
Mit 38 Jahren spielte Thorsten Schlereth noch für den FC Sand in der Fußball-Bayernliga Nord. Doch statt die Laufbahn zu beenden, wechselte der Stürmer vier Ligen nach unten, um beim SC Trossenfurt/Tretzendorf anzuheuern. Im Interview erklärt der 40-jährige Stürmer, der im Haßfurter Stadtteil Augsfeld zu Hause ist, welchen Einfluss Frau und Tochter auf die Fortsetzung seiner Karriere nehmen, wie er vor jedem Spiel seine Nervosität bekämpft und warum Schmerztabletten sein Leben verändert haben.
Thorsten Schlereth: Den Pass habe ich von Joe Bechmann erhalten, den ich beim FC Sand kennengelernt habe. Körperlich war er in der Abwehr eine Bank. Zum Glück war er nie mein Gegenspieler. Wegen meiner Schnelligkeit hätte er mich im Zweikampf ohnehin nicht erwischt. Viele Stürmer haben gegen ihn das Bein zurückgezogen oder den Kopfball gemieden. Nach seinem Karriereende sehen wir uns höchstens auf dem Sander Weinfest.
Schlereth: Meine Stationen sind überschaubar. Ich habe in der langen Zeit nur für drei Vereine gespielt. Die ganze Jugend habe ich beim FC Sand verbracht. Mit 17 Jahren bin ich zum FC Augsfeld gewechselt und vorzeitig in die erste Mannschaft aufgerückt, weil mein Vater Dieter dort Trainer wurde. Das war eine sehr erfolgreiche Zeit, in der wir von der Kreisliga bis in die Landesliga aufgestiegen sind. Als der Verein wegen Turbulenzen plötzlich die Mannschaft abmelden musste, bin ich nach 14 Jahren zum FC Sand zurückgekehrt. Wir haben es in die Bayernliga geschafft. Ich wäre länger als acht Jahre geblieben, doch auf diesem Niveau macht der Körper irgendwann nicht mehr mit. Seit 2021 spiele ich für den SC Trossenfurt/Tretzendorf, zunächst in der Kreisklasse, inzwischen in der Kreisliga, wo ich auch als Co-Trainer fungiere.
Schlereth: Das kann man so sagen. Da mein Vater schon in der Jugend mein Trainer war, kam währenddessen kein Wechsel für mich infrage. Später hatte ich jedes Jahr lukrative Angebote, darunter Vereine wie der TSV Aubstadt, der TSV Abtswind und der FC 05 Schweinfurt. Das Hauptproblem waren meine drei Schichten, die ich gearbeitet habe. Das hätte mit dem Fußball nicht funktioniert. Ein bisschen hat mir auch der Mut gefehlt, etwas Neues zu wagen. Sonst hätte ich nicht erst mit Anfang 30 in der Bayernliga gespielt, sondern wäre viel früher vielleicht sogar in die Regionalliga gekommen.
Schlereth: Die Frage, warum ich mir das antue, stelle ich mir in der nasskalten und dunklen Jahreszeit vor jedem Training. Eigentlich will ich seit zehn Jahren aufhören, doch der Fußball und das Gemeinschaftsgefühl haben mir über persönliche Schicksalsschläge hinweggeholfen. Genauso brauche ich ihn für mein Körpergefühl. Sonst müsste ich mir eine andere Sportart suchen. Meine Ernährung ist so eine Katastrophe, dass ich schnell meine Figur ruinieren würde. Ich liebe Pizza, Döner, Schokolade, Eis und Spezi. Außerdem treibt mich meine Familie an, weiterzumachen. Meine Frau und meine fünfjährige Tochter, die zu jedem Spiel mitkommen, stehen voll hinter mir und fragen, was wir denn sonntags machen sollen, wenn ich nicht mehr spielen würde. Trotz mehrerer Anfragen, anderswo Spielertrainer zu werden, fühle ich mich in Trossenfurt pudelwohl. Ich spiele weiter, bis es nicht mehr geht.

