Es ist der 20. April 2022. Am Abend dieses Tages postet die rechtsextreme Gruppierung mit dem Namen "Kollektiv Zukunft schaffen - Heimat schützen", kurz: KZSHS, ein Foto von Adolf Hitler auf Telegram. Hitler trägt Uniform und eine Hakenkreuzbinde; eine Hand stemmt er in die Hüfte, mit der anderen greift er den Gürtel; der Blick schweift in die Ferne. Es ist der Geburtstag des Massenmörders, dem KZSHS mit diesem Bild huldigt.
Vier Monate zuvor, ein Abend im Advent 2021. Mitglieder von KZSHS ziehen das erste Mal durch die Straßen von Ebern im Landkreis Haßberge. Sie sind nicht alleine. Gut 500 Menschen folgen ihnen. Die Teilnehmenden protestieren gegen die Pandemie-Politik der Bundesregierung, unangemeldet. Die Neonazis marschieren an diesem Abend vorne weg. Es ist der 22. Dezember 2021.
Einen Tag vor der Demo hatte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) Alarm geschlagen. Die Behörde warnte davor, dass "eine dem subkulturellen Rechtsextremismus zuzurechnende Gruppierung aus dem Raum Nordbayern" auf dem Kurznachrichtendienst Telegram für die illegale Demonstration in Ebern werbe. Gemeint war KZSHS.
Aber warum gerade Ebern, eine Kleinstadt mit rund 7200 Einwohnerinnen und Einwohnern? Hat das Kollektiv hier seine Wurzeln? Und wer steckt hinter dem Propagandakanal auf Telegram? Antworten liefert der Verfassungsschutz bis heute nicht. Diese Redaktion hat sich deshalb selbst auf Spurensuche begeben. Dabei wird deutlich, wie radikal die Gesinnung der rechten Gruppierung tatsächlich ist – und welche Ziele sie verfolgt.
Wer steckt hinter der Gruppierung? Woher kommen ihre wichtigen Akteure?
Im Zuge der Recherche hat diese Redaktion alle Bilder ausgewertet, die seit der Gründung der Gruppe am 22. März 2021 auf deren Telegram-Kanal veröffentlicht wurden. Drei Männer treten auf den Fotos immer wieder in Erscheinung.
Sowohl die Namen dieser Personen als auch die veröffentlichten Fotos liegen dieser Redaktion vor. Den Recherchen zufolge sind die drei Männer die mutmaßlichen Hauptakteure des Kollektivs aus dem Raum Ebern, schon auf dem Gründungsfoto auf Telegram waren sie dabei. Der erste Mann lebt in der Gemeinde Pfarrweisach im nordöstlichen Teil des Landkreises Haßberge. Dort kandidierte er vor wenigen Jahren bei den Wahlen zum Gemeinderat für die Unabhängige Liste Bürgerblock (ULB) - allerdings erfolglos.
Ein Mitglied des Kollektivs ist Teil einer als rechtsextrem eingestuften Band
Das zweite Mitglied lebt in der Stadt Ebern. Seine Spuren lassen sich bis nach Coburg in Oberfranken zurückverfolgen, wo es früher in führender Funktion bei den Pfadfindern aktiv war. Die dritte Person stammt mutmaßlich aus dem Landkreis Bamberg. Sicher ist, dass sie Teil der als rechtsextrem eingestuften Band "Sleipnir" ist. Der Mann filmt und fotografiert für das Kollektiv auf Demonstrationen.
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass weitere Akteure, die nicht aus der Region Haßberge stammen, Teil des harten Kerns sind. Auf dem Telegram-Kanal folgen dem Kollektiv etwas mehr als 1000 Personen, deutlich weniger Anhängerinnen und Anhänger sind es auf Instagram. Wie groß die Zahl der aktiven Mitglieder ist, lässt sich nicht abschätzen.
Die Auswertung der Bilder zeigt jedoch, wo die Gruppierung agiert: hauptsächlich in Unter- und Oberfranken. Vor allem im Zuge der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen waren Mitglieder auf Protestmärschen in Ebern, Haßfurt, Bamberg, Lichtenfels, Breitengüßbach, Schweinfurt und Coburg vertreten.
Wie vernetzt ist das Kollektiv in der rechtsextremen Welt?
