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Landkreis Haßberge
Kahlschlag hier, Investitionen dort: Das hat sich 2024 bei der Wirtschaft im Landkreis Haßberge getan
Die schwierige ökonomische Lage des Landes schlägt sich auch auf die Region nieder. Ein Rück- und Ausblick, wo es Probleme gibt – und wo Hoffnung erlaubt ist.
Ende Februar 2024 protestieren Teile der Valeo-Belegschaft in Ebern gegen die erneute Stellenstreichung. 
Foto: Lukas Reinhardt (Archivfoto) | Ende Februar 2024 protestieren Teile der Valeo-Belegschaft in Ebern gegen die erneute Stellenstreichung. 
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 05.01.2025 11:02 Uhr

In der deutschen Wirtschaft rumpelt es. Immer mehr Unternehmen kündigen Einsparungen und Stellenstreichungen an. Andere wiederum nutzen die Möglichkeit, um genau jetzt zu investieren und sich für die Zukunft aufzustellen. Was sich 2024 bei der Wirtschaft im Landkreis Haßberge getan hat und wie es in den kommenden Jahren weitergehen könnte. 

1. Große Sorgen bei Valeo in Ebern und Fischbach:

In seinem Werk in Ebern möchte Valeo 280 Arbeitsplätze abbauen. 
Foto: Lukas Reinhardt (Archivfoto) | In seinem Werk in Ebern möchte Valeo 280 Arbeitsplätze abbauen. 

Rückblick: Für die Mitarbeitenden der Valeo-Werke im Landkreis Haßberge ist es ein schwieriges Jahr: Im Januar 2024 kündigt der französische Automobilzulieferer an, am Standort Ebern – ein Werk unter anderem für die Entwicklung und Produktion von Gummi- und Metallkomponenten – 280 der knapp 1100 Stellen streichen zu wollen. Als Grund nennt das Unternehmen "mangelnde Profitabilität" und Wettbewerbsfähigkeit. In der Belegschaft sorgen die Pläne für große Unsicherheit. In der Folge meldet sich mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden für ein Freiwilligenprogramm.

Im Herbst 2024 folgt schließlich die Hiobsbotschaft für den zweiten Standort im Kreis Haßberge: Auch im Werk im Eberner Stadtteil Fischbach, das als "Kompetenzzentrum für die Kunststoffverarbeitung" gilt, möchte der Automobilzulieferer Stellen streichen. Das berichtet die Gewerkschaft IG Metall Bamberg auf Nachfrage. 48 der rund 350 Beschäftigten sind demnach betroffen. "Hintergrund ist laut Valeo die schwächelnde Nachfrage", so Gewerkschaftsvertreterin Andrea Sicker. Anders als in Ebern sprach der für Fischbach zuständige Betriebsrat von bislang "guten Verhandlungen", über deren Inhalt er aber nicht viel preisgeben möchte.

Ausblick: Für Ebern fordern der Betriebsrat und die Gewerkschaften seit Jahren neue Projekte statt Stellenabbau. Doch auch 2025 dürften diese Worte vor allem Wünsche bleiben und kaum ihren Weg nach Paris finden. Das zumindest legen Entscheidungen der französischen Konzernspitze aus den vergangenen Jahren nahe. Denn trotz des Bekenntnisses zu dem Standort gab es seit der Übernahme 2017 immer wieder Programme zum Abbau von Arbeitsplätzen, die nun auch die Entwicklungsabteilung betreffen. Das, so die Sorge des Betriebsrats, dürfte den Standort entscheidend schwächen. 2025 könnte für Ebern also zu einem richtungsweisenden Jahr werden.

Im Falle von Fischbach hat sich Valeo bislang nicht zum Stellenabbau geäußert. Auch hier hieß es in der Vergangenheit immer wieder, dass der Standort sicher sei. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der sich der Konzern befindet, stehen aber auch hinter diesem Bekenntnis einige Fragezeichen. Seit Jahresbeginn 2024 hat die Aktie des Konzerns an der Börse rund ein Drittel an Wert eingebüßt. Entsprechend ist mit weiteren Einschnitten zu rechnen, nicht nur im Landkreis Haßberge. 

2. Rösler investiert am Standort in Untermerzbach:

Rösler Oberflächentechnik mit Sitz in Untermerzbach investiert lieber, als Stellen zu streichen.
Foto: Steffen Herppig (Archivfoto) | Rösler Oberflächentechnik mit Sitz in Untermerzbach investiert lieber, als Stellen zu streichen.

