
Etwa 50 geflüchtete Menschen kommen aktuell jede Woche in den Landkreis Main-Spessart – zu viele, um für jeden eine eigene Wohnung zu organisieren. Die Main-Spessart-Halle in Marktheidenfeld und die Erwin-Ammann-Halle in Karlstadt müssen daher auf unbestimmte Zeit als Notunterkünfte herhalten. Vertreter von Schulen und Vereinen in den beiden Städten fühlten sich schlecht informiert und sorgen sich um die Sicherheit im Umfeld der Schulturnhallen. Landrätin Sabine Sitter (CSU) und ihre Abteilungsleitungen Jacqueline Ratka (öffentliche Sicherheit und Ordnung) und Stefan Krebs (kommunale und soziale Angelegenheiten) reagieren im Interview auf die Fragen und Sorgen, die Leserinnen und Leser an diese Redaktion herangetragen haben.
Jacqueline Ratka: Es sind Geflüchtete aus der Türkei, aus Afghanistan, Syrien und weiter aus der Ukraine.
Stefan Krebs: Die Zuständigkeit des Anker-Zentrums in Geldersheim ändert sich immer wieder. Der Anker war vor allem für Afghanistan zuständig. Jetzt gibt es eine Sonderzuständigkeit für die Türkei. Jede Aussage, die man trifft, kann in zwei Wochen schon wieder überholt sein.

Krebs: Die Ukrainer haben direkt Aufenthaltstitel bekommen, das war eine politische Entscheidung. Alle anderen, die kein Visum oder Ähnliches haben, müssen durch das komplette Asylverfahren.
Krebs: 20 bis 30 Personen pro Woche – das war eine Tatsache, ein Durchschnitt aus unseren Erfahrungswerten. Aktuell sind es rund 50 pro Woche. Vorhersehbar ist das Zugangsgeschehen nicht, weder für uns noch für das Ankerzentrum. Daher gibt es keine längerfristigen Szenarien, auf die wir uns vorbereiten könnten.
Sabine Sitter: Wir haben auf eine Vielzahl kleinerer Unterkünfte gesetzt, weil dies zu einer erfolgreicheren Integration führt. Mittlerweile haben wir rund 60 dezentrale Unterkünfte. Wenn wir eine Unterkunft akquiriert haben und in Schule und Kindergarten noch Platz war, haben wir der Regierung gesagt, wie viele Menschen wir vermitteln können. So konnten wir die Unterbringung gut steuern und die betroffenen Kommunen konnten sich vorbereiten. Darum hat die Integration in Main-Spessart 2015 sehr gut geklappt und deshalb haben wir im Moment so viele Einbürgerungen.
Sitter: Durch diese bedarfsorientierte, dezentrale Unterbringung konnten wir nicht so viele Menschen aufnehmen wie Landkreise mit großen Modulbauten. Jetzt hat die Regierung anhand der Zahlen gesagt, Main-Spessart muss ran. Es gab das klare Signal: Wenn ihr keine dezentralen Unterkünfte mehr habt, aktiviert bitte eure Notfallkapazitäten.

Sitter: Innerhalb des Landkreises haben wir uns natürlich die Landkarte noch einmal angeschaut. Marktheidenfeld war kurzfristig umsetzbar, weil wir die Halle und Gegebenheiten kannten. Aber wir brauchten mehr Kapazitäten. Also haben wir im Landkreis und besonders im Raum Karlstadt sämtliche Liegenschaften geprüft, die uns zur Verfügung hätten stehen können. Das sind aber meistens Immobilien, bei denen wir nicht der Eigentümer sind. Unser Ziel ist es, die Halle in Marktheidenfeld als erste wieder freizugeben. Das haben wir auch so kommuniziert.
