Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann ist irritiert. Von der Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland im Allgemeinen, vom für diesen Mittwoch anberaumten Flüchtlingsgipfel im Konkreten. Der Grund: Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Kommunalpolitik zu besagtem Gipfel nicht geladen. Dabei, so Habermann, hätte sie jede Menge zum Thema Migration zu sagen.
"Man muss doch die Menschen vor Ort hören, die alles umsetzen", moniert Landrat Thomas Habermann. Die, die Wohnraum auftun, Kita-Plätze ausfindig machen, Integration in Schulen leisten. Deren Gedanken nicht anzuhören, empfindet er als "Totalverweigerung von Kommunikation". Die Erfahrungen vor Ort seien wesentlich zur Beurteilung der Situation und zur Planung der weiteren Schritte.
Landrat Habermann wünscht sich einen Kommunalgipfel beim Bundeskanzler
"Das Thema Migration ist ein Problem", formuliert es Habermann deutlich. Mit dieser Meinung stehe er nicht allein. "So kann es nicht weitergehen", das hätten auch Oberbürgermeister und Landräte aller politischen Couleur unisono beim von CDU/CSU anberaumten Gipfel vor vier Wochen formuliert, berichtet Habermann, der damals in Berlin dabei war. Der Rhön-Grabfelder Landrat wünscht sich einen "Kommunalgipfel" beim Bundeskanzler. Die Sorgen und Nöte der Kommunen müssten Gehör finden.
Flüchtlingspolitik: Der Rhön-Grabfelder Landrat fordert eine sachorientierte Auseinandersetzung
Spreche man offen die Probleme rund um das Thema Migration an, werde man schnell als Nazi, AfD-Sympathisant oder ausländerfeindlich abqualifiziert, so Habermann weiter. "Das ist natürlich bequem, dann muss man sich mit den Sachargumenten nicht weiter auseinandersetzen." An einer sachorientierten Auseinandersetzung führe aber kein Weg vorbei, so Habermann weiter.
Allein der Blick auf die demografische Entwicklung in Asien und Afrika und auf die schiere Masse von Menschen, die nach Europa wollen, offenbare: "Will man nicht die Leistungsfähigkeit der Sozialsysteme, die Infrastruktur in Bezug auf Kita, Schule, Wohnung, Arzt und den sozialen Zusammenhalt in Deutschland zerstören, braucht es ein Umdenken."
Landrat Habermann: "Die Infrastruktur ist in vielen Ecken des Landkreises sehr ausgereizt"
Mit Blick auf die Lage in seinem Landkreis erklärt er: Im ländlich geprägten Rhön-Grabfeld stelle sich die Situation vermutlich noch deutlich besser dar als in vielen Ballungsgebieten. Dennoch: "Die Infrastruktur ist in vielen Ecken des Landkreises sehr ausgereizt."
Gemeldet sind in Rhön-Grabfeld derzeit 462 Asylbewerber und 882 Ukraine-Flüchtlinge. Das sind zwar weniger als in der ersten Flüchtlingskrise 2015/2016 (2015: 832 Asylbewerber, 2016: 486), aber mehr als in den Folgejahren. 2017 fiel die Zahl der Asylbewerber auf 351, seither stieg sie kontinuierlich jedes Jahr an. 2022 kamen zusätzlich 1055 Ukrainer in den Landkreis. Es gibt sechs Gemeinschaftsunterkünfte, 26 dezentrale Unterkünfte und seit Ende März die Notunterkunft mit 60 Plätzen, aktuell zu 50 Prozent ausgelastet, im alten Bad Neustädter Kreiskrankenhaus.
Der Freistaat Bayern übernimmt zunächst nahezu alle direkt anfallenden Kosten
Die Situation der Kostenübernahme differiere von Bundesland zu Bundesland. In Bayern sei man in der glücklichen Situation, "dass der Freistaat fast alle Kosten übernimmt, die den Kommunen entstehen", so der Landrat. 2022 waren das 2,48 Millionen Euro, im Vergleich zum Vorjahr (1,46 Millionen Euro) eine Steigerung von rund 70 Prozent. Auch die Aufwendungen für die Anmietung der dezentralen Unterkünfte übernimmt der Freistaat. 2021 waren das 248.700 Euro, 2022 schon 711.500 Euro, eine Steigerung von rund 186 Prozent.
Nicht vom Land Bayern getragen werden die Personalkosten, die in Gemeindeverwaltungen und Landratsämtern entstehen, um die anfallenden Aufgaben abzuarbeiten. Auch Folgekosten wie Kita- und Schul-Ausbauten bleiben letztlich an den Kommunen hängen. Die Personalkosten für die Flüchtlings- und Integrationsberatung und die Integrationslotsin übernimmt das Land Bayern zu 80 Prozent. Der Anteil des Landkreises Rhön-Grabfeld daran jährlich: 10.000 bis 15.000 Euro.
