Der SV Sylbach ist in vielerlei Hinsicht ein Fußball-Kreisligist wie jeder andere. In einer Sache aber unterscheidet sich der Verein aus einem Stadtteil von Haßfurt. Worin genau, das verrät Spielertrainer Peter Hertel im Interview. Darin spricht der 32-Jährige, der in Knetzgau zu Hause ist, auch über die jüngsten Turbulenzen beim letztjährigen Vizemeister der Kreisliga Schweinfurt 2 und die alltäglichen Probleme im Amateurfußball.
Peter Hertel: Mit Thorsten Schlereth, der für den SC Trossenfurt/Tretzendorf aktiv ist, habe ich viereinhalb Jahre beim FC Augsfeld zusammengespielt. Von Anfang an haben wir auf dem Platz harmoniert. Jeder hat seine Stärken eingebracht, sodass wir uns im Sturm durch seine Schnelligkeit und mein Kopfballspiel gut ergänzt haben. Zwischen uns herrschte blindes Verständnis. Thorsten meinte im Interview, ich hätte für ihn die Drecksarbeit verrichtet. So habe ich es nicht empfunden, ich habe es gerne gemacht.
Hertel: Mein einziger Jugendverein war der TV Haßfurt. Der Grund für meinen ersten Wechsel war mein Bruder Marko. Er ist sieben Jahre älter als ich und spielte bereits in Augsfeld, als ich mit 17 Jahren dorthin gegangen bin. So kam ich vorzeitig aus der Junioren-Kreisliga in die Bezirksliga bei den Männern. Das war anfangs ungewohnt, doch ich habe mich durchgebissen. Der Aufstieg in die Landesliga war der Höhepunkt, der abrupt endete, als sich die Mannschaft während der Saison auflöste. Für mich ging es die eine oder andere Liga tiefer weiter – jeweils eineinhalb Jahre beim Knetzgauer Vorortverein TSV Westheim und bei der DJK Dampfach. Seit 2016 spiele ich für den SV Sylbach. Dabei hat wieder mein Bruder eine Rolle gespielt, der damals dort Co-Trainer war.
Hertel: Seit 2019 war ich Co-Trainer an der Seite von Florian Neeb, seit 2022 haben wir ein gleichberechtigtes Duo gebildet. Sportlich läuft es diese Saison überhaupt nicht. Wir sind punktgleich mit dem Tabellenletzten, nachdem wir im Sommer als Vizemeister in der Relegation um den Aufstieg in die Bezirksliga gekämpft hatten. Damit ein Ruck durch die Mannschaft geht, bin ich im September als Trainer zurückgetreten, aber Spieler geblieben. Der Verein hat im Oktober Florian Neeb entlassen und ist auf mich zugekommen, ob ich das Amt alleine übernehme. In der Winterpause besprechen wir, wie es in der Rückrunde weitergeht.
Hertel: Er hat gefragt, warum ich seinen Posten übernehme. Die Antwort ist einfach: Ich wollte die Mannschaft nicht im Stich lassen und in dieser schwierigen Situation helfen. Nach so langer Zeit ist mir der Verein nicht egal. Ich war die naheliegende, vereinsinterne Lösung. Es ist nicht einfach, während der Saison einen auswärtigen Trainer zu bekommen, der im Idealfall das Team kennt.
Hertel: Wir haben seit Saisonbeginn etliche Verletzte. Das zieht sich durch. Teilweise hatten wir nur zwei Spieler auf der Bank, auch weil uns nach ein paar Abgängen die Breite im Kader verloren gegangen ist. Andreas Rother, der letzte Saison mit 23 Treffern unser bester Torschütze war, hat die meiste Zeit gefehlt, weshalb wir den schwächsten Angriff der Liga haben. Ein anderer Knackpunkt ist die Trainingsbeteiligung, die besser sein könnte. Wenn nur acht Spieler kommen, ist das zu wenig.
