zurück
Steilpass
Wenn Oma viermal im Jahr Geburtstag hat: Peter Hertel vom SV Sylbach und die Merkwürdigkeiten der Kreisliga
Nach jedem Heimspieltreffer des Sylbacher Spielertrainers ist "Schürzenjägerzeit". In dieser Saison ist das beim Vizemeister der Vorsaison selten der Fall.
Peter Hertel ist seit wenigen Wochen wieder Spielertrainer des SV Sylbach aus der Kreisliga Schweinfurt 2.
Foto: Ralf Naumann | Peter Hertel ist seit wenigen Wochen wieder Spielertrainer des SV Sylbach aus der Kreisliga Schweinfurt 2.
Michael Kämmerer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:18 Uhr

Der SV Sylbach ist in vielerlei Hinsicht ein Fußball-Kreisligist wie jeder andere. In einer Sache aber unterscheidet sich der Verein aus einem Stadtteil von Haßfurt. Worin genau, das verrät Spielertrainer Peter Hertel im Interview. Darin spricht der 32-Jährige, der in Knetzgau zu Hause ist, auch über die jüngsten Turbulenzen beim letztjährigen Vizemeister der Kreisliga Schweinfurt 2 und die alltäglichen Probleme im Amateurfußball.

Wer hat Sie angespielt?

Peter Hertel: Mit Thorsten Schlereth, der für den SC Trossenfurt/Tretzendorf aktiv ist, habe ich viereinhalb Jahre beim FC Augsfeld zusammengespielt. Von Anfang an haben wir auf dem Platz harmoniert. Jeder hat seine Stärken eingebracht, sodass wir uns im Sturm durch seine Schnelligkeit und mein Kopfballspiel gut ergänzt haben. Zwischen uns herrschte blindes Verständnis. Thorsten meinte im Interview, ich hätte für ihn die Drecksarbeit verrichtet. So habe ich es nicht empfunden, ich habe es gerne gemacht.

Wie war Ihr Laufweg?

Hertel: Mein einziger Jugendverein war der TV Haßfurt. Der Grund für meinen ersten Wechsel war mein Bruder Marko. Er ist sieben Jahre älter als ich und spielte bereits in Augsfeld, als ich mit 17 Jahren dorthin gegangen bin. So kam ich vorzeitig aus der Junioren-Kreisliga in die Bezirksliga bei den Männern. Das war anfangs ungewohnt, doch ich habe mich durchgebissen. Der Aufstieg in die Landesliga war der Höhepunkt, der abrupt endete, als sich die Mannschaft während der Saison auflöste. Für mich ging es die eine oder andere Liga tiefer weiter – jeweils eineinhalb Jahre beim Knetzgauer Vorortverein TSV Westheim und bei der DJK Dampfach. Seit 2016 spiele ich für den SV Sylbach. Dabei hat wieder mein Bruder eine Rolle gespielt, der damals dort Co-Trainer war.

Sie stürmen nicht nur für Sylbach in der Kreisliga, sondern sind als Trainer für die Mannschaft verantwortlich. In den letzten Wochen gab es einige Turbulenzen.

Hertel: Seit 2019 war ich Co-Trainer an der Seite von Florian Neeb, seit 2022 haben wir ein gleichberechtigtes Duo gebildet. Sportlich läuft es diese Saison überhaupt nicht. Wir sind punktgleich mit dem Tabellenletzten, nachdem wir im Sommer als Vizemeister in der Relegation um den Aufstieg in die Bezirksliga gekämpft hatten. Damit ein Ruck durch die Mannschaft geht, bin ich im September als Trainer zurückgetreten, aber Spieler geblieben. Der Verein hat im Oktober Florian Neeb entlassen und ist auf mich zugekommen, ob ich das Amt alleine übernehme. In der Winterpause besprechen wir, wie es in der Rückrunde weitergeht.

Hat sich Ihr geschasster Kollege nicht gewundert, dass Sie nach Ihrem Rücktritt einige Wochen später sein Nachfolger werden?

Hertel: Er hat gefragt, warum ich seinen Posten übernehme. Die Antwort ist einfach: Ich wollte die Mannschaft nicht im Stich lassen und in dieser schwierigen Situation helfen. Nach so langer Zeit ist mir der Verein nicht egal. Ich war die naheliegende, vereinsinterne Lösung. Es ist nicht einfach, während der Saison einen auswärtigen Trainer zu bekommen, der im Idealfall das Team kennt.

Peter Hertel ist mit vier Treffern aktuell bester Torschütze des SV Sylbach.
Foto: René Ruprecht | Peter Hertel ist mit vier Treffern aktuell bester Torschütze des SV Sylbach.
Ist die Liga plötzlich so stark oder ist Sylbach mit einem Mal so schwach?

Hertel: Wir haben seit Saisonbeginn etliche Verletzte. Das zieht sich durch. Teilweise hatten wir nur zwei Spieler auf der Bank, auch weil uns nach ein paar Abgängen die Breite im Kader verloren gegangen ist. Andreas Rother, der letzte Saison mit 23 Treffern unser bester Torschütze war, hat die meiste Zeit gefehlt, weshalb wir den schwächsten Angriff der Liga haben. Ein anderer Knackpunkt ist die Trainingsbeteiligung, die besser sein könnte. Wenn nur acht Spieler kommen, ist das zu wenig.

Das Problem haben andere Kreisligisten auch.

