Wie lässt sich der Strombedarf Unterfrankens in Zukunft decken? Braucht es dafür einen Ausbau der Netze? Oder muss die dezentrale Energieerzeugung vor Ort forciert werden? In der Region polarisiert das Thema seit Jahren – besonders mit Blick auf die beiden großen Leitungsvorhaben SuedLink und P43. Wie weit ist der Stand der Planung? Und mit Blick auf die Bundestagswahl: Was wollen die Parteien, wenn es um den Netzausbau geht?
Der SuedLink, der über rund 700 Kilometer vom Norden in den Süden Deutschlands führen soll, befindet sich aktuell im Planfeststellungsverfahren. Der grobe Weg der Trasse steht fest, auch durch Unterfranken. Die Bundesnetzagentur hat dafür einen 1000 Meter breiten Korridor festgelegt. Jetzt geht es um die Frage, wo genau in diesem Streifen die Kabel verlegt werden. Einen Vorschlag haben die Netzbetreiber bei der Bundesnetzagentur eingereicht. Dieser 100-Meter-Streifen sei ein "erster Entwurf", sagt TransnetBW-Sprecher David Moser. Er werde nun durch Untersuchungen weiter konkretisiert.
Im Juni und Juli haben dazu in der Region mehrere sogenannte Eigentümerdialoge stattgefunden, Diskussionsrunden mit Bürgern und Grundstücksbesitzern. Die Hinweise, die dort aufgenommen wurden, werden laut TransnetBW "wo möglich in den weiteren Planungen berücksichtigt".
Kritik an Eigentümerdialogen in der Region
Zufrieden sind die hiesigen Bürgerinitiativen (BI) gegen SuedLink damit nicht. Die Veranstaltungen seien "enttäuschend" gewesen, kritisiert Hildegard Beyfuß, Vorsitzende der BI "A7 Stromtrasse Nein" aus Wasserlosen (Lkr. Schweinfurt). Echter Austausch sei kaum möglich gewesen. Und klare Auskünfte - beispielsweise zu Veränderungen der Bodenstruktur, Auswirkungen der Wärmeentwicklung auf die Böden oder zu Flächenversiegelung - habe es nicht gegeben, sagt Beyfuß. Aus Protest hätten deshalb zahlreiche Eigentümer entlang der Trassen Betretungsverbote für ihre Flächen ausgesprochen. "Wir wollen SuedLink und P43 verhindern", sagt die BI-Vorsitzende. Der geplante Netzausbau sei "überdimensioniert", die Energiewende könne nur dezentral gelingen.
Ähnlich sieht das Matthias Göbel, Sprecher der BI "Bergrheinfeld sagt Nein zu SuedLink". Für die Stromautobahn existiere nach wie vor keine Kosten-Nutzen-Analyse. Es sei also nicht sicher, ob es nicht bessere Alternativen gebe. Damit verstoße das Vorhaben gegen EU-Recht, sagt Göbel. Der Energiewende nutze der SuedLink wenig, vielmehr diene er vorrangig dem europäischen Stromhandel.
Für die Bundesnetzagentur hingegen war und ist SuedLink "eines der zentralen Projekte der Energiewende", das "Windstrom von der Nordsee bis in die süddeutschen Ballungsräume" transportieren soll. Dabei besteht die Trasse genau genommen aus zwei Leitungen, die parallel geplant, gebaut und betrieben werden. Beide starten in Schleswig-Holstein, ein Zweig läuft nach Bergrheinfeld im Landkreis Schweinfurt, der andere nach Großgartach in Baden-Württemberg.
Geplanter SuedLink-Start 2026 könnte sich verzögern
In der Region gehe es nun mit Kartierungen, Baugrunduntersuchungen und Vermessungen weiter, sagt TransnetBW-Sprecher David Moser. Ab 2026 , so ist es geplant, soll Strom durch den SuedLink fließen. Allerdings scheint fraglich, ob das gelingt. "Der Abschluss des Bundesfachplanungsverfahrens hat sich um mehr als ein Jahr verzögert", sagt Moser. Das liege unter anderem an der Prüfung alternativer Korridore – aber auch an der Corona-Pandemie. Deshalb gebe es im Netzentwicklungsplan nun zwei Varianten für die Inbetriebnahme: Eine geht weiter vom Start im Jahr 2026 aus, die andere berücksichtige "Umsetzungsrisiken" und peile 2028 an. Doch auch das bleibe "ambitioniert".
Etwa im gleichen Zeitraum soll in Unterfranken der Bau eines zweiten Leitungsvorhabens beginnen: der Fulda-Main-Leitung (P43). Sie führt von Mecklar in Hessen über Dipperz (Lkr. Fulda) und endet ebenfalls in Bergrheinfeld. Bis 2027 soll das Genehmigungsverfahren laut Cindy Schemmel, Referentin für Bürgerbeteiligung bei Tennet, abgeschlossen sein. Bauzeit danach: etwa drei bis vier Jahre.