Schlereth: Ja, leider. In der Schule ging es mir bei Prüfungen genauso. Ich kann es mir auch nicht erklären, dass ich mit 40 Jahren noch aufgeregt bin und erhöhten Puls habe. Wahrscheinlich liegt das an meinem unbändigen Ehrgeiz. Um mich zu entspannen, habe ich ein Ritual entwickelt: Wenn ich am Sportplatz eintreffe, gehe ich sofort in die Umkleidekabine, setze mich hin und spiele auf dem Handy das Computerspiel "Candy Crush", bis die anderen hereinkommen.
Schlereth: Ich war nie länger verletzt und habe es in meiner Karriere nie schleifen lassen, sodass ich eine gute Fitness habe, obwohl mir die Lust fehlt, joggen zu gehen, Gewichte zu stemmen und in der Vorbereitung Kondition zu bolzen. Ich brauche kein individuelles Programm neben dem Mannschaftstraining. Mein Haus und mein Garten sind mein Fitnessstudio. Dort gibt es immer etwas zu tun. Dann bin ich müde und gehe abends um halb neun ins Bett. Ich brauche meinen Schlaf, auch wenn der mit einem kleinen Kind nicht immer gewährleistet ist.
Schlereth: Ich kann noch genauso sprinten wie einst, selbst in der 90. Minute. Nur brauche ich länger, um wieder zu Kräften zu kommen. Als Stürmer kann ich vorne stehen bleiben, um mir eine kleine Auszeit zu nehmen, und muss nicht die ganze Zeit das Spielfeld rauf und runter rennen. Dass ich mich auswechseln lasse oder gar ein Spiel aussetze, kommt für mich überhaupt nicht infrage. Meine Regeneration beginnt direkt nach dem Schlusspfiff, wenn meine Frau oder meine Tochter mir eine Flasche Spezi auf den Platz bringt.
Schlereth: So weit wie möglich auf Schmerztabletten verzichten. Ich hatte mit 30 Jahren ein akutes Versagen der Nieren, deren Leistung plötzlich nur noch bei 20 Prozent lag. Ich bekam so starke Schmerzen, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte. Seitdem steht fest, dass ich eine chronische Autoimmunkrankheit habe. Weil ich in meiner Karriere nie ein Spiel versäumen wollte, wenn ich angeschlagen war, hatte ich gelegentlich Schmerzmittel genommen. Die Ärzte vermuten, dass die Tabletten die Nieren angegriffen haben könnten. Zum Glück musste ich nicht operiert werden. Ich nehme Medikamente und verabreiche mir einmal in der Woche eine Infusion gegen die Krankheit, die mir nicht die Lebensqualität nimmt.
Schlereth: Das kann ich mir – Stand jetzt – nicht vorstellen. Ich habe für den Fußball alles aufgeopfert. Es war für mich undenkbar, während der Saison in den Urlaub zu gehen oder für eine Geburtstagsfeier ein Spiel sausen zu lassen. Heute ticken die Jungen ganz anders. Die Einstellung hat sich auch durch die Möglichkeiten der Kommunikation gewandelt. Man schreibt kurzfristig eine Handynachricht und sagt ab. Damit habe ich ein Problem.
Schlereth: 2006 ist mein bester Freund Marc Spielmann mit 22 Jahren bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Wir haben beim FC Augsfeld zusammengespielt. Es war mir wichtig, seine Rückennummer zu übernehmen. Sie ist meine persönliche Erinnerung an ihn.
Schlereth: Als gelernter Industriemechaniker war ich 18 Jahre bei SKF in Schweinfurt beschäftigt. Seit 2018 habe ich meinen Arbeitsplatz direkt vor der Haustür – bei Bosch Rexroth in Augsfeld, wo ich im Büro und in der Lagerverwaltung tätig bin.
Schlereth: Meinen früheren Sturmpartner beim FC Augsfeld, Peter Hertel, der mittlerweile Spielertrainer des SV Sylbach ist. Er hat damals die Drecksarbeit für mich gemacht, weil er unendlich viel gelaufen ist. Wir haben als Duo harmoniert. Er war Stoßstürmer und ich hinter ihm oder Linksaußen. Da wir mit unseren Vereinen in derselben Kreisliga spielen, treffen wir zweimal im Jahr aufeinander, wobei Sylbach unser Angstgegner ist.
Das Interview-Format "Steilpass"
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