Ein Mann mit kerniger Statur betritt den Sitzungssaal C017 am Landgericht Würzburg. Er trägt eine Schiebermütze auf dem Kopf, einen Mundschutz im Gesicht und einen Aktenordner in der Hand. Roger Kuchenreuther, Rechtsextremist und Zimmermann aus Oberfranken, nimmt Platz auf der Anklagebank.
Es ist Oktober 2020, im Berufungsprozess gegen ihn und drei weitere Personen geht es um eine Aktion aus dem Februar 2017. Mitglieder des rechtextremen III. Wegs, unter ihnen Kuchenreuther, kaperten damals den Würzburger Faschingszug. Mit geschwärzten Gesichtern skandierten sie fremdenfeindlichen Parolen wie "Syria, Syria", "Ficki Ficki" und "Wir wissen es genau, abschieben wird uns keine Sau". Das Landgericht bestätigt den Schuldspruch aus erster Instanz: Es verurteilt die Angeklagten wegen gemeinschaftlicher Volksverhetzung. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass Kuchenreuther mit dem Staat aneinandergerät.
Ein Portrait von Roger Kuchenreuther in zwei Teilen
Der Auftritt beim Faschingsumzug von Würzburg zählt zu den ersten Aktionen des Rechtsradikalen, die bundesweit für Aufsehen sorgen. Roger Kuchenreuther, der bei der Grünen-Urwahl 2012 neben Jürgen Trittin, Claudia Roth und Renate Künast auf dem Podium saß, ist heute eine feste Größe der rechtsextremen Szene in Franken. Die Hintergründe seiner Verwandlung hat der erste Teil dieser Geschichte beleuchtet:
Nun geht es um den offen radikal lebenden Roger Kuchenreuther. Darum, welche Gefahr von dem 64-Jährigen für die Region womöglich ausgeht. Er, das zeigt eine überraschende Wendung am Ende dieser Geschichte, scheint inzwischen sogar für den III. Weg zu extrem.
Der Beginn seiner öffentlichen rechtsextremen Laufbahn
Roger Kuchenreuther tritt das erste Mal im November 2016 bei einer Veranstaltung im oberfränkischen Wunsiedel als Kader des III. Wegs ins rechte Rampenlicht. In den Folgejahren ist er neben seiner Inszenierung beim Faschingsumzug in Würzburg bei größeren Versammlungen als Ordner in führender Rolle aktiv. Etwa im Februar 2020 in Bamberg, wo er unter anderem gemeinsam mit einer inzwischen verurteilten fränkischen Rechtsterroristin die rechten Redner vor dem Gegenprotest schützt.
Kuchenreuther steigt in der Partei auf. Im Februar 2021 folgt der Sprung auf Platz drei der Landesliste für die anstehende Bundestagswahl. Neun Monate später, im September 2021, kommt es in Würzburg zum Eklat: Aktivisten des III. Wegs, unter ihnen Kuchenreuther, nutzen den grausamem Messerangriff kurz vor der Wahl zum Zwecke der Parteipropaganda.
Bei einer Kundgebung am Barbarossaplatz legen sie in der Nähe des Tatorts drei mit Kunstblut beschmierte Puppen auf das Pflaster. Weil sie dahinter drei Fotos der damaligen Kanzlerkandidaten drapieren, werten Beobachter die Aktion als Aufforderung zum Mord an Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz. Nachdem mehrere Anzeigen eingehen, nimmt die Staatsanwalschaft Würzburg Ermittlungen auf, stellt diese aber wenige Monate später wieder ein.
Im unterfränkischen Wutwinter ganz vorne dabei
Die anschließende Bundestagswahl verläuft für Kuchenreuther einmal mehr erfolglos. Danach beginnt seine Zeit auf der Straße, die bis heute andauert. Bei den Ende 2021 aufkeimenden unangemeldeten Protesten gegen die Corona-Maßnahmen, die in weiten Teilen Deutschlands durch rechte Gruppierungen unterwandert werden, ist der 64-Jährige von Beginn an dabei.
In Ebern im Landkreis Haßberge marschiert er Schulter an Schulter mit Anhängern des neonazistischen Kollektivs "Zukunft Schaffen - Heimat Schützen", kurz KZSHS. In Schweinfurt ist er unter den Wütenden, als am 26. Dezember 2021 eine unangemeldete Kundgebung in einer Gewalteskalation zwischen Polizisten und Demonstrierenden mündet, wie Bilder belegen und auch Kuchenreuther bestätigt. Ob Unterfranken, ob Oberfranken – überall in der Region mischt der 64-Jährige damals mit.
