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Würzburg
Strohpuppen-Aktion nicht strafbar: Keine Anklage nach III.-Weg-Demo in Würzburg
Die Inszenierung der rechtsextremen Partei werteten viele Beobachter aus ganz Deutschland als Gewaltaufruf gegen Politiker. Warum die Staatsanwaltschaft Würzburg das anders sieht.
Unter dem Protest zahlreicher Gegendemonstranten hielt die Partei 'Der III. Weg' am 18. September 2021 am Würzburger Barbarossaplatz eine Kundgebung ab.
Foto: Fabian Gebert | Unter dem Protest zahlreicher Gegendemonstranten hielt die Partei "Der III. Weg" am 18. September 2021 am Würzburger Barbarossaplatz eine Kundgebung ab.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 15.02.2024 21:07 Uhr

Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat die Ermittlungen gegen Funktionäre der rechtsextremen Splitterpartei "Der III. Weg" wegen einer Inszenierung bei der Demo am 18. September 2021 in Würzburg eingestellt. "Eine pietätlose und geschmacklose  Darstellung stellt nicht in jedem Falle auch eine strafbare Handlung dar", heißt es in einer Mitteilung der Justizbehörde.

Rund 20 Aktivisten der Neonazi-Partei, die laut Verfassungsschutz bundesweit rund 700 Mitglieder und Sympathisanten zählt, hatten am Würzburger Barbarossaplatz, dem Tatort der Messerattacke vom 25. Juni 2021, drei mit Kunstblut beschmierte Puppen, die Leichen symbolisierten, auf die Straße gelegt. Weil sie dahinter Fotos der drei Kanzlerkandidaten drapierten, werteten viele Beobachter dies als eine Aufforderung zum Mord an Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz. Auf einem weiteren Transparent stand zu lesen: "Reserviert für Volksverräter".

Heftig kritisiert wurde danach, dass Staatsanwaltschaft und Polizei vor Ort nicht gegen die Inszenierung eingeschritten waren. In der politischen Debatte wurde die Forderung nach einem Verbot der Kleinstpartei laut, allen voran bei den Grünen. Im Wahlkampf-Endspurt thematisierte auch CDU/CSU-Kanzlerkandidat Armin Laschet die Würzburger Aktion: "Das ist nicht akzeptabel. Da müssen wir als Demokraten zusammenstehen", sagte er bei einer Kundgebung in Fulda.

Mehrere Strafanzeigen nach der Berichterstattung

Erst nachdem im Zuge der Berichterstattung mehrere Strafanzeigen eingegangen waren, ermittelte die Staatsanwaltschaft Würzburg unter anderem wegen öffentlicher Aufforderung und Androhung von Straftaten, Gewaltdarstellung und Volksverhetzung. Nach fünf Monaten steht für die Ermittler gleichwohl fest: "Straftatbestände sind durch die pietätlose Inszenierung unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit noch nicht verwirklicht."

Entscheidend für diese Einschätzung sei, "dass bei mehreren möglichen Deutungsvarianten alle nicht strafbaren Deutungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden müssen", schreiben die Ermittler. Im aktuellen Fall sei das nicht möglich. Die Partei habe angegeben, mit den abgelegten Strohpuppen darauf hinweisen zu wollen, "dass ihrer Meinung nach die politischen Entscheidungsträger ihrer Verantwortung im Umgang mit straffällig gewordenen Ausländern, dem Schutz der (inländischen) Bevölkerung, dem Asylrecht und der Einwanderung nicht gerecht werden würden". Diese Deutungsvariante habe nicht ausgeschlossen werden können.

Rassistische Botschaft nicht eindeutig zu erkennen

Daran, so heißt es weiter, ändere auch die Berücksichtigung des Transparents "Reserviert für Volksverräter" nichts. "Allein die Verwendung eines Begriffs, der auch während der Herrschaft des Nationalsozialismus Verwendung fand, begründet noch keine Strafbarkeit", sagt die Staatsanwaltschaft.