Hertel: Fußball ist nur unser Hobby. Dennoch sollte man regelmäßig zum Training gehen, um Fortschritte zu machen und die Fitness zu bekommen, die vor Verletzungen schützt. Das ist eine Erklärung, warum einige Spieler muskuläre Probleme haben. Das A und O ist, dass alle in der Winterpause wieder gesund werden und die Vorbereitung auf die Rückrunde ideal läuft. Nur dann kommen wir von den Abstiegsplätzen weg. Die Qualität für die Kreisliga ist vorhanden.

Haben Sie schon individuelle Fitnesspläne für die Winterpause erstellt? Oder darf sich jeder bis zum Trainingsauftakt auf die faule Haut legen und an Weihnachten nach Herzenslust schlemmen?

Hertel: Das müssen die Spieler selbst entscheiden. Ich schreibe niemandem vor, zweimal in der Woche joggen oder ins Fitnessstudio zu gehen. Sich aber acht Wochen lang gar nicht zu bewegen, wird uns im Abstiegskampf nicht helfen. In den ersten Trainingseinheiten nach der Pause merkt man schnell, wer nichts für seinen Körper getan hat. Das sind die Spieler, die keine Kondition mehr haben und das eine oder andere Kilo zusätzlich auf der Hüfte tragen. Auf unserem Amateurniveau ist das nun mal so. Ab der Landesliga muss eine andere Disziplin herrschen.

"In der Kreisliga und darunter braucht man aus meiner Sicht keinen Trainerschein."
Peter Hertel, Spielertrainer SV Sylbach
Wie sorgen Sie für Disziplin?

Hertel: Ich habe eingeführt, dass sich ein Spieler, der nicht zum Training kommen kann, bei mir persönlich melden muss und nicht mehr in unserer Whatsapp-Gruppe. Dadurch will ich einen Dominoeffekt vermeiden: Wer liest, dass andere sich entschuldigt haben, hat dann womöglich auch keine Lust mehr. Ich verlange natürlich eine Begründung, selbst wenn ich sie nicht überprüfen kann. Unglaubwürdig wird es erst, wenn die Oma angeblich viermal im Jahr Geburtstag feiert.

Also alles eine Frage der Einstellung, wie ernst die Spieler ihr Hobby nehmen?

Hertel: Genau. Ich kann die mangelnde Einstellung bei einem kleinen Kader kaum sanktionieren und schon gar nicht nach der Trainingsbeteiligung gehen, wenn die Schichtarbeiter und Studenten unter der Woche fehlen. Die Mannschaft stellt sich oft von selbst auf. Ich kann auch niemandem verbieten, am Samstag in die Disco oder auf ein Weinfest zu gehen. Hauptsache, die Jungs erscheinen zum Spiel nicht mit einem dicken Schädel.

Der SV Sylbach ist in vielerlei Hinsicht ein Kreisligist wie jeder andere. In einer Sache unterscheidet sich der Verein. Stichwort Tormusik.

Hertel: Bei uns hat jeder Spieler sein eigenes Lied, das gespielt wird, wenn ein Tor fällt. Das gibt es, soweit ich weiß, sonst nirgendwo. Mein Lieblingslied ist "Schürzenjägerzeit" von den Zillertaler Schürzenjägern. Leider sind unsere Hymnen dieses Jahr nur selten zu hören.

Halten Sie es für wichtig, dass ein Trainer in der Kreisliga einen Übungsleiterschein hat?

Hertel: Ich habe keinen, weil ich noch nicht weiß, ob ich auf Dauer Trainer bleiben will. In der Kreisliga und darunter braucht man aus meiner Sicht keinen Trainerschein. Für ambitionierte Bezirksligisten ist es sicherlich sinnvoll, wenn der Trainer etwas vorzuweisen hat. Ich hatte in meiner Laufbahn Trainer mit und ohne Ausbildung. Qualitätsunterschiede habe ich vor allem im taktischen Bereich festgestellt, nämlich wie ein Trainer die Mannschaft weiterentwickelt und ihr Inhalte vermittelt. In den unteren Ligen nützt der Trainerschein jedoch nichts, wenn du nicht die Spieler hast, um taktische Maßnahmen umzusetzen.

Was macht die Karriere neben der Karriere?

Hertel: Ich bin gelernter Anlagenmechaniker und arbeite in Knetzgau bei Coca-Cola in der Produktion, bin also unter anderem dafür zuständig, dass die Flaschen abgefüllt werden. Die Geheimrezeptur kenne ich aber auch nicht.

Wen spielen Sie an?

Hertel: Es bleibt stürmisch. Passend zur Jahreszeit gebe ich ab zu Patrick Winter. Bei der DJK Dampfach sind wir gemeinsam auf Torejagd gegangen. Trotz seiner Größe ist er ungemein schnell, was wahrscheinlich an seinen langen Beinen liegt. Seit dieser Saison sorgt Patrick bei der DJK Unterspiesheim für Furore. Im Interview soll er mal erklären, warum sein Spitzname Anton ist.

Das Interview-Format "Steilpass"

In unserem Interview-Format "Steilpass" übernehmen die Interviewten die Regie. Am Ende des Gespräches dürfen sie entscheiden, wer als Nächstes an der Reihe ist, von uns befragt zu werden – sie spielen also den nächsten Protagonisten oder die nächste Protagonistin an.
cam

Hier finden Sie weitere Steilpass-Interviews:

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Sylbach
Knetzgau
Augsfeld
Michael Kämmerer
1. FC Haßfurt
1. Fußballclub Schweinfurt 1905
DJK Abersfeld
DJK Dampfach
Fitness-Studios
Johannes Bechmann
Kreisliga Schweinfurt 2
Lust
NFL
Philipp Kleinhenz
SV Fuchsstadt
Spielertrainer
Steilpass
TSV Aubstadt
TSV Schonungen
TV 1860 Hofheim
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top