Aus für das Krankenhaus St. Josef in Schweinfurt, für die Theresienklinik in Würzburg, für die Rotkreuzklinik in Wertheim: Kliniken in der Region straucheln unter dem wirtschaftlichen Druck. Auch Termine bei Haus- und Fachärzten sind immer schwerer zu bekommen. Ist die Versorgung von Patientinnen und Patienten noch sicher? Die Frage stellt man sich auch in der Ärzteschaft.
Die Schließung von St. Josef werde die gesamte Region treffen, sagen der Würzburger Hausarzt Christian Potrawa, Anästhesistin Sibyl Mittler vom Klinikum Würzburg Mitte und Jens Kauczok, Facharzt für Plastische Chirurgie.
- Update von 25. September: Am Mittwoch gaben die Erlöserschwestern kurzfristig bekannt, St. Josef doch nicht zu schließen. Lesen Sie hier die neueste Entwicklung zum Schweinfurter Krankenhaus.
Die drei sind Vorstandsmitglieder des Ärztlichen Kreisverbandes Würzburg, der rund 4000 Medizinerinnen und Mediziner vertritt. Sie sprechen vom "Kollaps unseres Gesundheitssystems", erklären wo sie die Probleme sehen – und wie diese zu lösen wären.
Wie sicher ist die ärztliche Versorgung der Menschen in der Region?
Patientinnen und Patienten, die im Krankenhaus St. Josef nicht mehr behandelt werden, brauchen Alternativen – nicht nur in Schweinfurt, wo das Leopoldina-Krankenhaus das Gros auffangen muss. Daneben müssten schon heute hochspezialisierte Versorger wie die Würzburger Uniklinik immer stärker die Grund- und Regelversorgung sichern, sagen die drei Ärzte. Das Würzburger "Missio" werde künftig als Geburtsklinik noch stärker gefragt. Für Betroffene erwarten sie weitere Fahrwege.
Als Folge der Verdichtung würden auch die Wartezeiten für geplante Operationen immer länger, mahnt Allgemeinmediziner Potrawa. Teils vergingen Monate bis zum Vorstellungstermin des Patienten in der Klinik. Immerhin würden bislang Not- und Akuteingriffe nicht geschoben, sagt Klinikärztin Sibyl Mittler – "so weit sind wir noch nicht".
Weil überall Pflegepersonal fehlt, würden immer häufiger Kapazitäten eingeschränkt, erklärt die Anästhesistin. Wenn sich dann mehr Kliniken von der Notaufnahme abmelden, komme es in dringenden Fällen zu Zwangsbelegungen. Nicht selten landen Patienten dann in anderen Kliniken, obwohl ihre Erkrankung woanders schon dokumentiert ist. "Die Klinik fängt dann von vorn an, das ist hochineffektiv", kritisiert Potrawa.
Wer einen Facharzttermin braucht, muss mit teils monatelangen Wartezeiten rechnen. Besonders gravierend sei es bei Hautärzten. Aber selbst die meisten Hausärzte in Würzburg und Umgebung hätten einen Aufnahmestopp, sagt Potrawa, der auch Vorsitzender des ärztlichen Bezirksverbandes Unterfranken ist. "Es tut weh, Patienten abweisen zu müssen."
Was sind die Gründe für Probleme im Gesundheitswesen?
Es fehlt an Ärztenachwuchs. Viele ältere niedergelassene Ärzte gehen derzeit oder bald in den Ruhestand und finden häufig keine Nachfolger für ihre Praxen. Junge Mediziner scheuen heute vielfach die Selbstständigkeit und lassen sich lieber in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) anstellen – mit geregelten und meist kürzeren Arbeitszeiten. Damit schrumpft in der Summe das medizinische Angebot. "Wir erkennen unsere eigene Hilflosigkeit", sagt der 75-jährige Potrawa, der seine eigene Praxis 2018 an einen Nachfolger übergeben hat.
Das Fallpauschalensystem hat dazu geführt, dass bestimmte Operationen für die Kliniken deutlich lukrativer sind als andere. Je höher der wirtschaftliche Druck mangels staatlicher Refinanzierung, desto schwerer haben es Fachbereiche mit hohem Aufwand und verhältnismäßig wenig finanziellem Ertrag, etwa in der Gynäkologie oder der Pädiatrie.
Trotz Digitalisierung leidet die Kommunikation: Zwischen Klinik, Haus- und Fachärzten bleiben Informationen über Patienten nicht selten auf der Strecke, teilweise kommt es zu schnellen "blutigen" Entlassungen. Ärzte, so der Befund der drei, sprechen häufig zu wenig über ihre gemeinsamen Patienten. Meist fehle es schlicht an Zeit dafür. Es komme zu vermeidbaren "Reibungsverlusten", der Genesungsprozess verzögert sich.
Was ist zu tun, um die medizinische Versorgung wieder zu verbessern?
Niedergelassene Ärzte bekommen Leistungen nur innerhalb eines vorgegebenen Budgets von den Kassen bezahlt. "Ab einer bestimmten Grenze arbeiten wir umsonst, zusätzliche Patienten bekommen wir nicht bezahlt", kritisiert Praxisinhaber Jens Kauczok. Der Chirurg fordert deshalb ein Ende der Budgetierung, dann könnten die Ärzte mehr Termine anbieten. Für Kinderärzte wurde die Entbudgetierung zum April 2023 umgesetzt, für Hausärzte ist sie geplant. Zuletzt sprach sich der Bundesrechnungshof gegen eine Freigabe für Allgemeinmediziner aus, weil er deutlich höhere Ausgaben befürchtet.
Die Niederlassung als Arzt oder Ärztin mit eigener Praxis müsse wieder attraktiver werden. Der Ärzteverband drängt auf einen raschen Abbau von Bürokratie. In den Kliniken braucht es nach Ansicht von Sibyl Mittler möglichst geregelte Arbeitszeiten und Dienste: "Die jüngere Generation hat hier andere Ansprüche."
Medizinische Versorgungszentren (MVZ) könnten helfen, den Schwund niedergelassener Ärzte abzufedern, glauben die drei Mediziner. Allerdings dürften die MVZs nicht überwiegend privaten Investoren überlassen werden. "Sie schauen zuerst auf die Rendite", warnt Kauczok, "und picken sich die Rosinen heraus." Es drohe eine selektive Versorgung, wenig lukrative Behandlungen fielen durchs Raster. Der Facharzt hält es deshalb für sinnvoll, dass sich Kommunen und Landkreise selbst in MVZs engagieren, um die Versorgung vor Ort zu sichern.
Generell, davon sind die drei Mediziner überzeugt, müsse die Prävention in der Gesundheitspolitik und bereits in der Schule eine viel stärkere Rolle spielen – schon aus demografischen Gründen. Es müsse darum gehen, durch eine gesunde Lebensweise Krankheiten zu vermeiden anstatt in Praxen und Kliniken zu reparieren.