zurück
Bad Kissingen
Bayerisches Landesamt für Gesundheit: Sind Sie für das nächste Virus besser gerüstet, Professor Weidner?
In der Pandemie wurde seine Behörde stark kritisiert. Jetzt sagt der Präsident, was das LGL durch Corona lernte - und was die neue Außenstelle in Bad Kissingen bringt.
Während der Pandemie stand das Landesamt für Gesundheit (LGL) häufig in der Kritik. Aber 'wir haben immer transparent gemacht, was wir tun', sagt Präsident Prof. Christian Weidner.
Foto: Torsten Leukert | Während der Pandemie stand das Landesamt für Gesundheit (LGL) häufig in der Kritik. Aber "wir haben immer transparent gemacht, was wir tun", sagt Präsident Prof. Christian Weidner.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:51 Uhr

Im Kampf gegen Corona hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, kurz LGL, eine Schlüsselrolle eingenommen – und stand immer wieder massiv in der Kritik. Wurden Fehler gemacht? Was hat die Behörde aus der Pandemie gelernt? Und sind wir für das nächste Virus besser gerüstet? Im Interview spricht Präsident Prof. Christian Weidner über Pannen bei Datenerfassung und Autobahntests, Faxe in Gesundheitsbehörden und die neue Außenstelle in Bad Kissingen.

Frage: Prof. Weidner, Sie haben die Spitze des LGL mitten in der Corona-Krise, im Februar 2022, übernommen. Mittlerweile ist die Pandemie aus Sicht vieler Experten vorbei. Was hat Ihre Behörde aus den vergangenen drei Jahren gelernt?

Prof. Christian Weidner: Zunächst muss man sagen: Aus meiner Sicht war die grundsätzliche Strategie der Pandemie-Bewältigung, allen Unkenrufen zum Trotz, ganz gut. Über Details kann man sich immer streiten, aber die Ansteckungen konsequent einzudämmen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, das war sicher richtig. Natürlich gibt es Bereiche, wo man im Nachgang sagen muss, das hätte man besser machen und da hätte man besser vorbereitet sein können.

Zum Beispiel?

Weidner: Das Grundproblem war: Wir haben in der Pandemie viele Tätigkeiten übernommen, die gar nicht genuin unsere Aufgabe sind. Schon kurz nach dem ersten Corona-Ausbruch in Bayern bei der Firma Webasto etwa, mussten wir plötzlich eine fünfstellige Zahl an PCR-Untersuchungen pro Woche durchführen. Die Labore auf dem freien Markt hatten diese Methode noch gar nicht etabliert, das LGL war zu Beginn eine der größeren Untersuchungsstellen. Aber auf diese Masse an Tests waren wir anfangs nicht vorbereitet und das Nachrüsten in einer Pandemiesituation ist nicht einfach – Reagenzien oder Geräte waren schwer zu beschaffen. Ähnlich war es mit der Schutzausrüstung. Eigentlich müssen Krankenhäuser und Praxen ihre Schutzausstattung selbst besorgen. Dass der Staat in diese Aufgabe einsteigt, war so nie vorgesehen.

Eine Aufgabe des LGL war die Ausweisung der bayerischen Corona-Inzidenzen. Da stand Ihre Behörde häufig in der Kritik, beispielsweise weil Menschen mit unklarem Impfstatus den Ungeimpften zugeordnet wurden. Wurden Fehler gemacht?

Weidner: In diesem Fall sind wir stark angegriffen worden, aber ich bin der Meinung, wir haben immer transparent gemacht, was wir tun. Das ist der entscheidende Punkt, das ist für eine wissenschaftliche Behörde wie uns zentral. Wir können uns zumindest nicht vorwerfen, dass wir etwas falsch oder mit Täuschungsabsicht publiziert hätten. Dass es Schwierigkeiten bei den Corona-Daten gab, dass die Zahlen unvollständig waren und dass sie teils anders und nicht mit der gebotenen Vorsicht interpretiert worden sind, das war nie beabsichtigt.

Auch bei der Erhebung und Übermittlung der Corona-Daten gab es immer wieder Schwierigkeiten.

Weidner: Der klassische Meldeweg von den Gesundheitsämtern über das LGL ans Robert Koch-Institut hat verhältnismäßig gut funktioniert. Die Kontaktpersonen-Nachverfolgung oder die automatisierte Verwendung von Daten aus Praxen und Kliniken stand vor Corona nie in unserem Fokus. Genau das sind die Bereiche, die nicht nur uns, sondern allen Gesundheitsbehörden in Deutschland auf die Füße gefallen sind. Ich hoffe aber, dass wir gerade bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens durch die Pandemie weitergekommen sind und die zahlreichen Bedenken, die es da in der Vergangenheit gab, verschwinden. Denn man muss ehrlich sagen: Im Vergleich zu beispielsweise den skandinavischen Ländern hinken wir in der Digitalisierung im Gesundheitswesen mindestens eine Dekade hinterher.