Sitter: Wir haben an einem Mittwoch entschieden, dass wir Turnhallen nutzen müssen. Am Donnerstag haben wir die Schulen und Städte eingeladen, die infrage kamen. Wir hatten ein Krisengespräch mit allen Schulleitern, mit dem TSV Karlstadt, weil der hauptsächlich die Halle belegt, und mit den Bürgermeistern. Meiner Erinnerung nach habe ich den Akteuren gesagt, dass sie so wenig Informationen wie möglich herausgeben sollen, bevor die Entscheidung endgültig getroffen ist – aber so viel wie nötig, um sich auf das Szenario vorzubereiten. Ich habe zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass sie nichts sagen dürfen, sondern die Verantwortung an die nächsten Akteure in der Verantwortungslinie gegeben.
Ratka: Aus unserer Sicht ist das nicht möglich. In der Notfallsituation kannst du nicht vorher kommunizieren. Wir haben eine sehr lange Liste mit möglichen Grundstücken und Gebäuden, auf der wir jeweils um die 20 Aspekte gegenüberstellen. Wir gucken je nach Bedarf, welche Immobilie passen könnte. Die kreiseigenen Hallen sind für Notsituationen – wie zum Beispiel ein Zugunglück oder extremes Hochwasser – immer als Backup grob vorbeplant.
Sitter: Wir müssen ständig die Balance halten: Informieren wir alle im vorauseilenden Gehorsam und machen sie unruhig oder lieber im Nachgang, wenn der Fall tatsächlich eintritt. Da wird immer ein Konflikt bleiben.
Krebs: Eine Notfallkapazität gab es schon während der Ukraine-Krise. Das hat niemand mitbekommen, stand für uns aber fest. Wir haben alle Akteure informiert, aber keine Panik geschürt. Letztlich musste diese Halle nie belegt werden.

Sitter: Nein. Es ist unmöglich, die Entwicklung vorauszusehen. Deshalb wäre es unseriös, jetzt einen Auszugstermin zu nennen.
Sitter: Der Bürger hat uns gespiegelt: "Warum habt ihr nicht schon weitere Modulbauten aufgestellt?" Jetzt ist die Problematik überall angekommen und damit steigt auch die Solidarität. Wir bekommen nun Grundstücke angeboten und können aktiv planen. Auch Privatwohnungen werden jetzt vermehrt angeboten. Deswegen bin ich optimistisch, dass relativ schnell wieder Menschen aus den Hallen ausziehen können.
Ratka: Wir bitten beim Aufbau um Amtshilfe. 200 Betten aufzustellen, Bauzäune und Infrastruktur in kurzer Zeit hochzuziehen, ist nicht einfach. Niemand muss helfen, wenn er nicht möchte. Aber ein Großteil macht das gerne, weil sie sehen, dass es eine Notsituation ist. Jeder darf seine Meinung dazu haben und Dinge hinterfragen.
Ratka: Wir haben private Eigentümer gefragt, ob sie ihre Immobilie oder ihr Grundstück vermieten oder verpachten würden und ein Nein selbstverständlich respektiert. Dass wir nun auf kreiseigene Hallen zurückgreifen, belegt das ja. Selbstverständlich wahren wir die Grundrechte, zu denen auch das Recht auf Eigentum und auf Unverletzlichkeit der Wohnung zählt. Würden alle Flüsse über die Ufer treten, wären drei Viertel des Landkreises nicht mehr bewohnbar und alle verfügbaren Notfallkapazitäten ausgeschöpft – dann würden wir vielleicht die Bevölkerung aufrufen: "Leute, nehmt bitte eure Nachbarn auf." In anderen, weniger extremen Szenarien ist das völlig fernab von der Realität.

Ratka: Wir hören den Eltern zu, nehmen ihre Anliegen ernst und überprüfen jeden aufgeworfenen Aspekt. Ich kann versichern, dass wir die Mehrzahl bereits bedacht haben. Sie sind in unserer Planung und im gemeinsam mit den Schulen, der Polizei und den Städten Karlstadt und Marktheidenfeld erarbeiteten Sicherheitskonzept berücksichtigt.