Derzeit fehlt dezentraler Wohnraum für 93 Flüchtlinge in Rhön-Grabfeld
In puncto Wohnraum für Flüchtlinge, so Habermann, seien die Rhön-Grabfelder Kommunen belastet, "aber es ist noch machbar". Teils seien die staatlichen Unterkünfte allerdings mit "Fehlbelegern" besetzt. Laut Habermann sind das Menschen, die ihr Asylverfahren bereits erfolgreich abgeschlossen haben, es aber nicht schaffen, aus den Unterkünften auszuziehen, unter anderem weil der Wohnungsmarkt stark überlastet ist. Rechnet man die rund 63 Fehlbeleger und 30 Personen in der Notunterkunft, fehlt im Landkreis diesbezüglich derzeit Wohnraum für 93 Personen.
Deutlich dramatischer sei die Lage im Bereich ärztliche Versorgung. Schon Landkreisbewohner bekämen oft nur schwer einen Termin beim Facharzt. Für Geflüchtete, die häufig nur wenig mobil sind und die Sprache wenig bis nicht beherrschen, sei das nahezu unmöglich.
Angespannt, aber machbar ist die Lage in Kitas und Schulen in Rhön-Grabfeld
Laut Jugendamt ist die Situation in den Kitas "angespannt", aber machbar. Vereinzelt gebe es Probleme. In Schulen seien die "Brückenklassen" nicht immer der ideale Weg der Integration, zitiert der Landrat das staatliche Schulamt, seien die Kinder und Jugendlichen in diesen Brückenklassen doch in erster Linie unter sich. Alle Flüchtlingskinder in Regelklassen zu integrieren, sei aber "personell und schulorganisatorisch" nicht leistbar.
Welche Lösungsansätze sieht Habermann? "Es bräuchte eine deutliche Begrenzung der Migration, auch ein Aufnahmestopp sollte kein Tabu sein", fordert er. Außerdem sollte die hauptamtliche Betreuung durch Flüchtlings- und Integrationsberatung vom Freistaat ausgebaut werden, über Ehrenamtliche sei die Unterstützung von Asylbewerbern auf die Dauer nicht machbar.
Landrat Habermann: "Die Bundesrepublik kann nicht im Alleingang die Welt retten"
"Personen, die nicht bleiben dürfen, müssen konsequent abgeschoben werden", fordert Habermann weiter. "Um das zu erleichtern, wäre es unter Umständen auch notwendig, Personen ohne Papiere nicht mehr einreisen zu lassen." Sachleistungen statt Bargeld sind in den Augen des Landrats eine weitere Möglichkeit, Deutschland weniger attraktiv für Asylbewerber zu machen.
"Der Bund ist ganz klar gefordert, seine idealisierten Moralvorstellungen der tatsächlichen Situation vor Ort anzupassen und endlich Realpolitik zu betreiben", fordert Habermann. Die Bundesrepublik, findet er, könne nicht "im Alleingang die Welt retten".
Der Artikel wurde aktualisiert.
Das finde ich ziemlich schlimm, eigentlich schlimmer als die eigentliche Flüchtlingsroblematik. Deutschland hat mittlerweile so viele Baustellen, Baustellen die seit Jahren und Jahrzehnten bekannt sind um die sich aber neimand kümmert. Unser System wird mutwillig von der jeweiligen Regierung an die Wand gefahren nach dem Motto "nach mir die Sinnflut".
Bzgl. Flüchtlingen ging es los mit den Spätaussiedlern Anfang der 1990er Jahre, weiter über die Flüchtlinge der verschiedenen Jugoslawienkriege hin zu Flüchtlingen in den 2000er Jahre aus Afrika bis hin zu Flüchtlingsströmen aus Afghanistan, Syrien und zusätzlich momentan Flüchtlinge aus der Ukraine.
Gelernt hat man nie daraus, trotz oftmals großer Worte. Eigentlich erbärmlich!
"Allein der Blick auf die demografische Entwicklung in Ländern wie Asien und Afrika ...."
Bisher galten Afrika und Asien als Kontinente und nicht als Länder. ..😉
Wenn für Sie das alles so einfach ist, warum wechseln Sie nicht einfach in die Politik?
Bei vielen Artikeln geben Sie ihren Senf dazu (was vollkommen in Ordnung ist), aber tun Sie doch bitte nicht immer so als würde der Großteil der Einwohner dieses Landes genauso denken...
HILFE??? Darauf könnt ihr lange warten.