Vereinstreue hat beim FC 05 Schweinfurt einen Namen: Norbert Kleider absolvierte nahezu seine ganze Laufbahn als Torhüter und Torwarttrainer für seinen Herzensklub, dem er in jungen Jahren nur deshalb fremdging, weil die Konkurrenz zwischen den Pfosten zu groß war. Längst ist der 71-Jährige nach dem sportlichen Seitensprung zu seiner alten Liebe zurückgekehrt. Im Interview spricht das Urgestein des Fußball-Regionalligisten über das Spiel seines Lebens im Münchner Olympiastadion, den Konkurrenzkampf und die Fehlgriffe der Schweinfurter Keeper sowie seine Leidenschaft fürs Busfahren.
Norbert Kleider: Der Steilpass kommt von Walter Curtius, den ich als guten Masseur beim FC 05 kennengelernt habe. Ich habe auch großen Respekt vor seinen einstigen Leistungen als Marathonläufer und Triathlet. Wir haben uns mal in der Mittagspause zum Radfahren verabredet. Anfangs konnte ich noch mithalten, dann ist er davongezogen, weil er wieder in seine Praxis musste.
Kleider: Der FC 05 war von Kindesbeinen an mein erster Verein. Zunächst war ich Feldspieler und bin dann schnell ins Tor gekommen. In der Jugend hatte ich tolle Erlebnisse, von der Bayernauswahl über die süddeutsche Auswahl bis zur Jugendnationalmannschaft, wo der Trainer Udo Lattek hieß. Mit Paul Breitner, Uli Hoeneß und Rainer Bonhof habe ich dort zusammengespielt.
Kleider: Neun Jahre war ich weg aus Schweinfurt, weil ich nach der Jugend keine Chance auf den Stammplatz in der ersten Mannschaft hatte, und habe für den VfB Coburg, Bayern Hof und 1860 München gespielt. Auch wenn ich in den drei Jahren bei den Löwen nur zweiter Mann war, war es eine schöne Zeit. Ich hatte bei meinen fünf Bundesliga-Einsätzen das Glück, beim Derby gegen den FC Bayern vor 78.000 Zuschauern im Olympiastadion im Tor zu stehen. Als die Sechziger insolvent waren, bin ich mit Anfang 30 zurück zum FC 05, wo ich bis 1985 noch drei Spielzeiten aktiv war. Seitdem kümmere ich mich ununterbrochen um die Torhüter. Torwarttrainer gab es damals nirgends. In manchen Jahren war ich auch Co-Trainer. Marc Reitmaier ist der 24. Cheftrainer, mit dem ich zusammenarbeite.
Kleider: Meine Arbeit mit den Torhütern, die immer Spaß gemacht hat. Entscheidend war für mich nie die Liga, sondern, dass die Keeper immer etwas lernen wollten und nie ein Stinkstiefel dabei war. Ich hatte tolle Schützlinge, die ich weiterentwickeln und nach oben bringen konnte. An erster Stelle Udo Mai, der leider schon gestorben ist. Er wurde die Nummer eins bei der SG Wattenscheid in der Bundesliga.
Kleider: Der Verein muss meinen Vertrag noch unterschreiben. Ich würde gerne ein weiteres Jahr dranhängen, selbst wenn wir in die Bayernliga absteigen sollten. Schade, dass wir künftig nur noch einmal am Tag und abends trainieren. Als Rentner habe ich ja Zeit, die ich dann mit Radfahren, Laufen und Wandern füllen werde.
Kleider: Überhaupt nicht. Dass es auch mal anders sein kann, hat man vor Kurzem beim FC Bayern gesehen, als Michael Rechner aus Hoffenheim geholt wurde. Ich habe ihm geschrieben und zu seinem Posten gratuliert. Vielleicht gibt er manches, was er in seiner Schweinfurter Saison bei mir gelernt hat, an Manuel Neuer und Yann Sommer weiter.
Kleider: Ich kann es überhaupt nicht haben, wenn der eine auf den anderen neidisch ist, die Kommunikation untereinander gestört ist und sich das im Training niederschlägt. In all den Jahren hat es immer so funktioniert, wie ich es mir vorgestellt habe. Die aktuellen Torhüter Bennet Schmidt und Nico Stephan haben keinerlei Probleme miteinander.
Kleider: Fehler können passieren, aber sie dürfen sich nicht wiederholen, was leider der Fall war. Wir haben deswegen nicht unser Trainingsprogramm umgestellt, sondern haben die Spielszenen besprochen. Mein Einfluss ist begrenzt. Wir können üben und üben. Doch die Entscheidung, ob er bei einer Flanke aus dem Tor kommt, trifft der Spieler. Schuldzuweisungen liegen mir jedoch fern.
Kleider: Mit meinen 71 Jahren bin ich Rentner. Nach meiner Ausbildung zum Kraftfahrzeug-Elektroniker habe ich mich beim Bundesgrenzschutz verpflichtet. Als Polizeimeister war ich Fahrdienstleiter. Als ich Fahrlehrer werden wollte, kam das reizvolle Angebot von 1860 München. Also habe ich beim Staat gekündigt und bin Vollprofi geworden. Zurück beim FC 05 als Amateur, wurde ich Fahrer des Vorstandsvorsitzenden bei Sachs in Schweinfurt – und des Mannschaftsbusses, was bis heute mein Hobby geblieben ist. Den Führerschein hatte ich beim Bundesgrenzschutz gemacht.
Kleider: Auf der Fahrt ins Trainingslager nach Dubrovnik ist ein Reifen geplatzt. Rüdiger Mauder und Jens Schürer haben beim Radwechsel geholfen. Ein Highlight war die Heimfahrt aus Burghausen mit dem Aufstieg in die zweite Liga. Als wir tief in der Nacht zurückgekehrt sind, saßen die Spieler auf dem Dach. Die Niederwerrner Straße war voller Fans, die uns jubelnd empfangen haben.
Kleider: Als Nächster ist Jan Reichert an der Reihe, den ich beim FC 05 trainiert habe, bevor er vor zwei Jahren zum 1. FC Nürnberg gewechselt ist. Er ist Stammtorwart in der U 23 und gehört als Nachwuchstalent zum Profikader. Seine Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Ich wünsche ihm das nötige Glück, dass er es in seiner Karriere so weit wie möglich nach oben schafft.
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