Nach einem langen Wutwinter verlieren die Corona-Proteste ab Sommer 2022 an Zulauf. Kuchenreuther aber findet andere Themen. Als im November bekannt wird, dass an einem Gymnasium in Ebern eine Informationsveranstaltung zu queeren Themen geplant ist, mobilisiert er seine rechtsextremen Gesinnungsgenossen.
Bei der Kundgebung, die Kuchenreuther selbst anmeldet, wird er über vermeintlich "artgerechte Aufzucht und Erziehung unseres Nachwuchses" sprechen. Für seine extremen Aussagen , die er an diesem Tag tätigt, kassiert der Oberfranke einmal mehr eine Anzeige, auch das bestätigt er im Gespräch. Die Ermittlungen wegen Volksverhetzung sind laut Staatsanwaltschaft Bamberg abgeschlossen.
Auch im Jahr 2023 setzt sich Kuchenreuthers Umtriebigkeit fort. Im Januar verbreitet er bei einer Kundgebung vor dem Parteibüro des III. Wegs in Schweinfurt einmal mehr fremdenfeindliche Propaganda. Inzwischen meldet der Rechtsextremist im Raum Bamberg fast wöchentlich Demonstrationen gegen Flüchtlingsunterkünfte an.
Extremismus-Experte: Aktivität bringt Anerkennung
Dass Roger Kuchenreuther seit Jahren einen wahren Demo-Tourismus betreibt, bestätigt auch Thomas Witzgall von der Initiative "Endstation Rechts". Er beobachtet die Szene in Bayern seit Jahren. "Kuchenreuther zählt zu den treusten Demo-Gängern des III. Wegs", sagt Witzgall. "Es würde auffallen, wenn er bei einer Veranstaltung nicht dabei wäre."
Es ist diese Umtriebigkeit auf der Straße, die Kuchenreuther in den vergangenen Jahren zu einem der auffälligsten rechten Köpfe im Raum Franken gemacht hat. Denn politische Aktivität bringe in der Szene mitunter mehr Anerkennung als ein Amt innerhalb der Partei, so Witzgall weiter. Der Zimmermann verkörpere durch und durch den Praktiker, nicht den Strategen oder ideologischen Vordenker.
Das zeige sich etwa, sobald Kuchenreuther ans Mikrofon trete: "Wenn man ihn reden hört, erinnert er eher an den peinlichen Onkel auf der Familienfeier", sagt Thomas Witzgall. Mitunter wirke es so, als sei das sogar seinen eigenen Parteikollegen sichtlich unangenehm.
Kuchenreuther über sich: "Reinkarnation eines Hitlerjungen"
"Ich bin ein spiritueller Mensch", sagt Roger Kuchenreuther am Telefon. "Ich glaube, dass ich die Reinkarnation eines Hitlerjungen aus Ostpreußen bin." Auch darauf führe er sein politisches Weltbild zurück, erklärt der 64-Jährige. Er spricht davon, dass Eliten die Menschen global versklaven wollen, dass die Bundesrepublik kein souveräner Staat sei und die Corona-Pandemie eine geplante Krise. Was Wissenschaftlerinnen und Extremismus-Experten als kruden Verschwörungsglauben bezeichnen, klingt in Kuchenreuthers Ohren offenbar stimmig. "Ich bin Wassermann, ein Denker. Ich suche immer nach den Ursachen und Zusammenhängen."
Kuchenreuther antwortet unverblümt auf alle ihm gestellten Fragen: Warum er damals beim III. Weg gelandet ist? "Ich wollte einfach mal in eine saubere nationalsozialistische Partei", sagt er. Ob er sich an den Faschingsumzug 2017 in Würzburg erinnert? "Jaaa, jaa, ja!", plärrt er laut lachend in den Telefonhörer, um schließlich mit Blick auf seine Verurteilung zu raunen: "Der Staat ist da sehr humorlos, das war witzig gemeint."
Er, das wird im Gespräch deutlich, sieht sich in einer Art Endzeit. In einem Kampf gegen das System, den er auf der Straße austrägt. Friedlich? "Ich bin kein Pazifist", redet sich Kuchenreuther schließlich in Rage und schiebt hinterher: "Manche Sachen müssen mit Gewalt geregelt werden."
Im Visier des Verfassungsschutzes
Es sind wohl Aussagen wie diese, für die der rechtsradikale Aktivist ins Visier des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz geraten ist. "Aufgrund der zahlreichen Anmeldungen von Veranstaltungen sowie Rednertätigkeiten kann Kuchenreuther als ein Gesicht der Partei III. Weg im fränkischen Raum bezeichnet werden", heißt es auf Nachfrage aus München.