LGL-Chef Christian Weidner bei der Eröffnung der neuen Außenstelle seiner Behörde in Bad Kissingen. 
Foto: Torsten Leukert | LGL-Chef Christian Weidner bei der Eröffnung der neuen Außenstelle seiner Behörde in Bad Kissingen. 
Und was ist mit Pannen, wie etwa bei der Auswertung der Tests von Reiserückkehrern? Waren das Gründe, warum ihre Vorgänger gehen mussten? Immerhin sind Sie der dritte LGL-Chef in den Pandemiejahren…

Weidner: Das sind politische Entscheidungen, die will ich an dieser Stelle nicht kommentieren. Am Ende passt es aber ins vorgenannte Muster: Wir sind keine Behörde, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit normalerweise Autobahntests durchführt. Das ist während der Pandemie entstanden und dass sich das nicht binnen weniger Tage einspielen konnte, war nicht verblüffend. Bei der Frage, welche Fehler hat wer gemacht, da gilt: Hinterher kann man leicht schlauer sein – wenn man in der Situation steckt und handeln muss, ist es nicht einfach.

Sie haben das Stichwort Digitalisierung genannt. Wird in Gesundheitsbehörden noch gefaxt?

Weidner: Für den klassischen Meldeweg gab und gibt es eine taugliche Software. Bei der Kommunikation mit den Kliniken und Ärzten gibt es bereits Verbesserungen, etwa durch den Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Es betrifft allerdings auch die Handhabung von Daten in Praxen oder Krankenhäusern selbst und damit zum Beispiel die elektronische Patientenakte. Das ist ein Bundesthema, hier ist noch viel Luft nach oben.

Und was hat sich im LGL ganz konkret verändert?

Weidner: Wir haben unsere Möglichkeiten zur Analytik und unseren Gerätepark aufgestockt und die Taskforce Infektiologie ausgebaut. Zudem gibt es mittlerweile das Pandemiezentrallager, in dem Schutzmaterial oder Beatmungsgeräte vorgehalten werden. Aktuell entwickeln wir dafür ein dauerhaftes Nutzungsverfahren.

Sind Sie also für das nächste Virus besser gerüstet?

Weidner: Hier mit ja oder nein zu antworten, ist schwer. Ja, wir sind besser gerüstet – aber nein, man kann niemals für alles gerüstet sein. Ein Beispiel: Das nächste Virus verursacht vielleicht keine Lungen-, sondern eine Nierenerkrankung – und dafür haben wir keine Dialysegeräte eingelagert.

In der LGL-Außenstelle in Bad Kissingen sollen künftig rund 200 Mitarbeiter beschäftigt sein.
Foto: S. von Dobschütz | In der LGL-Außenstelle in Bad Kissingen sollen künftig rund 200 Mitarbeiter beschäftigt sein.
In Bad Kissingen ist gerade die neue Außenstelle des LGL eröffnet worden. Welchen Schwerpunkt soll es dort geben?

Weidner: In Bad Kissingen werden unser Institut für evidenzbasierte Kurortmedizin und das Zentrum Prävention und Gesundheitsförderung sitzen. Außerdem gibt es Bereiche für die Ärzteversorgung im ländlichen Raum, Digitalisierung und Suchtprävention. Daneben werden hier künftig zentral die Blutalkoholproben für Bayern analysiert, im Non-Food-Zentrum prüfen wir Produkte wie Verpackungen oder Kosmetika auf ihre Verträglichkeit. Insgesamt sollen rund 200 Mitarbeiter in Bad Kissingen beschäftigt sein.

Welche Vorteile bringt der neue Standort gegenüber einem zentralen LGL in Erlangen?

Weidner: Eine der großen Herausforderungen für jeden Arbeitgeber ist der Fachkräftemangel. Diversifizierung kann hier ein Vorteil sein, es fällt an unterschiedlichen Standorten leichter, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Und die Unterbringung in einem Weltkulturerbe-Bau ist natürlich auch ein Gewinn.

Das LGL  und die Außenstelle Bad Kissingen

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ist die zentrale Fachbehörde des Freistaats für Lebensmittelsicherheit, Gesundheit, Veterinärwesen und Arbeitsschutz beziehungsweise Produktsicherheit. Damit gehören beispielsweise Infektionsschutz, Prävention, Umweltmedizin oder auch die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zu den Aufgabenbereichen des Amtes.
Hauptsitz des LGL ist Erlangen, daneben gibt es unter anderem in München, Oberschleißheim, Nürnberg oder Würzburg Standorte. In Bad Kissingen ist in diesem März die neue Außenstelle im früheren Kurshausbad und dem angrenzenden Neumannflügel (Prinzregentenstraße 6) eröffnet worden. Die Kosten für die Sanierung und den Umbau der historischen Gebäude liegen laut LGL bei 56,9 Millionen Euro. Die Neueröffnung ist Teil der bayerischen Behördenverlagerung.
Prof. Christian Weidner hat Medizin und Physik studiert und ist habilitierter Physiologe. Am LGL verantwortete Weidner zunächst die toxikologische Risikobewertung und leitete die Stabsabteilung, seit Februar 2022 ist der 51-Jährige Präsident des LGL.
Quelle: LGL/sp
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Kissingen
Susanne Schmitt
Coronavirus
Gesundheitsbehörden
Landesämter
Robert-Koch-Institut
Suchtprävention
Webasto AG Fahrzeugtechnik
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top