Die Recherchen dieser Redaktion zeigen auch: KZSHS ist vernetzt in der rechtsextremen Welt. Ein enges Band gibt es zur bereits genannten Band "Sleipnir". Das musikalische Schwergewicht der Szene trat in der Vergangenheit unter anderem beim ostsächsischen Neonazi-Festival "Schild und Schwert" auf und soll regelmäßig auf Veranstaltungen der NPD spielen. Auch dem Verfassungsschutz ist diese Band bekannt.
Genauso wie die rechtsextreme Kleinstpartei "Neue Stärke" aus Erfurt, Thüringen. Dort liefen Akteure des Kollektivs schon am 1. Mai 2021 bei einer Demonstration mit - wie auch in diesem Jahr. Diesmal stand das in der Pfarrweisacher Lokalpolitik erfolglose Mitglied gar auf der Bühne bei der Abschlusskundgebung: "Das bestehende System wird zerbrechen, und es muss zerbrechen!", prophezeite der Mann lauthals in seiner Rede.
Auch die Nähe zum "Dritten Weg", besonders stark in Bamberg vertreten, ist offenkundig: Immer wieder teilt das KZSHS Inhalte der rechtsextremen Partei auf dem eigenen Telegram-Kanal, etwa Wahlwerbung im Zuge der letzten Bundestagswahl. In Ebern marschierten Mitglieder beider Gruppierungen mehrfach Seite an Seite. Grundsätzlich dient Telegram der Szene massiv als Instrument der Vernetzung.
Wie radikal tritt die Gruppierung auf Telegram auf?
Wenige Minuten, nachdem KZSHS am 20. April das Bild Hitlers zu dessen Ehren veröffentlicht hatte, verdeckte ein grauer Zensurbalken die Augenpartie und das Symbol des NS-Terrors. Nicht ohne Grund. Gerichtsurteile zeigen: Die Veröffentlichung eines Bildes von Adolf Hitler in den Sozialen Netzwerken kann eine Verurteilung wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zur Folge haben. Zu diesem Schluss kam etwa das Landgericht Osnabrück im Januar 2021.
Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke ist insbesondere in den Bereichen des Medien- und Internetrechts tätig und erklärt in seinem Blog: Abbildungen von Adolf Hitler zu veröffentlichen, sei strafbar, wenn er "ikonenhaft dargestellt wird, wenn auf dem Bild weitere verfassungswidrige Symbole zu sehen sind, etwa die Hakenkreuz-Armbinde oder der Hitlergruß, oder wenn das Bild entsprechend kommentiert wird".
Es bleibt aber nicht nur bei der Verehrung des "Führers". Auch Italiens einstigem faschistischen Diktator Benito Mussolini wird gehuldigt. So trägt ein Foto auf dem Kanal von KZSHS die unmissverständlichen Zeilen: "Wir streiten nicht mit denen, die mit uns nicht einverstanden sind, wir zerstören sie!" Und darunter ist zu lesen: "Alles Gute zum Geburtstag, Mussolini". Die Liste der Verehrungen, sie ließe sich noch lange fortsetzen.
Neben all dem Hass gibt es auch vermeintlich harmloses Kontrastprogramm
In der rechten Szene ist die Verklärung von Idolen ein bewährtes Mittel zur Mobilisierung von Anhängern. Wie auch die Identifizierung eines gemeinsamen Feindes. Den sehen die Mitglieder des Kollektivs ganz offensichtlich im aktuellen Zeitgeist. Sie prophezeien einen vermeintlichen "Völkermord an der weißen Weltbevölkerung" und teilen Beiträge, die den "Untergang [...] einer Rasse" durch "Vermischung" propagieren. Auch die Opfer der Messerattacke von Würzburg instrumentalisiert die Gruppe für ihre rechte Ideologie. In ihren Augen zeigt sich in dieser Tat eines Einzelnen das kollektive Scheitern der gesamten Migrationspolitik.
