Kurz vor 17 Uhr am Samstagnachmittag saß Joshua Obiesie neben einem Korb und lehnte mit dem Rücken an der Bande. Neben ihm saß Micah Downs, und die beiden versuchten gerade zu verdauen, was sie soeben erlebt hatten. Sie guckten reichlich bedröppelt aus der Wäsche, und ihre Mimik legte ihr Gefühlsleben in diesem Moment vermutlich ziemlich bloß: pure Enttäuschung. Mit 68:89 (38:45) hatte Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg gegen den Favoriten Brose Bamberg am zweiten Spieltag des Pokalwettbewerbs verloren. Auch der einstige Serienmeister hat - wie die Baskets - einen großen Umbruch im Kader hinter sich. Aber eben auch einen größeren Etat. Und deshalb auch andere Ansprüche. Das Ergebnis spiegelt den Unterschied vermutlich ziemlich gut.
Baskets-Trainer Denis Wucherer gratulierte Bamberg zum "verdienten Sieg, auch wenn es 20 Punkte Differenz nicht unbedingt gebraucht hätte". Realistische Menschen, die den Basketball-Zirkus regelmäßig verfolgen, überrascht das Ergebnis nicht wirklich - wenngleich Wucherer auch Recht hat. Weshalb Obiesie und Downs, ihre Teamkollegen und ihr Trainer sich ein wenig grämen und auch etwas ärgern durften, war der Tatsache geschuldet, dass die Würzburger zumindest 26 einhalb Minuten lang ordentlich mithalten konnten mit den Oberfranken. Beim 67:78 im ersten Pokalspiel vergangenen Sonntag gegen Ludwigsburg bewegten sich die Würzburger gut 30 Minuten auf Augenhöhe mit dem Favoriten. Am Samstag gegen Bamberg waren es 26 Minuten und 28 Sekunden.
Nach einer über weite Strecken couragierten Vorstellung in der ersten Hälfte drehten die Baskets den 38:45-Pausen-Rückstand dank eines sehr leidenschaftlichen Beginns des dritten Drittels und eines 11:2-Laufs, in dem auch Obiesie zu Hochtouren auflief, in nicht einmal drei Minuten in eine 49:47-Führung. Die sie fortan sogar auf sechs Punkte ausbauten (56:50). Nachdem Bambergs Neu-Trainer Johan Roijakkers seine dritte Auszeit genommen hatte, nahm allerdings das Unheil für die Würzburger seinen Lauf.
Mit einem 12:0-Lauf, in dem vor allem der italienische Nationalspieler Michele Vitali - mit insgesamt 21 Punkten treffsicherster Werfer der Begegnung - sich besondere Verdienste erwarb, eroberten sich die Oberfranken die Führung zurück (62:56), die sie zu Beginn des Schlussabschnitts weiter ausbauten: 20:0, 14 Zähler Vorsprung knapp sieben Minuten vor Ultimo. Die Baskets blieben viertelübergreifend sechs Minuten und 49 Sekunden ohne einen Korb. Die Partie war also relativ früh im finalen Viertel entschieden. „Wir müssen am Ende des Spiels einfach einen besseren Job machen", meinte Neuzugang Zach Smith, mit 15 Punkten treffsicherster Würzburger. "Also geht es zurück in die Trainingshalle, damit wir es in Zukunft besser machen. Das Spiel morgen gegen Ulm wird uns dabei helfen. Je mehr wir zusammen spielen, desto besser wird unsere Teamchemie.“
"Im dritten Viertel hat man gesehen, wie wir spielen müssen, wenn wir in der Liga erfolgreich sein wollen", meinte Wucherer. "Dummerweise haben die Spieler, die in dieser Phase auf der Bank in der ersten Reihe saßen und zuschauen konnten, das irgendwie nicht mitbekommen." Vor allem Downs und Tyson Ward, Cameron Hunt und Mark Ogden dürften in diesem Moment die Ohren geklingelt haben. Nach dem sehr intensiven Beginn des dritten Viertels musste Wucherer den Erschöpften eine Verschnaufpause gönnen. "Danach haben wir vor allem in der Defensive einen Fehler nach dem anderen gemacht und so ziemlich alles falsch."
Der 47-Jährige sieht seine Mannschaft in einem Prozess und fordert: "Wir müssen es schaffen, gerade in der Defensive irgendwann ein taktisches Verständnis zu entwickeln, mit dem wir auch in so einem Spiel bis ins vierte Viertel hinein konkurrenzfähig sein und um den Sieg mitspielen können." Das konnten die Baskets nun zweimal nicht. Ihnen bleibt nach den beiden Niederlagen nun am Sonntag gegen Ulm ein weiteres Testspiel. Das wird vor Zuschauern ausgetragen. Die Partie gegen Bamberg war ein Geisterspiel ohne zahlendes Publikum, weil dem baden-württembergischen Wochenend-Gastgeber Ulm in der bayerischen Spielstätte Neu-Ulm der Aufwand für ein paar verkaufte Tickets für ein fränkisches Derby dann doch zu viel war. Die Halle hätte erneut desinfiziert werden müssen vor dem schwäbischen Derby am Abend zwischen den Hausherren und Ludwigsburg. 600 Zuschauer sahen Ulms 92:72-Erfolg - die maximal zulässige Anzahl an Besuchern.
Corona hat den Pokal-Wettbewerb aber nicht nur zuschauermäßig fest im Griff: Wegen zweier positiver Fälle bei medi Bayreuth und einem bei den Telekom Baskets Bonn wurden deren Partien am Wochenende auf noch unbekannte Termine verlegt. Wie auch das für Anfang November geplante Final-Four-Turnier, das wegen inzwischen sechs Covid-19-Fällen bei Titelverteidiger und Meister Alba Berlin bereits vergangene Woche vorerst abgeblasen worden war.
So bekamen die Baskets durch den Pokal also gleich mindestens in zweierlei Hinsicht einen Vorgeschmack auf die neue Spielzeit, die sie gerne am 7. November zu Hause gegen die Ulmer beginnen wollen. Zum einen: wie es ist, vor wenigen oder gar keinen Anhängern zu spielen, was mental zu einem Problem werden kann, weil "Fans immer auch Emotionen reinbringen", wie Wucherer sagt. "Sei es die eigenen, die einen anfeuern, oder die vom Gegner, die einen nicht mögen." Zwischenzeitlich, im dritten Viertel, gelang den Würzburgern, sich selbst ein wenig zu pushen - aber es hielt nicht lange. Der zweite Vorgeschmack: die Erkenntnis, wie groß derzeit (noch) der Abstand zu erfahrenen Bundesligisten und heißen Play-off-Kandidaten ist.