Bundesfachplanung für P43 in Unterfranken soll im Herbst beginnen
Noch aber steckt P43 bei der Planung in den Anfängen. Im Herbst soll die Bundesfachplanung für Abschnitt B von Dipperz nach Bergrheinfeld eröffnet werden, sagt Schemmel. Der Netzbetreiber Tennet reicht dann einen Vorschlagskorridor für den Verlauf sowie Alternativen bei der Bundesnetzagentur ein. Dann könnten Bürgerinnen und Bürger sowie Vereinigungen oder Behörden Einwendungen einreichen, erklärt Schemmel. Ziel der Bundesfachplanung ist es, alle Verlaufsvorschläge zu prüfen und letztlich einen 1000 Meter breiten Korridor festzulegen - ähnlich wie beim SuedLink.
Allerdings: Auch gegen P43 gibt es massiven Protest. Ein Gutachten des emeritierten Professors für Wirtschaftswissenschaften, Lorenz Jarass, kommt beispielsweise zu dem Schluss, die Fulda-Main-Leitung sei ebenso wie SuedLink nicht erforderlich. Auch ohne die Trassen würde in Süddeutschland nicht das Licht ausgehen.
Auf Seiten der Netzbetreiber sieht man das anders. Mit der Energiewende werde mehr Stromtransport notwendig, um verbrauchsstarke Regionen zu versorgen, die selbst nicht genügend Strom aus erneuerbaren Ressourcen erzeugen könnten, sagt Tennet-Referentin Cindy Schemmel. Das Stromnetz müsse deshalb angepasst werden, da es bislang nicht über die nötigen Transportleistungen verfüge.
Bürgerinitiativen fordern neues Bundesbedarfsplan-Gesetz
Die Fulda-Main-Leitung sei seit 2014 Bestandteil des Bundesbedarfsplan-Gesetzes, sagt die Tennet-Referentin. Dieses Gesetz ist eine Art Fahrplan für den Netzausbau. Gerade erst hat es die Politik bis 2030 neu festgelegt. Für die Jahre danach gibt es ebenfalls einen ersten Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber. Demnach kommen in Unterfranken SuedLink und die Fulda-Main-Leitung. Zusätzliche "Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Maßnahmen" seien in der Region nicht vorgesehen, heißt es von TransnetBW.
Den Bürgerinitiativen reicht das nicht. "Wir fordern von der Politik die Überarbeitung des Bundesbedarfsplan-Gesetzes", sagt Hildegard Beyfuß von der BI "A7 Stromtrasse Nein". Es müssten dringend die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um vorrangig den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzubringen. "Wir erwarten, dass sich die Politiker über Konzerninteressen hinwegsetzen", bekräftigt Matthias Göbel von der Bergrheinfelder BI. Leider werde jedoch meist keine klare Position zum Netzausbau bezogen.
Sicher, da gibt es Erdbewegungen und auch den Bürgerinitiativen wird breites Medieninteressen eingeräumt. Zusammen sind das aber nur ein paar hundert Leute, die ernsthaft dagegen sind. Unterschriftengegner sind bestensfalls Sympatisanten, denen es aber wenn es hart auf hart kommt eigentlich egal ist.
Fakt ist doch, dass Deutschland gerade mit riesigem Mehrbedarf an Strom für Elektroautos mit den paar Windrädern und Photovoltaikanlagen nicht einmal ansatzweise den benötigten Strom der Zukunft produzieren kann. Und selbst eine Verzehnfachung von Windrädern und Photovoltaikanlagen würde das Problem nicht lösen!
Nur mit den großen Stromtrassen – und auch Nordstream – werden wir uns langfristig keine Sorgen machen müssen und alle Diskussionen um ein paar Windräder mehr oder weniger werden sich damit von selbst lösen.
Das ist die allgemeine Sicht der Dinge.
Der Bruttostromverbrauch in Deutschland lag im Jahr 2020 bei rund 545 Terawattstunden.
Eine erste Abschätzungen des Stromverbrauchs 2030, die von der Prognos AG im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt wurde, kommt für das Jahr 2030 auf einen Stromverbrauch zwischen 645-665 Terawattstunden; der Mittelwert der Prognose liegt bei 655 Terawattstunden. Unterstellt werden dabei u.a. 14 Mio. Elektro-Pkw, 6 Mio. Wärmepumpen und 30 Terawattstunden Strom für grünen Wasserstoff. Die ausführliche Analyse folgt im Herbst 2021.