Neben all dem Hass das vermeintlich harmlose Kontrastprogramm auf Telegram: Die propagierte Verbindung zur Natur - mit Fotos von Wanderungen, von Zeltlagern, gemeinsamen Unternehmungen. Bilder von blühenden Wiesen, betitelt mit dem Begriff "Heimatboden", von deutschen Denkmälern und Burgruinen. Die Verehrung germanischer Sagen und Mythen, das Heraufbeschwören alles Völkischen – das zählt zum inhaltlichen Kernangebot des Kollektivs. Statt des Blickes in die Zukunft – wie der Name der Gruppe eigentlich proklamiert – ist hier die Verehrung der nationalsozialistischen Vergangenheit Programm.
Welche Strategie verfolgt KZSHS durch die Unterwanderung der Corona-Proteste?
Auf Telegram verlinkt das Kollektiv immer wieder auf einen Kanal mit dem Namen "Invictusveritasmedia". Übersetzt bedeutet das so viel wie "unbesiegbare Wahrheit". Der Blog tritt vor allem als Austauschplattform für rechtsextremes Gedankengut in Erscheinung.
Am 16. Juli 2021 – rund ein halbes Jahr vor Beginn der Straßenproteste in Ebern – verfasst dort eine Person einen Eintrag über "die Defizite der patriotischen Bewegung". Der Autor, selbsternanntes Mitglied des rechtsextremen Kollektivs, spricht hier ganz offen über die Strategie im Umgang mit der pandemiebedingten Unzufriedenheit: "Auch Corona lässt viele Menschen aufwachen, nur müsste man sie abholen, an dem Punkt, wo sie stehen. Das gelingt dem nationalen Lager leider noch nicht so gut, finde ich, da ist so viel Potenzial unter den 'Querdenkern'." Rechtsextreme, das bestätigt dieser Auszug, versuchten damals gezielt, die Corona-Proteste zu unterwandern - und so ihre Ideologie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.
In dem Blog-Eintrag schreibt der Verfasser außerdem: "Bei uns regional versuchen wir, vom 'Kollektiv Zukunft schaffen Heimat schützen', das jetzt umzusetzen, haben aber auch noch nicht für Alles eine Lösung. [...] Uns gibt es allerdings noch nicht so lange und wir stecken noch in den Kinderschuhen, aber wir geben unser Bestes." Um seine Ziele zu erreichen, scheint das Kollektiv bereit, zum Äußersten zu gehen. Auch das legt der Text nahe: "Auf jeden Fall hoffe ich, daß [sic!] sich eine Front bildet, fern von all dem jetzigen Zeitgeist, für unser Land und unser Volk. In diesem Sinne: und sollten wir auch sterben, Deutschland muss leben!"
Wie schätzen die Sicherheitsbehörden die Lage ein?
Trotz solcher Aussagen sehen die Sicherheitsbehörden das Kollektiv vor allem als rechtsnationale Propagandagruppe, wie es aus unterfränkischen Ermittlerkreisen heißt. Dass der Staat in diesem Wirken dennoch eine deutliche Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung erkennt, zeigt die zuletzt ausführliche Erwähnung im Bericht des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz.
"Durch die Instrumentalisierung des Veranstaltungsgeschehens versucht KZSHS sich selbst und damit auch ihre verfassungsfeindliche Ideologie als Teil eines demokratischen Protestgeschehens darzustellen", heißt es im Verfassungsschutzbericht, bezogen auf die Corona-Proteste im vergangenen Jahr.
Doch nicht nur in der realen Welt, sondern auch im digitalen Raum, stuft die Behörde das Wirken des Kollektivs als "verfassungsfeindliche Agitation" ein. Laut eines Beitrags des Kollektivs vom 27. Juli 2021, der im Bericht erwähnt wird, würde "Migration zwangsläufig zu einer 'unnatürliche[n] Überfremdung von Völkern' führen."
Dass sich an der politischen Einstellung des Kollektivs seitdem nichts geändert hat, zeigen die jüngsten Posts auf Telegram: Im Zusammenhang mit dem Zensus 2022 ist von einem "zionistischen System der Bundesrepublik" die Rede - und es wird gegen Migranten gehetzt. In der digitalen Welt geht die Propaganda ungebremst weiter.
Das Ganze nennt sich dann ländlich-konservativ und traditionell.
Da ist der Schritt hin zum Rechtsradikalismus nur noch so klein, dass die Grenzen zwischen den Denkweisen oftmals gar nicht mehr auszumachen sind.