Auch eine "rassistische Botschaft dergestalt, dass Asylbewerber und Migranten grundsätzlich zu Gewalttaten wie der vom 25. Juni 2021 neigen würden", könne der Inszenierung nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden, auch wenn die Vermutung für einen neutralen Betrachter nicht fernliege, "dass es der Partei gerade auf eine solche Botschaft ankam".

 
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  • Martin.Heberlein@gmx.de
    Muss ich vielleicht erläutern: "Formales Recht": Buchstaben, Wortlaut der Gesetze.
    "Materielles Recht": Der Sinn der Gesetze, das eigentlich Gemeinte.
    Hab ich zumindest mal gelernt, dass das immer berücksichtigt werden müsste. Ist natürlich billig und bequem, sich einfach nur auf das Formale zu beziehen. Aber so eine Justiz wird ihrer Verantwortung nicht gerecht.
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  • Martin.Heberlein@gmx.de
    Das erinnert in der Tat fatal an die Justiz in der Weimarer Republik: Die Nazis (und der III. Weg ist eine Nazi-Partei, das sollten auch die Würzburger Staatsanwälte mitgekriegt haben) kann die kriminellsten Aufforderungen ablassen. Er muss nur EIN Wörtchen einbauen, dass man das auch anders interpretieren KÖNNTE. Schon ist es nicht strafbar.
    Wo haben die eigentlich Jura studiert, dass sie nicht gelernt haben, dass es neben dem formalen Recht auch ein materielles gibt? Ich befürchte, in Würzburg.
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  • 2ostsee
    Warum wundert mich diese Entscheidung der Würzburger Justiz nicht?
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  • Winfriedvath@web.de
    "Reserviert für Volksvertreter" Hat da die Autokorrektur zugeschlagen? Volksverräter stand wahrscheinlich auf dem Plakat.
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  • ralf.zimmermann@mainpost.de
    Vielen Dank für den Hinweis, auf dem Plakat stand in der Tat "Volksverräter". Wir haben den Fehler im Text korrigiert.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
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  • flyarcus@gmx.de
    ich verabscheue diese Tat der rechten Vollpfosten, aber allerdings war das die einzige Aktion, die auf das abscheuliche Massaker aufmerksam gemacht hat...ansonsten wird das ganze nur totgeschwiegen und bei vereinzelten Artikeln in der Mainpost die Kommentarfunktion ausgesetzt, warum denn? Bei der Tat von Hanau sieht sowas ganz anders aus....
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  • peterlesbub
    Gerichte urteilen im Namen des Volkes, leider aber nicht in meinem.
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  • Albatros
    @heinrich....., wenn die Justiz in Deutschland auf einem Auge erblindet ist, dann wohl auf der linken Seite. Wäre die gleiche Aktion von der ANTIFA veranstaltet worden, dann wäre es natürlich nicht als strafbar zu erachten, gell Herr Heinrich...... Wenn der Staat nicht in der Lage ist eine rechtsradikale Partei wie den III. Weg zu verbieten, dann zeigt das die Hilflosigkeit unseres Rechtssystems.
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  • e.max.s@t-online.de
    Wie ist es denn überhaupt möglich dass eine eindeutig verfassungswidrige Gruppierung eine Partei gründen kann?
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  • peterlesbub
    Nach der Gründungssatzung sind die bestimmt alle ganz harmlos und wollen sich an der politischen Willensbildung beteiligen.
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  • e.max.s@t-online.de
    Wenn die Linken ähnliche Aktionen machen würden, würden sie niedergemacht von den Ordnungskräften.
    Und wenn Rechte Aufmärsche veranstalten und Linke dagegen demonstrieren, werden die Rechten immer von den Ordnungskräften beschützt, aber die Linken niedergeknüppelt.
    Das ist mein subjektives Empfinden und hat natürlich keine allgemeine Gültigkeit.
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  • th.faust@gmx.de