Rückblick: Anders als für die gesamtdeutsche Wirtschaft beginnt das Jahr 2024 für Rösler bereits mit einer guten Nachricht. Ende Januar erhält die Firma aus Untermerzbach das Siegel "Best of German Industry", das einmal im Jahr an die bundesweit interessantesten und erfolgreichsten Unternehmen vergeben wird. Die Wirtschaft, das gehört zur Wahrheit dazu, nutzt Zertifikate wie diese gerne zur Eigen-PR. Doch während auch im Herbst die schlechten Nachrichten für die Industrie nicht abreißen, kündigt das international tätige Familienunternehmen im Oktober an, weiter in den Standort Untermerzbach investieren zu wollen.

"Trotz schlechter allgemeiner Konjunkturdaten und deutlicher Nachfragerückgänge in den Bereichen Gleitschlifftechnik und Verfahrensmittel" stehe man gut da, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens, das sich auf das Gebiet der Oberflächenbearbeitung spezialisiert hat und an den deutschen Standorten Untermerzbach und Hausen (Landkreis Lichtenfels) rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Möglich mache das die aktuell sehr gute Nachfrage in der Strahltechnik. Anders als viele Industrieunternehmen schafft Rösler 2024 so neue Arbeitsplätze, von 100 Neueinstellungen ist die Rede. 

Ausblick: "Langfristig orientierte und nachhaltige Denkweise geht uns vor kurzfristig orientiertem Gewinnstreben" heißt es von Seiten des Unternehmens. Als familiengeführter Betrieb ist das eine wichtige Erkenntnis. Rösler investiert in seine Zukunft, auch in der Krise. Diese Strategie birgt Risiken und erfordert Mut, bietet aber enorme Chancen, etwa bei der Modernisierung der Produktionsanlagen. So soll 2025 am Standort Untermerzbach eine komplett neue Lackierstraße entstehen, die deutlich umweltfreundlicher und sparsamer arbeiten wird, schreibt Rösler. Für das Unternehmen mit seinem Jahresumsatz von rund 300 Millionen Euro könnte es so weiter bergauf gehen. 

3. Haga weiht neue Halle in Hofheim ein:

Mit der neuen Fertigungshalle rüstet sich Haga in Hofheim für die Zukunft.
Foto: René Ruprecht (Archivfoto) | Mit der neuen Fertigungshalle rüstet sich Haga in Hofheim für die Zukunft.

Rückblick: Die Ankündigung stammt aus dem Jahr 2023: Das Unternehmen Haga, das auf die Planung, Herstellung und Montage von Fenstern, Türen und Fassaden aus Aluminium, Stahl und Glas spezialisiert ist, wird die größte Investition seiner Firmengeschichte tätigen. Zehn Millionen Euro, so erklärt der kaufmännische Geschäftsführer damals, sollen in den Bau einer neuen Fertigungshalle fließen. Auch, um das eigene Portfolio zu erweitern. Schon 2023 ist die konjunkturelle Lage keine einfache. Der Mittelständer mit seinen rund 300 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an den Standorten Hofheim, Wackersdorf (Landkreis Schwandorf) und Römhild (Landkreis Hildburghausen), investiert trotzdem. 

Im Juli 2024 nimmt Haga die neue Halle in Betrieb. Die neue Produktionsstätte misst rund 70 Meter in der Länge, 50 Meter in der Breite und zehn Meter in der Höhe. Insgesamt hat das Hofheimer Unternehmen seinen Standort durch die Halle und die zugehörigen Außenflächen um gut 6000 Quadratmeter erweitert. Der Neubau soll dem Fenster- und Fassadenspezialisten eine effizientere Produktion ermöglichen. Die Halle, die in der Spitze Platz für drei Fertigungslinien bietet, schafft am Standort in Hofheim zehn bis 15 neue Arbeitsplätze, heißt es von Haga.

Ausblick: Für ein regionales Unternehmen ist eine Investition in dieser Größenordnung eine Ansage. Dass die konjunkturelle Lage schwierig ist und große Projekte nicht mehr in der Zahl am Markt vorhanden sind, wie noch in den Jahren zuvor, das bestätigt die Geschäftsführung im Gespräch. Sollte Haga die konjunkturelle Durststrecke, in der sich die Wirtschaft befindet, gesund überstehen, so dürfte das Unternehmen aus dem Haßbergkreis mit seiner neuen Fertigungshalle gut gerüstet sein, wenn der Markt wieder boomt.

4. Gelder & Sorg schließt Autohaus in Hofheim

Nach über zwei Jahrzehnten schließt Gelder & Sorg seinen Standort in Hofheim.
Foto: Rebecca Vogt (Archivfoto) | Nach über zwei Jahrzehnten schließt Gelder & Sorg seinen Standort in Hofheim.