Und die jungen Leute habens ja nicht erfunden, sondern äffen lediglich nach, wie es die Alten schon immer gehalten haben.
Diese Analyse ist unbequem, aber so erlebe ich es andauernd in den abgehängten Gegenden Bayerns nördlich des Mains.
Stimmt schon, die ewig Gestrig*innen fanden, zumindest in Bayern, bis vor einigen Jahren ihren geistigen Unterschlupf in der freistaatlichen Einheitspartei CSU.
Seitdem aber sogar diese Vereinigung ansatzweise die Zeichen der Zeit erkannt hat suchen eben manche früheren Parteimitlaufenden ihr Heil bei der AfD, oder gehen gleich ihren eigenen III. Weg.
Atomstrom bis zum Untergang?
Billigstfleisch für Alle?
Uniforme Lebensweisen?
Oder sollte solch eine Regierung lieber die Grundlagen des Klimawandels konservieren?
Wenn man im Weltbild der siebziger oder frühen achtziger Jahre verharren mag, dann kann man selbstverständlich den Wunsch nach einer "konservativeren Regierung" äußern.
Falls man die dramatischen globalen Veränderungen weltweit mitbekommen hat in den letzten dreißig Jahren, dann halte ich es für angebracht, auf lösungsorientierte Regierungen zu setzen, anstatt auf ein "Immer weiter so", bis die Erde für Alle unbewohnbar geworden ist.
Und ich hoffe, mit "konservativ" meinen Sie jetzt nicht die AfD, denn diese Partei ist unsäglich aus der Zeit gefallen und bietet für aktuelle Probleme weltweit keinerlei vernünftigen Lösungsansatz.
Aber zurück zum Thema:
Kommen Sie gern Mal in die nördlichen Haßberge.
In etlichen Gehöften weht fröhlich die schwarz-weiß rote Reichsfahne, für jeden klar und deutlich zu sehen. Wenn die Jugend irgendwas doof findet, dann ist das schwul.
Wenn sich jemand übervorteilt fühlt, dann ist der andere ein Jude, und so weiter.
Und das ist nicht nur eine Randerscheinung, sondern absolut übliches Verhalten in meiner Heimat.
Nach dem Attentat in Halle an Jom Kippur 2019 bin ich aus Solidarität mit einer Kippa aufm Kopf in meine Lieblingsbrauerei-Wirtschaft im Großraum Ebern.
Versuchen Sie s doch mal, und dann wundern Sie sich auch, welchen Anfeindungen man da plötzlich von ganz normalen Doitschen ausgesetzt ist.
Hätten wir als deutsche Gesamtgesellschaft eine gute Zukunft, wenn die von Ihnen betrauerte und vermisste Politik der CSU weiterhin verfolgt würde?
Deutschland ist bereits seit 60 Jahren in der Realität ein Einwanderungsland, aber die CSU hat bis vor kurzem noch behauptet, dass das "Boot" voll ist, dabei war schon überall sichtbar, dass wir ohne Zuwanderung unsere Arbeitsplätze nicht mehr besetzen können und unsere Volkswirtschaft und unsere wissenschaftliche Spitzenposition weltweit in Gefahr ist.
Zu spät hat die CSU für sich den Wert der Zuwanderung erkannt. Hätte sie nur mal früher den Menschen erklärt, wie die Situation wirklich ist, dann wären vermutlich auch viele Menschen weniger anfällig für die Parolen der rechten Rattenfänger.
Insofern hat die CSU eine deutliche Mitschuld am Aufkommen der braunen Parteien, aber anders als sie definieren. Denn an der Öffnung unseres Landes für weitere (und gesteuerte) Zuwanderung führt kein Weg vorbei.
Nur weil man über die Zukunft nachdenkt äfft man doch noch lange niemanden nach. Und ich kenne auch viel junge Menschen, die gerade weil sie die Welt, wie sie noch ist, bewahren wollen, sich Umweltbewegungen angeschlossen haben. Da sind in meinem Bekanntenkreis junge Menschen, die bereit sind sich ökologisch zu engagieren, die bewusst sich im Konsumverhalten einschränken und ganz bestimmt nicht rechten Rattenfängern nach laufen. Wer wirklich konservativ ist, der findet am rechten politischen Spektrum eben aktuell keine Partei, die bewahren will.