommen haben", macht er deutlich. "Aber natürlich werden auch wir darüber hinaus unsere Pflicht erfüllen, wenn die Geflüchteten gleichmäßig im Landkreis verteilt sind."
Das Ferienheim in Oberwaldbehrungen, in dem mit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine die ersten Geflüchteten in der Region untergebracht worden waren, ist laut Malzer jedenfalls keine Option für ein Flüchtlingshaus. Es ist an das Ostheimer Kommunalunternehmen für touristische Zwecke verpachtet und über Monate hinweg ausgebucht.

Peter Kuhn, Bad Königshofen: Schon überproportional engagiert
Die Grabfeld-Metropole Bad Königshofen sieht sich derzeit nicht in der Lage, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. "Wir beherbergen hier schon über 300 Flüchtlinge, das ist für eine Kommune unserer Größenordnung schon überproportional", sagt stellvertretender Bürgermeister Peter Kuhn gegenüber dieser Redaktion.
Seit Jahren leiste man bereits besonders intensive Integrationsarbeit. Vor allem die Sprachkurse, die von der Vhs und Renate Knaut als Verantwortlicher betreut werden, seien hier zu nennen. Finanziert würden diese von der Stadt. "Im Haus St. Michael sind derzeit afghanische Ortskräfte untergebracht. Aber wir haben ja Pläne, das Gebäude irgendwann für die Grundschule zu nutzen", macht Kuhn deutlich, dass die Stadt nicht beliebig über Immobilien verfüge.
"Wir versuchen immer, einige der Ortskräfte in St. Michael andernorts unterzubringen, aber das gelingt nicht leicht", so Kuhn weiter. Er kann sich kein Gebäude vorstellen in Bad Königshofen, wo eine größere Zahl der erwarteten Flüchtlinge unterzubringen wäre.

Michael Werner, Bad Neustadt: "Weiteren Zuweisungen sehe ich mit Sorge entgegen"
"Mit Sorge", sagt Bad Neustadts Bürgermeister Michael Werner, blicke er weiteren Flüchtlings-Zuweisungen entgegen. "Wenn die Badewanne voll ist, muss ich den Hahn halt schließen", dieser Satz gehe ihm derzeit nicht mehr aus dem Kopf. "Wir kriegen das nicht gewuppt, vor allem nicht mit schwächelnder Konjunktur", ist er überzeugt. In Bad Neustadt gebe es keine weiteren Immobilien zur Flüchtlingsunterbringung mehr.
Wie jüngst berichtet, ist der Landkreis derzeit bereits dabei, die beiden Obergeschosse in der ehemaligen Bad Neustädter Kreisklinik zu erschließen, um das kreiseigene Gebäude erneut als Notunterkunft zu betreiben. Eine weitere dezentrale Unterkunft werde in Bad Neustadt im leer stehenden Hotel "Zum Goldenen Löwen" in der Hohnstraße entstehen. Auch in der Kurhausstraße gibt es eine dezentrale Unterkunft.
Als Sozialstaat habe man sich verpflichtet, zu helfen: "Jede Kommune ist in der Pflicht, mitanzupacken." Werner ist sich allerdings sicher: "Das wird ein Kraftakt." Denn das Problem ende nicht mit der Unterkunft: "Die Frage ist, wie werden die Menschen integriert." Das Gros der Ehrenamtlichen sei inzwischen platt und laufe am Limit.
Georg Seiffert: "Wir haben keine Unterkünfte mehr"
Bischofsheims Bürgermeister Georg Seiffert fasst sich bei diesem Thema kurz: "Wir haben ad hoc keine Unterkünfte". Auch er kann sich eigentlich kein Gebäude vorstellen, wo noch Flüchtlinge untergebracht werden könnten. Möglicherweise könne man etwas herrichten, dann aber nur mit enormem Aufwand. Der Landkreis habe bereits Wohnungen in Bischofsheim angemietet.
Hier leben derzeit 16 Personen, die sich in einem laufenden Asylverfahren befinden. Natürlich beobachte er die Entwicklung mit Sorge und sehe zunehmenden Druck. Daher appelliere an die Bischofsheimer, freie Wohnungen oder Gebäude über die Stadt oder direkt beim Landratsamt zu melden. Diesen Weg sollten auch Bischofsheimer nutzen, die sich für Flüchtlinge engagieren möchten.