Johannes "Joe" Bechmann hat sich seinen Ruf als Fußballer beinhart erarbeitet. Der 36-Jährige war ein gefürchteter Innenverteidiger in der Fußball-Regionalliga und Bayernliga. Vor seinen berüchtigten Grätschen brauchen die Gegenspieler keine Angst mehr zu haben. Vergangenes Jahr hat Bechmann seine Karriere beendet. Im Interview erzählt der Oberfranke, der heute in Sand am Main lebt, weshalb er 25 Mal vom Platz geflogen ist, wie sein Verhältnis zu den Schiedsrichtern war und warum er ein Angebot des FC Bayern München ausgeschlagen hat.
Johannes Bechmann: Der Steilpass kommt von Philipp Kleinhenz, der für den TSV Aubstadt II spielt. Wir hatten beim FC 05 Schweinfurt unter Trainer Gerd Klaus eine tolle Zeit. "Pille", wie er genannt wird, ist eine schillernde Persönlichkeit. Er wollte auf dem Platz der böse Junge sein, der ich immer war, und sich von meinem Image etwas abschauen. Daher kommt wohl unser gutes Verhältnis.
Bechmann: Weil meine Familie fußballverrückt ist, habe ich schon mit drei Jahren im Verein gespielt, in der Nähe von Coburg beim FC Adler Weidhausen. Da der FC Bamberg in der Region eine Talentschmiede war und mit dem Nachwuchs in den höchsten Ligen gespielt hat, bin ich mit 13 Jahren dorthin gewechselt. In Bamberg habe ich nach der Jugend direkt den Sprung in die erste Mannschaft geschafft. Ich bin 13 Jahre im Verein geblieben. In diese Zeit fielen zwei Aufstiege in die Regionalliga und eine Insolvenz. Nach Querelen mit der Klubführung habe ich meinen Vertrag während der Saison vorzeitig aufgelöst.
Bechmann: Ein halbes Jahr war ich beim SV Memmelsdorf, bevor ich für drei Spielzeiten zum FC 05 Schweinfurt gegangen bin – mit dem Gewinn des Landespokals zum Abschluss. Als der Verein Profistrukturen eingeführt hat, habe ich mich verabschiedet, weil ich meinen Beruf als Medienkaufmann nicht aufgeben wollte. Meine letzte Station war für fünf Jahre der FC Sand, zuletzt als spielender Co-Trainer. 2022 habe ich mit 35 Jahren meine Karriere beendet, weil mein Körper nicht mehr mitmacht nach so langer Zeit, in der ich ausschließlich in der Regionalliga und Bayernliga gespielt habe.
Bechmann: Zu Beginn in Bamberg waren es zwei Jahre, sodass der Wechsel gescheitert ist, als ich ein Angebot eines österreichischen Zweitligisten hatte. Um mir alle Optionen offenzuhalten, habe ich mir geschworen, in diesem schnelllebigen Geschäft immer nur Verträge für eine Saison auszuhandeln. In den Folgejahren gab es Anfragen von Profiklubs aus der Regionalliga. Aber ich hatte mir beim Gehalt eine Summe vorgestellt, für die ich dieses Risiko eingegangen wäre und meinen Job gekündigt hätte. Die war nicht dabei. Es hat mich nie gereizt, für 1200 Euro im Monat Profi zu werden.
Bechmann: Da war ich allerdings erst 13. Nach einem Probetraining an der Säbener Straße hätte mich der FC Bayern genommen. Weil es damals noch keine Fußballinternate gab, hätte meine ganze Familie nach München ziehen müssen. Das war utopisch und stand für uns nie zur Debatte. Wir sind dann lieber 45 Minuten zum Training nach Bamberg gefahren.
Bechmann: Ich habe weder mich noch meine Gegenspieler geschont. Auf dem Platz hatte ich immer ein geringes Schmerzempfinden und war nicht wehleidig, wenn ich gefoult wurde. Wegen einer Platzwunde habe ich mich nicht auswechseln lassen, sondern bin mit blutdurchtränktem Turban zum Kopfball hochgestiegen. Das war der Zeit geschuldet, in der ich aufgewachsen bin. Ich habe Fußball anders gelernt, mit mehr Körperkontakt, und bin ohne Rücksicht auf Verluste in den Zweikampf gegangen. Wer sich nicht wehrt, geht unter.