Wie die Behörde die Gefahr einschätzt, die von dem 64-Jährigen womöglich ausgehen könnte, dazu halten sich die Verfassungsschützer bedeckt. Andere Beobachter der Szene werden da deutlicher, wie etwa Dominik Sauerer von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. "Kuchenreuther ist ein Akteur, der nicht berechenbar ist."
Das hat inzwischen auch Kuchenreuthers eigene Partei zu spüren bekommen. "Ich bin beim III. Weg raus", offenbart er am Ende des Telefongesprächs. Nicht aber weil ihm die eigene Partei zu extrem wurde, es scheint eher umgekehrt. Kuchenreuther missfällt die "vorbehaltlose Unterstützung der Ukraine" aus den eigenen Reihen, wie er es nennt. "Eine Partei wie der III. Weg darf nicht die Staatsideologie vertreten", sagt er verärgert. Tatsächlich zählt die Gruppierung laut Experten zu den wenigen rechtsextremen Akteuren in Deutschland, die nicht auf der Seite Putins stehen, sondern der ukrainischen Nationalisten.
Weiter als "freie Radikale" auf Frankens Straßen
Den Kern seiner einstigen Anhänger und auch das Netzwerk des III. Wegs dürfte er mit seinem Austritt verloren haben. Experten wie Dominik Sauerer vermuten, das er künftig als "freie Radikale" in Franken für Unruhe sorgen könnte.
Tatsächlich setzt Kuchenreuther seinen Kampf auf der Straße fort, vor allem im westlichen Oberfranken. Nach dem gewaltsamen Tod einer Frau in einem Blumenladen in Lichtenfels meldete er Mitte März eine erste Kundgebung an. Und als es vor wenigen Tagen in Zapfendorf bei einer Bürgerversammlung um die Unterbringung von Geflüchteten ging, habe er "systematisch versucht, die Stimmung zum Kochen zu bringen", sagt Sauerer.
Kuchenreuther scheint sein Netzwerk neu zu verknüpfen. "Er kooperiert zunehmend mit dem Kollektiv 'Zukunft schaffen, Heimat schützen'", so der Rechtsextremismus-Experte. Eine völkisch-nationalistische Gruppierung, deren zentrale Akteure aus dem Raum Ebern stammen und vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Im Gespräch bestätigt Kuchenreuther die Zusammenarbeit. Wie es für den 64-Jährigen politisch weitergeht, bleibt indes offen. Eines aber steht fest: Viele Parteien wird es in Deutschland nicht mehr geben, die radikal genug sind für Roger Kuchenreuther.
Nun ja, aus Scientology-Sicht bin ich auch mit negativen Erinnerungen aus einem früheren Leben behaftet, wenn ich bei denen dass Auditing absolvieren würde, was eher einer Gehirnwäsche gleich kommt.
"Stimmt".
In meinem früheren Leben war ich Pontius Pilatus und für den Tod von Jesus Christus verantwortlich, womit ich heute noch nicht klar komme.
(Achtung: Satire zur angeblichen Reinkarnation!)
Zu der Person Kuchenreuther: ich sag mal so, der Herrgott hat einen großen Tiergarten und in Deutschland können sich die meisten davon frei und ohne Gitter entfalten.
Persönlich scheint die Person den meisten, welche mit ihm zu tun haben völlig peinlich zu sein, sogar so peinlich das sich sogar Rechtsextreme teils abwenden. Und jemand der nicht reden kann, trotzdem ans Rednerpult drängt sorgt doch allerorten für Fremdscham.
Das er nirgends ankommt zeigen ja schon die zahlreichen Wechsel der Gruppierungen die er mal angehört hat. Bezeichnend sein letzter Platz in der Gemeinderatswahl. Dort kennt ihn ja jeder persönlich.
Die Leute mit denen er sich noch versteht, die mit ihm auf einer Wellenlänge liegen gehören zum Glück zu einer seltenen Art in Gottes großen Tiergarten.
naja die Reportage lässt den Mann meiner Meinung nach zurecht nicht in guten Licht dastehen! Werbung ist das sicherlich nicht für ihn.
Klar könnte man darüber streiten ob über "böse Menschen" berichtet werden soll, ihnen Aufmerksamkeit entgegengebracht wird.
Ich halte es für richtig über solche Auswüchse zu berichten. Soll man schweigen wenn einem solche Menschen und Organisationen in der Umgebung begegnen? Deshalb finde ich diese Reportage gut, genau wie z.B. die über Go&Change. Solche neg. Dinge sollte man nicht totschweigen sonder darüber berichten und vor den Gefahren warnen.
Sehen wir es doch also andersherum. Auf diese Weise wird die breite (stille) Mehrheit auf derlei Charaktere aufmerksam und kann sich zumindest einmal Gedanken darüber machen, anstatt diese verirrten Geister gänzlich unbehelligt ihr Unwesen treiben können.