Im Kampf gegen Corona hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, kurz LGL, eine Schlüsselrolle eingenommen – und stand immer wieder massiv in der Kritik. Wurden Fehler gemacht? Was hat die Behörde aus der Pandemie gelernt? Und sind wir für das nächste Virus besser gerüstet? Im Interview spricht Präsident Prof. Christian Weidner über Pannen bei Datenerfassung und Autobahntests, Faxe in Gesundheitsbehörden und die neue Außenstelle in Bad Kissingen.
Prof. Christian Weidner: Zunächst muss man sagen: Aus meiner Sicht war die grundsätzliche Strategie der Pandemie-Bewältigung, allen Unkenrufen zum Trotz, ganz gut. Über Details kann man sich immer streiten, aber die Ansteckungen konsequent einzudämmen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, das war sicher richtig. Natürlich gibt es Bereiche, wo man im Nachgang sagen muss, das hätte man besser machen und da hätte man besser vorbereitet sein können.
Weidner: Das Grundproblem war: Wir haben in der Pandemie viele Tätigkeiten übernommen, die gar nicht genuin unsere Aufgabe sind. Schon kurz nach dem ersten Corona-Ausbruch in Bayern bei der Firma Webasto etwa, mussten wir plötzlich eine fünfstellige Zahl an PCR-Untersuchungen pro Woche durchführen. Die Labore auf dem freien Markt hatten diese Methode noch gar nicht etabliert, das LGL war zu Beginn eine der größeren Untersuchungsstellen. Aber auf diese Masse an Tests waren wir anfangs nicht vorbereitet und das Nachrüsten in einer Pandemiesituation ist nicht einfach – Reagenzien oder Geräte waren schwer zu beschaffen. Ähnlich war es mit der Schutzausrüstung. Eigentlich müssen Krankenhäuser und Praxen ihre Schutzausstattung selbst besorgen. Dass der Staat in diese Aufgabe einsteigt, war so nie vorgesehen.
Weidner: In diesem Fall sind wir stark angegriffen worden, aber ich bin der Meinung, wir haben immer transparent gemacht, was wir tun. Das ist der entscheidende Punkt, das ist für eine wissenschaftliche Behörde wie uns zentral. Wir können uns zumindest nicht vorwerfen, dass wir etwas falsch oder mit Täuschungsabsicht publiziert hätten. Dass es Schwierigkeiten bei den Corona-Daten gab, dass die Zahlen unvollständig waren und dass sie teils anders und nicht mit der gebotenen Vorsicht interpretiert worden sind, das war nie beabsichtigt.
Weidner: Der klassische Meldeweg von den Gesundheitsämtern über das LGL ans Robert Koch-Institut hat verhältnismäßig gut funktioniert. Die Kontaktpersonen-Nachverfolgung oder die automatisierte Verwendung von Daten aus Praxen und Kliniken stand vor Corona nie in unserem Fokus. Genau das sind die Bereiche, die nicht nur uns, sondern allen Gesundheitsbehörden in Deutschland auf die Füße gefallen sind. Ich hoffe aber, dass wir gerade bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens durch die Pandemie weitergekommen sind und die zahlreichen Bedenken, die es da in der Vergangenheit gab, verschwinden. Denn man muss ehrlich sagen: Im Vergleich zu beispielsweise den skandinavischen Ländern hinken wir in der Digitalisierung im Gesundheitswesen mindestens eine Dekade hinterher.
Weidner: Das sind politische Entscheidungen, die will ich an dieser Stelle nicht kommentieren. Am Ende passt es aber ins vorgenannte Muster: Wir sind keine Behörde, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit normalerweise Autobahntests durchführt. Das ist während der Pandemie entstanden und dass sich das nicht binnen weniger Tage einspielen konnte, war nicht verblüffend. Bei der Frage, welche Fehler hat wer gemacht, da gilt: Hinterher kann man leicht schlauer sein – wenn man in der Situation steckt und handeln muss, ist es nicht einfach.
Weidner: Für den klassischen Meldeweg gab und gibt es eine taugliche Software. Bei der Kommunikation mit den Kliniken und Ärzten gibt es bereits Verbesserungen, etwa durch den Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Es betrifft allerdings auch die Handhabung von Daten in Praxen oder Krankenhäusern selbst und damit zum Beispiel die elektronische Patientenakte. Das ist ein Bundesthema, hier ist noch viel Luft nach oben.
Weidner: Wir haben unsere Möglichkeiten zur Analytik und unseren Gerätepark aufgestockt und die Taskforce Infektiologie ausgebaut. Zudem gibt es mittlerweile das Pandemiezentrallager, in dem Schutzmaterial oder Beatmungsgeräte vorgehalten werden. Aktuell entwickeln wir dafür ein dauerhaftes Nutzungsverfahren.
Weidner: Hier mit ja oder nein zu antworten, ist schwer. Ja, wir sind besser gerüstet – aber nein, man kann niemals für alles gerüstet sein. Ein Beispiel: Das nächste Virus verursacht vielleicht keine Lungen-, sondern eine Nierenerkrankung – und dafür haben wir keine Dialysegeräte eingelagert.
Weidner: In Bad Kissingen werden unser Institut für evidenzbasierte Kurortmedizin und das Zentrum Prävention und Gesundheitsförderung sitzen. Außerdem gibt es Bereiche für die Ärzteversorgung im ländlichen Raum, Digitalisierung und Suchtprävention. Daneben werden hier künftig zentral die Blutalkoholproben für Bayern analysiert, im Non-Food-Zentrum prüfen wir Produkte wie Verpackungen oder Kosmetika auf ihre Verträglichkeit. Insgesamt sollen rund 200 Mitarbeiter in Bad Kissingen beschäftigt sein.
Weidner: Eine der großen Herausforderungen für jeden Arbeitgeber ist der Fachkräftemangel. Diversifizierung kann hier ein Vorteil sein, es fällt an unterschiedlichen Standorten leichter, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Und die Unterbringung in einem Weltkulturerbe-Bau ist natürlich auch ein Gewinn.