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Würzburg
Hetze im Würzburger Faschingszug: Rechte Störer verurteilt
Angehörige einer rechtsextremen Partei haben 2017 mit einer volksverhetzenden Aktion den Würzburger Faschingszug gekapert. Im Berufungsprozess wurde das Urteil bestätigt.
Vier Personen aus dem Umfeld der rechtsextremen Partei 'Der Dritte Weg' wird vorgeworfen, sich 2017 mit einer volksverhetzenden Aktion in den Würzburger Faschingszug eingeschlichen zu haben.
Foto: Thomas Obermeier | Vier Personen aus dem Umfeld der rechtsextremen Partei "Der Dritte Weg" wird vorgeworfen, sich 2017 mit einer volksverhetzenden Aktion in den Würzburger Faschingszug eingeschlichen zu haben.
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 09.02.2024 02:03 Uhr

Aufrechter Gang, geschäftige Miene, lederne Aktenordner – die vier wegen Volksverhetzung Angeklagten im Landgericht Würzburg geben sich zu Verhandlungsbeginn seriös. Dokumente rascheln, raunend wird mit Schulterklopfen ein Kugelschreiber unter den Beschuldigten weitergereicht.

Die drei Männer und eine Frau aus Arnstein (Lkr. Main-Spessart), Schweinfurt und dem Bamberger Raum sollen sich 2017 mit geschwärzten Gesichtern und fremdenfeindlichen Parolen unter den Würzburger Faschingszug gemischt haben, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Mit Ausrufen wie "Syria, Syria", "Ficki Ficki" und "Wir wissen es genau, abschieben wird uns keine Sau" sollte demnach der Eindruck erweckt werden, syrische Flüchtlinge kämen nur wegen Sex nach Deutschland.

Angeklagte sprechen von "satirischen Mitteln"

Man habe nur mit satirischen Mitteln auf politische Misstände aufmerksam machen wollen, sagen hingegen die Angeklagten, die bereits 2019 vom Würzburger Amtsgericht zu Geldstrafen verurteilt worden waren.

Sowohl der Staatsanwaltschaft als auch der Verteidigung erschien die bisherige Strafe nicht angemessen, beide Seiten waren in Berufung gegangen. Die Staatsanwaltschaft, weil sie eine höhere Strafe als die ursprüngliche (zwischen 2200 und 8400 Euro) forderte. Und die Angeklagten, "weil der Tatbestand in keiner Art und Weise erfüllt ist", so ihr Strafverteidiger. Nur ein Freispruch sei demnach angemessen.

Die Beteiligung an der Aktion leugnen die Beschuldigten nicht. "Ich gestehe ein, dass ich dabei war", räumte einer der Beschuldigten – Jahrgang 1992, Lagerlogistiker, modischer blonder Haarschnitt und Oberlippenbart – ein. Volksverhetzung habe man aber nicht im Sinne gehabt, alle Handlungen und die identische Kleidung und Schminke der Beteiligten hätten sich zufällig ergeben. Auch sei man nicht - wie vorgeworfen - gemeinsam an der rechtsextremen Partei "Der Dritte Weg" beteiligt.

Gemeinsames Gruppenfoto auf rechter Internetseite

Ob das gemeinsame Gruppenfoto, das anschließend auf der Internetseite von "Der Dritte Weg" veröffentlicht wurde, auch zufällig entstanden sei, will die Richterin vom Lagerlogistiker wissen. Der lacht verlegen, schnaubt, ringt angesichts der eindeutigen Beweislage nach Worten.

Wie Zeugen der Bamberger Polizei und Staatsanwaltschaft angeben, könne aufgrund von ausgewerteten E-Mails und Textnachrichten definitiv von einer Absprache ausgegangen werden. Man habe sich schriftlich etwa über passende Kleidung ausgetauscht. Auch seien die Beschuldigten zweifelsfrei der Partei "Der Dritte Weg" zuzuordnen, dies ginge aus vergangenen und aktuellen Beobachtungen hervor.

Die Angeklagten versuchen in ihren Ausführungen einen Zusammenhang der jeweiligen fremdenfeindlichen Äußerungen zu widerlegen. Die Ausrufe "Syria, Syria" und "Ficki, Ficki" seien unabhängig voneinander getätigt worden und deswegen nicht tauglich, syrische Asylbewerber pauschal zu diffamieren.

Richterin: Keine spontane Aktion

Kurze Pause, das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Die Stimmung der Angeklagten scheint gelöst, sie scherzen. Einer – 1959 geboren, Zimmermeister, kurz geschorene Haare, grauer Backenbart – zieht den Lagerlogistiker mit seinem englisch klingenden Nachnamen auf: "Beim Englischen weiß man immer nicht, wie es ausgesprochen wird. Das ist ja eine Affensprache."

Die Richterin beschränkt sich auf eine kurze Urteilsverkündung. Die Beschuldigten hätten sich nachweisbar verabredet und dann gezielt eine günstige Gelegenheit für ihren Auftritt gesucht, so ihre Einschätzung. "Kein Mensch wird glauben, dass es sich hierbei um eine spontane Aktion gehandelt haben sollte."

Es bleibe deswegen beim ursprünglichen Schuldspruch wegen gemeinschaftlicher Volksverhetzung. Die verhängten Geldstrafen hingegen wurden modifiziert. Zwischen 3850 und 7700 Euro müssen die Angeklagten nun bezahlen. Gegen das Urteil sind Rechtsmittel möglich.

 
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  • kej0018@aol.com
    Anscheinend hat der Zimmerer im Deutschunterricht nicht aufgepasst, denn sonst würde er wohl wissen, daß es für "immer nicht" ein kurzes Wort in der deutschen Sprache gibt, nämlich NIE. Wahrscheinlich hat er in Geschichte auch gepennt... Vielleicht kann ihm in drei oder vier Jahren mal ein aufgeweckter junger Syrer, der inzwischen in der deutschen Schule was gelernt hat, Nachhilfeunterricht geben?
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