"Die Geschichte wiederholt sich immer zweimal – das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce." Das wusste im 19. Jahrhundert schon der alte deutsche Kapitalismus- und Religionskritiker Karl Marx. Seit dem späten Samstagabend weiß Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg: Es geht auch häufiger. Mindestens dreimal. Und dann keineswegs als Lustspiel. Eher als Posse.
Vier Pflichtspiele haben die Baskets nun also hinter sich nach der Corona-Pause, und zum vierten Mal haben sie das Gaudistück vollbracht, lange Zeit mit einem als hohen Favoriten gehandelten Kontrahenten nicht nur mitzuhalten, sondern den auch in arge Nöte zu bringen. Bloß, um dann binnen weniger Minuten die Partie aus der Hand zu geben und als Verlierer vom Parkett schleichen zu müssen. Beim 77:90 (41:42) zum Bundesligaauftakt gegen ratiopharm Ulm waren es letztlich viertelübergreifend ziemlich genau vier Minuten und zehn Sekunden, in denen die Baskets den überdies verletzungsbedingt auch noch geschwächten Gästen gestatteten, mit einem 15:0-Lauf die Partie zu entscheiden. Als einen enttäuschenden "Rückschritt" gegenüber der letzten Pokalpartie (gleichfalls gegen Ulm) bezeichnete Trainer Denis Wucherer den Ligastart. "Bei der ersten Stresssituation sind wir auseinander gefallen und haben wieder sehr viel Unsinn getrieben."
Vor allem mit seinen Spielmachern ging der Baskets-Coach hart ins Gericht: "Ich hatte heute leider nur einen Guard auf Bundesliganiveau: Nils Haßfurther." Der 21-jährige gebürtige Bamberger erzielte immerhin zehn Punkte (nach Ogden, 19, und Downs, 14, die drittmeisten bei den Baskets) und konnte nur deshalb nicht länger als gut 15 Minuten auf dem Parket herumwieseln, weil ihn eine hartnäckige Mandelentzündung den Großteil der Vorbereitung schachmatt gesetzt hatte. „Wir haben drei Viertel ganz gut mitgehalten. Danach waren wir nicht mehr so konzentriert, haben zu viele einfache Fehler gemacht und standen in der Verteidigung nicht mehr so solide", analysierte der Youngster zielgenau.
Was freilich Taylor Persons, Cameron Hunt und Joshua Obiesie "da teilweise auf dem Parkett getrieben haben, war nicht bundesligareif", urteilte Wucherer: "Und in der Verteidigung haben wir dann phasenweise die Arbeit komplett eingestellt." Von Panik und Orientierungslosigkeit waren vor allem die spielentscheidenden Minuten geprägt. "Wenn du so ein viertes Viertel spielst wie wir, dann hast du keine Chance, ein Spiel zu gewinnen", ursachenforschte der Trainer.
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Dabei waren die Chancen ja da, auch mal mit mehr als acht Punkten, dem höchsten Vorsprung der Würzburger, davonzuziehen. Aber wenn dann natürlich vorne auch leichteste Körbe leichtfertig versemmelt werden und hinten "so viel Unsinn" (Wucherer) dazukommt, dann kommt's halt so, wie es gekommen ist. "Schade, heute war wirklich mehr drin", meinte Geschäftsführer Steffen Liebler, "wir sind einfach zu schlecht ins dritte und ins vierte Viertel gekommen. Wir haben Ulm schon über weite Strecken dazu gezwungen, Fehler zu machen, aber letztlich dann selbst zu viele gemacht."
Letztlich war es eine Partie, die prädestiniert dafür gewesen wäre, auch vom Anhang mitentschieden zu werden. Dank des Teil-Lockdowns und der horrenden Inzidenzwerte näherte sich das Flair in der Halle freilich eher dem auf einer Beerdigung an. Nur Tränen sind keine geflossen. Trostlos war das Klima trotzdem, noch trostloser als beim Geister-Pokalspiel der Baskets in Ulm gegen Bamberg, weil dort vor zwei Wochen zumindest noch ein paar Helfer mehr herumgewuselt sind. "Noch trauriger als damals" empfand auch Wucherer die Atmosphäre, und an der Tonlage seiner Stimme am Telefon konnte man leicht erahnen, dass es ihm und ganz bestimmt auch allen Spielern und Betreuern ungeheuerlich auf den Zeiger geht, so ihrer Arbeit nachgehen zu müssen. "Eine ganz, ganz schwierige Gesamtsituation", sagte Wucherer. Und weil auch die Bankspieler brav auf ihren Stühlchen sitzen müssen, wollen sie von den Schiedsrichter keinen Rüffel kriegen, und laut Vorschrift stets nur einer stehen darf, meist der Cheftrainer, ist es natürlich auch sehr schwierig, "Stimmung von der Bank zu kreieren", wie Wucherer sagt: "Da musst du dann schon aufpassen, dass du nicht einschläfst da draußen."
Natürlich empfand auch Liebler die Stimmung als "komisch", auch das S-c-h-Wort ist bei verschiedenen Gesprächen an diesem Abend häufiger gefallen. "Heimvorteil ist das jedenfalls keiner", sagte der Baskets-Geschäftsführer. Folgerichtig bewahrheitete sich, was Denis Wucherer bereits kurz vor dem Saisonauftakt gesagt hatte: "Es wird weniger Überraschungen geben, und letztlich setzen sich auch häufiger als sonst die besseren Mannschaften durch." So wie diesmal eben die Ulmer, die zweifellos eine andere individuelle Klasse im bestimmt auch teureren Kader haben, obwohl sie auf ihre Stützen Thomas Klepeisz und Dylan Osetkowski verletzungsbedingt verzichten mussten. Am Samstag machten vor allem Nationalspieler Andreas Obst (25 Punkte) und der Amerikaner Troy Caupain (19) den Unterschied aus.
Sofern Sars-CoV-2 nicht noch dazwischenfunkt, können die Baskets am Freitag in Vechta den nächsten Versuch starten, aus ihrer jüngsten Geschichte auszubrechen. Was freilich nur gelingen dürfte, wenn, wie es Wucherer formuliert, "wir über vier Viertel defensiv stabil spielen und die Phasen des Unsinns in Grenzen halten".