
Die Luft bleibt weg. Das Atmen gelingt nicht mehr. Für viele Menschen ist das eine Horrorvorstellung. Eine, die durch die Corona-Pandemie zur realen Bedrohung geworden ist. Denn Covid-19 verläuft enorm unterschiedlich, einige Patienten spüren keine oder kaum Symptome – bei anderen können schwere Lungenentzündungen auftreten, bis hin zum Lungenversagen. Wie helfen Mediziner? Welche Arten der Beatmunggibt es? Und wie riskant ist es eigentlich, einen Menschen künstlich mit Sauerstoff zu versorgen? Antworten auf die wichtigsten Fragen gibt der Würzburger Pneumologe Dr. Matthias Held.
Zunächst, noch vor der Beatmung im Wortsinn, könne Patienten bei Atembeschwerden Sauerstoff verabreicht werden, sagt Priv.-Doz. Dr. Matthias Held, Pneumologe und Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dabei unterscheide man zwischen der normalen Sauerstoffgabe (ein bis acht Liter pro Minute über eine Maske) und der sogenannten High-Flow-Sauerstofftherapie. Bei Letzterer werden spezielle Geräte benutzt, die einen wesentlich höheren Luftfluss erzeugen können und die Sauerstoffzumischung wird extra gesteuert. Am Ende ist die Sauerstoffmenge, die beim Patienten ankommt, so wesentlich höher.
Künstliche Beatmung funktioniert nicht-invasiv oder invasiv. Bei der nicht-invasiven Methode wird Patienten über eine dicht abschließende Maske (über Nase oder über Mund und Nase) mit leichtem Überdruck Sauerstoff zugeführt. Dabei sind die Betroffenen bei Bewusstsein und atmen zum Teil selbstständig, aber eben unterstützt, wie Experte Matthias Held erklärt. Hingegen wird bei der invasiven Beatmung ein Schlauch (Tubus) über den Mund in die Luftröhre eingeführt. Ein Beatmungsgerät pumpt darüber Luft mit einem festgelegten Druck und Rhythmus in die Lunge. Der Patient liegt dabei in einem künstlichen Tiefschlaf. Reicht auch die invasive Methode nicht aus, gibt es noch die sogenannte ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung). Gemeint ist damit eine intensivmedizinische Technik, bei der das Blut eines Patienten außerhalb des Körpers in einer Maschine mit Sauerstoff angereichert und dann ins Blutgefäßsystem zurückgeleitet wird.

Ein Covid-Erkrankter mit Sauerstoffunterversorgung werde primär mit normalem Sauerstoff versorgt, sagt Lungenspezialist Matthias Held. Wenn das nicht helfe, komme eine High-Flow-Therapie zum Einsatz, im nächsten Schritt die nicht-invasive Maskenbeatmung und schließlich die invasive Beatmung. Nur in wenigen Fällen müsse man auf die ECMO zurückgreifen.
"Werden Patienten während der künstlichen Beatmung auf den Bauch gedreht, können hintere Lungenabschnitte im Bereich des Rückens besser belüftet werden", sagt Matthias Held. Deshalb könnten Corona-Patienten von einer frühzeitigen Bauchlagerung profitieren.
Erste Antworten auf diese Frage hat eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Technischen Universität Berlin im Sommer geliefert. Ausgewertet wurden die Daten der AOK von etwa 10 000 Patienten mit Covid-19, die im Frühjahr 2020 in deutschen Krankenhäusern behandelt wurden. Demnach mussten 17 Prozent der stationär betreuten Patienten (1727) künstlich beatmet werden – etwas mehr als drei Viertel davon invasiv. Die Dauer der Beatmung lag im Schnitt bei zwei Wochen.

Die nicht-invasive Beatmung hat "relativ wenige Nebenwirkungen", sagt Matthias Held. Patienten bleiben wach, ansprechbar und können in den Beatmungspausen normal essen und trinken. Die invasive Beatmung allerdings könne über den hohen Druck die Lunge schädigen. Auch steige das Risiko für Lungenentzündungen, da die normale Schleimhautbarriere mit dem Tubus überwunden werde, so Held. Zugleich belastet der künstliche Tiefschlaf den Körper: Die sedierenden Medikamente können sich negativ auf den Kreislauf auswirken und eine Ernährung nur über Infusionen erhöht das Infektionsrisiko im Bauchraum. Daher werden Patienten bei künstlicher Beatmung oft über einen Magenschlauch ernährt.
In Leitlinien der Fachgesellschaften ist definiert, wann welche Form der Atemunterstützung oder eine Intubation zum Einsatz kommt. Aber: "Als Mediziner muss man sich immer überlegen, ob eine Methode wirklich sinnvoll ist", sagt der Pneumologe Held. Nicht alles, war technisch möglich sei, sei auch richtig. Ein Beispiel: Bei manchen schwer vorerkrankten Patienten könne eine künstliche Beatmung für den Organismus kaum zu verkraften sein.
Generell sollten Beatmungszeiten so kurz wie möglich gehalten werden, sagt Matthias Held. "Je früher wir uns um die Entwöhnung kümmern, desto besser ist die Prognose."