Rückblick: Es ist eine Ankündigung, die im Sommer 2022 so etwas wie ein kleines Beben in der Branche auslöst: Vier Autohäuser aus ganz Deutschland wollen sich zu einem neuen Händler-Quartett zusammenschließen – unter ihnen Gelder & Sorg aus dem Landkreis Haßberge. Am 1. Januar 2023 ist die Fusion perfekt. Der Name der neuen Dachgesellschaft: AVEMO. Es ist auch eine Reaktion auf den steigenden Anpassungsdruck, dem die Branche angesichts der Digitalisierung und Elektrifizierung des Absatzmarktes ausgesetzt ist. 

Dieser Druck sorgt im Herbst 2024 für ein erstes Opfer. Gelder & Sorg, das 14 Filialen betreibt, schließt zum Ende des Jahres seinen Standort in Hofheim. 2001 hatte das Unternehmen dort das Autohaus Geuppert übernommen. Entlassungen, das beteuert Geschäftsführer Norbert Sorg auf Nachfrage, gebe es keine. "Jeder Mitarbeiter wird in einem anderen Betrieb übernommen." Als Grund für die Schließung führt das Unternehmen nötige Investitionen an, die für den Standort Hofheim aus unternehmerischer Sicht offenbar nicht mehr sinnvoll waren. Etwa in Technologie für das Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen. Vor allem die großen Betriebe sollen damit ausgerüstet werden. "Wir haben beispielsweise in Schweinfurt investiert und erweitert", sagt Sorg.

Ausblick: Weitere Standortschließungen seien nicht vorgesehen, betont der Geschäftsführer. Tatsächlich aber dürfte der Druck auf die Autohändler in den kommenden Jahren weiterhin zunehmen. Die Unsicherheit rund um die E-Mobilität ist groß, auch weil die Politik den Ausstieg vom Ausstieg aus dem Verbrenner immer wieder zum Thema macht. Und die allgemein schwache Konjunkturlage sorgt dafür, dass der Markt derzeit besonders hart umkämpft ist. Gelder & Sorg zugutekommen dürfte da die strategische Fusion zu AVEMO. Zumindest dürften kleine Autohäuser deutlich anfälliger sein, als es bei Gelder & Sorg zu erwarten ist.

5. Bosch Rexroth baut Stellen im Werk in Augsfeld ab

Das Werk von Bosch Rexroth in Augsfeld: 135 Stellen möchte der Konzern hier streichen. 
Foto: Lukas Reinhardt (Archivfoto) | Das Werk von Bosch Rexroth in Augsfeld: 135 Stellen möchte der Konzern hier streichen. 

Rückblick: Dass Investitionen in einen Standort keine Garantie für den Erhalt der Arbeitsplätze bedeuten, zeigt der Fall Bosch Rexroth in Augsfeld. Ende 2022 kündigt der Konzern an, drei Millionen Euro in sein dortiges Werk stecken zu wollen, unter anderem in die Vergrößerung der Werkstätten, in die Büroarbeitsplätze sowie in die Sozialräume. Angesichts großer wirtschaftlicher Unsicherheiten im Gesamtunternehmen wird der Schritt als positives Signal an die Belegschaft verstanden. 

Doch inzwischen hat die Konjunkturflaute auch den Standort im Haßbergkreis erreicht: Im November dieses Jahres teilt Bosch Rexroth mit, bis Ende 2027 in Augsfeld 135 Arbeitsplätze streichen zu wollen. Das entspricht knapp einem Drittel der Belegschaft. Den Stellenabbau wolle man sozialverträglich gestalten, so der Konzern, also auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Als Lösung stehen insbesondere Aufhebungsverträge und Altersteilzeit im Raum. Die IG Metall kündigt darauf hin Widerstand gegen den Stellenabbau an. 

Ausblick: Haßfurt ist nicht der einzige Standort, an dem Bosch Rexroth Stellen streichen möchte. In ganz Franken sind Werke betroffen. Die Lage bleibt also auch in den kommenden Jahren unsicher. Das Werk in Augsfeld soll derweil neu ausgerichtet werden. Es soll sich künftig auf die Herstellung von Monoblöcken und großen Scheibenventilen konzentrieren. Die Produktion kleiner Scheibenventile hingegen werde an Schwesterwerke im In- und Ausland vergeben. Offen bleibt, wie sich dieser Schritt auf die weitere Entwicklung des Standorts auswirkt. 

 
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