Hertel: Fußball ist nur unser Hobby. Dennoch sollte man regelmäßig zum Training gehen, um Fortschritte zu machen und die Fitness zu bekommen, die vor Verletzungen schützt. Das ist eine Erklärung, warum einige Spieler muskuläre Probleme haben. Das A und O ist, dass alle in der Winterpause wieder gesund werden und die Vorbereitung auf die Rückrunde ideal läuft. Nur dann kommen wir von den Abstiegsplätzen weg. Die Qualität für die Kreisliga ist vorhanden.
Hertel: Das müssen die Spieler selbst entscheiden. Ich schreibe niemandem vor, zweimal in der Woche joggen oder ins Fitnessstudio zu gehen. Sich aber acht Wochen lang gar nicht zu bewegen, wird uns im Abstiegskampf nicht helfen. In den ersten Trainingseinheiten nach der Pause merkt man schnell, wer nichts für seinen Körper getan hat. Das sind die Spieler, die keine Kondition mehr haben und das eine oder andere Kilo zusätzlich auf der Hüfte tragen. Auf unserem Amateurniveau ist das nun mal so. Ab der Landesliga muss eine andere Disziplin herrschen.
Hertel: Ich habe eingeführt, dass sich ein Spieler, der nicht zum Training kommen kann, bei mir persönlich melden muss und nicht mehr in unserer Whatsapp-Gruppe. Dadurch will ich einen Dominoeffekt vermeiden: Wer liest, dass andere sich entschuldigt haben, hat dann womöglich auch keine Lust mehr. Ich verlange natürlich eine Begründung, selbst wenn ich sie nicht überprüfen kann. Unglaubwürdig wird es erst, wenn die Oma angeblich viermal im Jahr Geburtstag feiert.
Hertel: Genau. Ich kann die mangelnde Einstellung bei einem kleinen Kader kaum sanktionieren und schon gar nicht nach der Trainingsbeteiligung gehen, wenn die Schichtarbeiter und Studenten unter der Woche fehlen. Die Mannschaft stellt sich oft von selbst auf. Ich kann auch niemandem verbieten, am Samstag in die Disco oder auf ein Weinfest zu gehen. Hauptsache, die Jungs erscheinen zum Spiel nicht mit einem dicken Schädel.
Hertel: Bei uns hat jeder Spieler sein eigenes Lied, das gespielt wird, wenn ein Tor fällt. Das gibt es, soweit ich weiß, sonst nirgendwo. Mein Lieblingslied ist "Schürzenjägerzeit" von den Zillertaler Schürzenjägern. Leider sind unsere Hymnen dieses Jahr nur selten zu hören.
Hertel: Ich habe keinen, weil ich noch nicht weiß, ob ich auf Dauer Trainer bleiben will. In der Kreisliga und darunter braucht man aus meiner Sicht keinen Trainerschein. Für ambitionierte Bezirksligisten ist es sicherlich sinnvoll, wenn der Trainer etwas vorzuweisen hat. Ich hatte in meiner Laufbahn Trainer mit und ohne Ausbildung. Qualitätsunterschiede habe ich vor allem im taktischen Bereich festgestellt, nämlich wie ein Trainer die Mannschaft weiterentwickelt und ihr Inhalte vermittelt. In den unteren Ligen nützt der Trainerschein jedoch nichts, wenn du nicht die Spieler hast, um taktische Maßnahmen umzusetzen.
Hertel: Ich bin gelernter Anlagenmechaniker und arbeite in Knetzgau bei Coca-Cola in der Produktion, bin also unter anderem dafür zuständig, dass die Flaschen abgefüllt werden. Die Geheimrezeptur kenne ich aber auch nicht.
Hertel: Es bleibt stürmisch. Passend zur Jahreszeit gebe ich ab zu Patrick Winter. Bei der DJK Dampfach sind wir gemeinsam auf Torejagd gegangen. Trotz seiner Größe ist er ungemein schnell, was wahrscheinlich an seinen langen Beinen liegt. Seit dieser Saison sorgt Patrick bei der DJK Unterspiesheim für Furore. Im Interview soll er mal erklären, warum sein Spitzname Anton ist.
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