    Sie spucken nicht nur den Opfern des NSU ins Gesicht. Und zwar mit Anlauf. Widerlich.
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  • robert.erhard@gmx.de
    Eine unvorstellbare und skandalöse Entscheidung.
    Man kann mit Recht sagen, dass die Gerichtsbarkeit die Gesetze und Rechte gelegentlich so auslegt wie es wohl dem einen oder anderen gefällt!
    Sorry! Aber der Schutz eines Menschen und die Würde, die unantastbar sein sollte, ist weniger wert als die Verunglimpfung und die Verletzung von Menschen!
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  • Erding
    Sorry, aber über die Staatsanwaltsschaft unbegründet herzufallen ist nicht okay. Der Staat und die Gesellschaft muss halt einiges aushalten. Mit Fug und Recht! Demonstranten kleben sich mit Sekundenkleber auf der Fahrbahn fest und blockieren somit in der Hauptberufszeit den gesamten Verkehr so wie heute. Und das nur wegen ein paar weggeworfene Lebensmittel. Wer soll denn die Ausgabe und Weitergabe kontrollieren. Wo werden diese dann hingeworfen? Viele andere Beispiele brauchen nicht erwähnt zu werden. Viel Lärm um -fast -nichts! Und dann immer diese Empörung. Brauchen wir denn wirklich diese "Gedenkstätten". Es gäbe genug stillere und denkwürdige Stellen und andere Orte bzw. Plätze. Vieles ist wie Kunstwerke, mit einem "Haltbarkeitsdatum" versehen. Alles hat seine Zeit. Auch und gerade das Vergessen! Dies "künstlich" in Erinnerung rufen, machen doch immer nur die selben. Die Empörungen sind in meinen Augen dann "gekünstelt".
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  • dbuettner0815@gmail.com
    Erding, Sie vergleichen da aber schon Äpfel mit Birnen!
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  • juestel.heinrich@gmail.com
    Die Justiz ist nach wie vor auf dem rechten Auge blind.
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  • rathauseule
    Justitia, lieber Herr Jüstel, hat die Augen verbunden. Insofern ist es völlig egal, auf welchem Auge sie blind ist. Sie urteilt nicht nach dem äußeren Anschein. Es geht in der Tiefe um Gerechtigkeit und das Vermeiden von zweierlei Maß. Wenn Stalking, privates Observieren und Erpressen von lebenden Menschen möglich ist, dann sollte man doch auch bei ein paar Strohpuppen beide Augen zudrücken.
    https://taz.de/Politische-Kunstaktion-gegen-Bjoern-Hoecke/!5462693/
    Oder besitzt die Bestie "Faschist" keine Menschenrechte? Man möge sich auch daran erinnern, wie viele Hexen im Mittelalter verbrannt wurden, die gar keine waren. Vermeintliche Antifaschisten beschimpfen vermeintliche Faschisten als "Faschisten", und vermeintliche Faschisten beschimpfen vermeintliche Antifaschisten ebenfalls als "Faschisten". Wie tief soll das Diskursniveau noch sinken.
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  • rosenkavalier
    Nun, Rathauseule, Sie sind ja ein besonders schlaues Exemplar! Was die Leute vom sogenannten "Dritten Weg" da sagen wollten, haben wir alle verstanden. Wenn dieses Schauspiel von der Staatsanwaltschaft als nicht strafbar angesehen wird, so mag das eine zulässige Betrachtungsweise sein. Da ist mit Sicherheit auch viel "Augenzudrücken" dabei. (ich bin kein Jurist, das sollen andere beurteilen, die mehr davon verstehen)
    Wer sich ein wenig darum kümmert, weiss, dass diese Leute vom "Dritten Weg" ein ganz übler Nazihaufen ist, die rumstänkern und unsere Demokratie in den Dreck ziehen, wo sie können. Jeder Demokrat, dem unsere freie Gesellschaft etwas wert ist, muss mithelfen diesen Leuten zu zeigen, dass sie and hier in Würzburg niemand haben will (selbstverständlich gewaltfrei) . Das können wir den Staatsanwälten nicht alleine überlassen.
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  • wstu
    An der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft Würzburg zweifle ich schon länger !
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  • dbuettner0815@gmail.com
    Wie "blind" unsere "Rechtssprecher" oft sind!!!
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