Ratka: Es war uns zum Beispiel auf dem Schulhof ein Anliegen, dass wir keine Durchmischung haben, sondern, dass der Schulbetrieb möglichst unbeeinflusst weiterlaufen kann. Die Eingänge zur Halle für die Geflüchteten sind deshalb komplett getrennt von den Bereichen, in denen sich Schüler aufhalten. Das haben wir bei beiden Hallen sichergestellt durch Bauzäune als gegenseitigen Sichtschutz und den Sicherheitsdienst. Beide Seiten sollen sich sicher fühlen, innen wie außen. Es gibt eine Zugangskontrolle, die sicherstellt, dass keine unberechtigten Personen in die Hallen hineinkommen, die uns aber auch erlaubt, zu wissen, wie viele Personen in der Halle sind, falls eine Evakuierung nötig wäre.
Ratka: Die Polizei Marktheidenfeld bestätigt, dass im Umfeld des früheren Klinikums keine Zunahme sicherheitsrelevanter Vorfälle zu verzeichnen ist. Außerdem gibt es keine signifikante Häufung von Straftaten durch Bewohner der Notunterkunft. Das sind die Fakten.
Sitter: Schulen und Städte wussten und wissen immer: Wenn es notwendig ist, machen wir eine Veranstaltung. Allerdings besteht da die Gefahr, dass sich die Emotionen hochschaukeln. Deshalb setzen wir auf Information. Wir haben in einer umfangreichen Pressemitteilung informiert. Wir stehen in Kontakt mit den Schulleitungen, die zum großen Teil mit Verständnis reagiert sowie Eltern und Mitarbeiter vorbildlich informiert und eingebunden haben. Wir haben auch alle E-Mails, die bei uns angekommen sind, ordentlich beantwortet. Ich bin wahnsinnig dankbar für diese E-Mails, die uns zeigen, welche Informationen die Bürgerinnen und Bürger noch benötigen. Mir ist wichtig, dass kein Mensch mit Angst herumläuft. Angst ist ein schlechtes Gefühl. Sie gibt Unsicherheit und kann schnell zur Wut werden. Das wollen wir vermeiden und deshalb ist es uns wichtig, ruhig und sachlich zu informieren. Aber ich verstehe natürlich, dass die letzten dreieinhalb Jahre für jeden sehr fordernd waren. Auch ich sitze manchmal abends da und muss dreimal tief durchatmen.
Krebs: Sicherlich Kleiderspenden, zurzeit bevorzugt warme Wintersachen, da verweisen wir an das Rote Kreuz. Helferkreise sind immer willkommen. Das Landratsamt kann ein Dach über dem Kopf und Essen stellen, aber die Integration vor Ort kann kein Amtsmitarbeiter leisten. Wer sich engagieren möchte, kann sich sehr gern an unsere Integrationslotsen wenden (Integration@lramsp.de), die die Arbeit der Ehrenamtlichen unterstützen.
Ich kann Ihnen von andernorts berichten, dass es zahlreiche bürokratische Hürden und Ressort-Zuständigkeiten gibt, Mängel müssen beseitigt werden.
Hier ein Zitat aus einem Bericht der StZ vom Dezember 2022, nachdem bekannt wurde, dass die Stadt bereits 160.000 Euro Miete gezahlt hatte, ohne dass ein Flüchtling einziehen konnte:
..."Wichtig sind Rauchmelder, E-Check, Installation von FI-Schutzschaltern oder Steckdosen für das Badezimmer, Anfertigung einer größeren Anzahl von Schlüsseln, Sicherung loser Kabel. Nachdem der Mietvertrag unterschrieben ist, übernimmt das Liegenschaftsamt die Wohnung. Möblierung und Ausstattung sowie die Belegung erfolgen dann durch das Sozialamt. Das kann insgesamt bis zu einem Vierteljahr dauern. „Eine gewisse Zeit der Mietzahlung ohne tatsächliche Belegung“ werde es deshalb immer geben."...
Auch werden nur "langfristige Angebote" akzeptiert - und Vermieter wollen "verhandeln" und nur Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen, das läuft nicht.
https://www.lfu.bayern.de/wasser/hw_risikomanagement_umsetzung/hwrm_plaene/index.htm