"Da sahen wir wirklich nicht gut aus." Sagt Denis Wucherer über das, was die Basketballer von s.Oliver Würzburg in der Vorbereitung erlebt haben gegen den sonntäglichen Bundesliga-Gast. Sechs Wochen ist es her, dass die Baskets im Finale eines Turniers in Rostock abgewatscht wurden wie lange nicht in der jüngeren Vergangenheit. 100:63 gewannen die Hamburg Towers damals, und Baskets-Trainer Wucherer meint vor dem Wiedersehen am Sonntagnachmittag: "Da können wir zeigen, inwieweit wir dazugelernt haben."
Respekt spricht aus seiner Stimme, wenn er über die Nordlichter spricht, die "mit einer enormen Intensität spielen". Und die - als Aufsteiger der vergangenen Saison - nicht am Pokal-Wettbewerb teilnehmen durften. Ihr einziges Pflichtspiel dieser jungen Runde gewannen die Hamburger zum Saisonauftakt gegen Bamberg 78:75, wobei sie vor allem im Schlussabschnitt kräftig aufdrehten. Nur zur Erinnerung: Im Pokalspiel unterlagen die Würzburger Bamberg mit 68:89. Was zwar nach dem nicht nur unter Sportlern beliebten Spruch, "Neues Spiel, neues Glück" nicht zwingend das Schlimmste befürchten lassen muss - dennoch: Die Rollen von Favorit und Außenseiter sind vor dem Treffen eindeutig vergeben.
Die Würzburger feiern dabei Wiedersehen mit gleich zwei Ehemaligen. Die Geschicke bei den Hamburgern und das gesamte Projekt Profi-Basketball in der Hansestadt wird geleitet von Geschäftsführer Marvin Willoughby, der als "junger Wilder" 1998 seine Profikarriere am Main begann und bis 2002 das Baskets-Leibchen trug. Und der Amerikaner Kameron Taylor ist eine wichtige Stütze im System von Hamburgs Neu-Trainer Pedro Calles, der bei Alba Berlin unter der spanischen Trainer-Legende Aíto García Reneses gelernt und in den letzten Jahren für Vechtas Höhenflug gesorgt hatte.
Den 26-jährigen Taylor hatte der damalige Würzburger Coach Dirk Bauermann aus den Niederungen der deutschen Spielklassen befreit und ihm für ein knappes halbes Jahr die Chance gegeben, in der Premiumklasse sein Können zu zeigen. Was er in Würzburg ausgiebig tat und nach einem einjährigen Ausflug nach Ungarn dann in Bamberg bis Ende vergangener Saison auch wieder. Ohne den Würzburger Akteuren zu arg auf die Zehenspitzen treten zu wollen - Taylor täte dem aktuellen Baskets-Kader bestimmt sehr gut, bewegt sich inzwischen aber in für Würzburger Verhältnisse eher unerschwinglichen Gehaltskategorien.
So bleibt den Würzburgern vor dem Sonntag also vor allem, Selbstvertrauen aus dem ersten Pflichtspielsieg dieser Saison in Vechta zu schöpfen. "Als guten Schritt" bezeichnet Wucherer die Vorstellung, wenngleich der 47-Jährige auch erkannte: "In der Analyse des Spiels haben wir schnell gemerkt, was wir auch alles falsch gemacht haben. Es hat gegen Vechta an diesem Tag gereicht - gegen andere Mannschaften hätte es vermutlich eher nicht gereicht." Sein Kapitän Felix Hoffmann, der dem Team eine Energie einimpfte, die es zuletzt eben hatte vermissen lassen, deshalb mit einem Extralob des gegnerischen Trainers bedacht worden und mitentscheidend war für den Erfolg, glaubt, "dass der Sieg extrem wichtig war, für die Mannschaft, aber auch das Umfeld". Das habe "etwas den Druck herausgenommen, aber das heißt natürlich nicht, dass wir uns zurücklehnen dürfen. Im Gegenteil."
Die Begegnung gegen Hamburg wird das Abschiedsspiel von Mark Ogden sein. Der Amerikaner, der nachverpflichtet worden war, um die Zeit zu überbrücken, bis der verletzte Justin Sears soweit wieder hergestellt ist, um in der Bundesliga spielen zu können, wird nicht noch einmal für ein paar Tage oder Wochen unterschreiben. Die Option, ihn bis Saisonende zu verpflichten, hat es für die Baskets offenbar nicht gegeben, da das eingedampfte Budget einen siebten Ausländer scheinbar nicht hergibt. "Mark zieht's in die Heimat", sagt Wucherer. Und ob Micah Downs, der bis Mitte Dezember nachverpflichtet wurde, nachdem Brekkott Chapman sich erneut am Meniskus verletzt hatte, eine längere Zukunft in Würzburg hat, wird sich erst nach der Länderspielpause entscheiden.
Die steht nach diesem Wochenende an - und ist nicht nur für Wucherer und Hoffmann ein Ärgernis. Die Sinnhaftigkeit, dass die deutsche Nationalmannschaft nächste Woche (22. bis 30. November) in eine Bubble ins französische Pau reist - ausgerechnet nach Frankreich, in einen der aktuell heißesten Corona-Hotspots Europas -, darf zu Recht infrage gestellt werden. Die Länderspiele (ohne die NBA-Stars wie Maximilian Kleber und Akteure der Euroleague-Teilnehmer München und Berlin) gegen Montenegro (27. 11.) und die Gastgeber (29. 11.) dienen der Qualifikation für die Europameisterschaft 2022 - jedenfalls für die Gegner. Deutschland ist als Mitausrichter gesetzt - muss sich also gar nicht qualifizieren und wollte die Qualifikation für Testspiele nutzen. Vor Corona halt.
Wucherer hat diese Woche mit Henrik Rödl telefoniert, und er deutet an, dass auch der Bundestrainer, mit dem er einst in der Nationalmannschaft zusammenspielte, so seine Zweifel hat, ob diese Reise wirklich zeitgemäß ist. Rödl sprach auch deshalb mit Wucherer, weil dessen Schützling Joshua Obiesie den Ausflug nach Frankreich mitmachen und auf sein zweites Länderspiel hoffen darf. Zuerst freilich geht's für den 20-Jährigen und seine Kollegen gegen Hamburg. "Wir sollten uns alle erst einmal auf die heimische Liga konzentrieren", meint Wucherer.