Namen wie "Combat 18", "Blood & Honour" oder "Der Dritte Weg" finden sich seit Jahren wie selbstverständlich unter dem Kapitel "Rechtsextremismus" im Bayerischen Verfassungsschutzbericht. Im gerade vorgelegten Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV) für 2021 taucht nun ein neuer Name auf: Es ist das "Kollektiv Zukunft Schaffen - Heimat Schützen", kurz KZSHS, das nach eigenen Angaben seit März 2021 besteht.
Die Verfassungsschützer verorten die Gruppierung in Nordbayern. Recherchen dieser Redaktion legen die Vermutung nahe, dass der Schwerpunkt der Bewegung im Raum Ebern liegt. Auf diese geografische Eingrenzung wollte sich das BayLfV auf Nachfrage nicht einlassen und verwies auf die auch innerhalb solcher Gruppierungen zu schützenden Persönlichkeitsrechte.
Auch zur Zahl der Mitglieder oder Anhängerinnen und Anhänger des KZSHS und zu Führungspersönlichkeiten machte das Amt keine Angaben. Dies sei aus operativen Gründen aktuell nicht möglich, antwortete ein Sprecher des Hauses.
Ein Fall von "subkulturellem Rechtsextremismus"
Im Bericht der Verfassungsschützer ist im Zusammenhang mit dem KZSHS von einer "dem subkulturellen Rechtsextremismus zuzurechnenden Gruppierung" die Rede. Subkulturell bedeutet, dass es den Mitgliedern zuvorderst um einen gemeinsamen Lebensstil (Musik, Kleidung) und um gemeinsame Erlebnisse (Freizeitaktivitäten) geht, während die Ideologie eher eine untergeordnete Rolle spielt. Nichts desto trotz unterstellt der am Montag von Innenminister Herrmann (CSU) präsentierte Bericht dem Kollektiv eine "ideologische Nähe zum Neonazismus".
In den Fokus der Nachrichtendienste waren die selbsternannten Zukunftsschaffer und Heimatschützer spätestens geraten, als sie Ende des letzten Jahres 2021 in sozialen Netzwerken zu Protestveranstaltungen gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen in Ebern aufriefen und ihre Teilnahme an diesen sowie weiteren Kundgebungen in Franken, aber auch Thüringen, auf den gleichen Kanälen feierten. Dadurch wurden auch die Medien auf die Gruppierung aufmerksam. Laut BayLfV will das KZSHS solche Aktionen für seine Zwecke instrumentalisieren: Es gehe darum, sich selbst und die eigene verfassungsfeindliche Ideologie "als Teil eines demokratischen Protestgeschehens darzustellen."
Der Verfassungsschutzbericht unterscheidet zwischen "realweltlichen" und "virtuellen" Aktivitäten des Kollektivs. In die erste Kategorie falle beispielsweise die Durchführung von gemeinsamen Wanderungen und anderen szenetypischen Freizeitgestaltungen – aber auch die Teilnahme an "dezidiert politischen Veranstaltungen". Ein Beispiel sei hier die Demonstrationsteilnahme am "nationalen Arbeiterkampftag" der rechtsextremistischen Gruppierung "Neue Stärke Erfurt" am 1. Mai 2021.
Verfassungsfeindliche Agitation vor allem über Telegram
Was die virtuelle Welt betrifft, sprich das Internet, so werfen die Verfassungsschützer dem KZSHS vor allem verfassungsfeindliche Agitation über den Messenger-Dienst Telegram vor. Als Beispiel nennt der Verfassungsschutzbericht einen Post vom 27. Juli, in dem die Gruppe ein "ethnisch-biologistisches Volksverständnis" propagiert habe. Hier heißt es unter anderem, weiterhin nachlesbar für jede Nutzerin und jeden Nutzer von Telegram: "Im Bereich der Biologie führt Vermischung zu Degeneration beziehungsweise Entartung und damit zum Abstieg einer Art", später ist von "unnatürlicher Überfremdung" die Rede – Aussagen, die die Verfassungsschützer als unvereinbar mit der Menschenwürde-Garantie des Grundgesetzes halten.
Ferner verbreite das Kollektiv über Telegram Beiträge anderer rechtsextremistischer Gruppierungen, etwa Aufrufe der NPD, sich der Partei anzuschließen, vermerken Innenministerium und Verfassungsschutzbehörde.
Gerade wegen dieser "mitunter am historischen Nationalsozialismus orientierten Ideologie" und der nachdrücklichen Unterstützung anderer rechtsextremistischer Organisationen wie der neonazistischen Kleinstpartei "Der Dritte Weg" richte sich das Kollektiv Zukunft Schaffen - Heimat schützen "auch gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip", schreibt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage der Redaktion.
Ideologie "wird grundsätzlich als gewaltorientiert bewertet"
Und welche Gefahr geht nach Meinung der Experten vom KZSHS aus? Die vom Kollektiv verbreitete Ideologie "wird grundsätzlich als gewaltorientiert bewertet", heißt es aus München. Auch wenn durch eine Gruppierung selbst keine Gewaltaufrufe erfolge, "kann die von ihr verbreitete Ideologie dennoch Einzelpersonen soweit radikalisieren, dass diese zur Begehung von Gewalttaten bereit sind."
An diese Einschätzung der Verfassungsschutz-Behörde mag denken, wer einen Post vom 29. Juli 2021 liest. Unter dem Schwarz-Weiß-Bild einer historischen Figur steht das Zitat: "Wir streiten nicht mit denen, die mit uns nicht einverstanden sind, wir zerstören sie!" Und darunter ist zu lesen: "Alles Gute zum Geburtstag, Mussolini".