Bechmann: Die meisten Platzverweise waren berechtigt. Nur pfeifen die Schiedsrichter heute vieles ab, was sie früher haben durchgehen lassen, und ahnden es mit Karten. Ich habe meinen Stil stets beibehalten und mich nie verändert. Viele Gegenspieler hatten Angst vor mir und sind einem Zweikampf aus dem Weg gegangen sind, weil ich nie zurückgezogen habe. Vermutlich wurden sie immer hoch angespielt, weil zu befürchten war, dass es ihnen weiter unten wehtut. Ich hatte aber nie die Absicht, jemanden zu verletzen. Vor dem Sportgericht galt ich als Wiederholungstäter, was sich an meinen Sperren gezeigt hat. Die höchste lag bei sechs Spielen, weil der Gegenspieler unglücklich gefallen ist und bewusstlos im Krankenwagen abtransportiert wurde. Dafür konnte ich aber nichts.
Bechmann: Mein Image stört mich nicht. Die Schiedsrichter kannten mich und haben bei mir immer ganz genau hingeschaut. Einige hatten mich auf dem Kieker und haben nach meinem Empfinden nur darauf gewartet haben, mich vom Platz zu stellen. Wegen Meckerns bin ich allerdings nie heruntergeflogen.
Bechmann: Ich habe vor einigen Jahren an einem Kurzlehrgang teilgenommen und bestanden, ohne für die Prüfung zu lernen. Ich habe den Schiedsrichterschein, aber nie ein Spiel gepfiffen. Während der Spielerkarriere wäre das zeitlich nicht möglich gewesen. Jetzt bin ich froh, Abstand vom Fußball zu haben und Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Ich kann mich seit dem Kurs besser in die Schiedsrichter hineinversetzen, aber vieles ist bei den Entscheidungen auch Auslegungssache. Das eigentliche Problem ist, wie die Unparteiischen mit den Spielern kommunizieren. Die Ansprachen kommen oft von oben herab.
Bechmann: Kein Trainer hat versucht, mich umzuerziehen. Das hätte nicht funktioniert. Wer mich verpflichtet hat, wusste, was er bekommt. Da galt es, die Vor- und Nachteile abzuwägen. Nicht umsonst habe ich so viele Spiele in den höchsten zwei Amateurligen absolviert, selbst wenn ich wegen sämtlicher Sperren in der Summe eine ganze Saison versäumt habe. Bei den Mitspielern habe ich auch keinen Ärger gespürt. Durch den internen Strafenkatalog habe ich immer ordentlich in die Mannschaftskasse eingezahlt. Einen Kasten Bier gab es zur Wiedergutmachung obendrauf. Die Schweinfurter Fans haben es mit Humor genommen und mir einen eigenen Schal gewidmet mit der Aufschrift: "Er muss ja nicht da hinlaufen, wo ich hingrätsche."
Bechmann: Ich arbeite in der Sportredaktion des Fränkischen Tags in Bamberg, habe also beruflich mit Fußball zu tun. Ich bin für die Tabellen in der Zeitung zuständig, kümmere mich um Organisatorisches und schreibe auch Texte. Die Sonntagsdienste verhindern leider ein Engagement als Trainer in den unteren Amateurligen.
Bechmann: Meinen früheren Sitznachbarn aus der Umkleidekabine des FC Sand, Thorsten Schlereth. Wir haben in der Bayernliga mit unserer Mannschaft aus relativ wenig das Maximum herausgeholt. Mit seiner Schnelligkeit, die er heute als 40-Jähriger für den Kreisligisten SC Trossenfurt/Tretzendorf in viele Tore ummünzt, hätte er locker in der Regionalliga spielen können.
Das Interview-Format "Steilpass"
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