Obwohl die Zahl der Ärztinnen und Ärzten in Unterfranken in zehn Jahren auf über 9000 kräftig gestiegen ist, geht die Zahl der Hausärzte weiter bedrohlich zurück. Immer öfter finden Hausärzte, die in den Ruhestand gehen, keine geeigneten Nachfolgerinnen oder Nachfolger für ihre Praxen. Es wird immer schwerer eine Hausarztpraxis zu finden, die noch Patienten aufnimmt. Jetzt schlägt der ärztliche Bezirksverband Unterfranken Alarm. Dessen Vorsitzender Dr. med. Christian Potrawa ist selbst Allgemeinmediziner.
Christian Potrawa: Seit 2012 ist die Zahl der niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzte von 802 auf 678 zurückgegangen. Ein Minus von 15,5 Prozent. Das klingt zunächst gar nicht so dramatisch, aber es fehlen 124 Ärztinnen und Ärzte. Und das geschieht vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft. Das heißt, die weniger werdenden Mediziner müssen immer mehr Patienten versorgen, sollen als Vermittler und Schaltstelle fungieren. Hinzu kommt, dass fast ein Drittel der noch praktizierenden Hausärzte in Unterfranken über 65 Jahre alt sind. Die könnten über Nacht ihre Praxis schließen – dann würde es verdammt eng. Vor zehn Jahren waren das gerade einmal vier Prozent.
Potrawa: Das hat mehrere Gründe. Wir haben heute mehr Frauen in Medizinberufen, die auf Teilzeitarbeit angewiesen sind. Aber auch angehende Ärzte achten heute mehr auf die "Work-Live-Balance" und streben keine Vollbeschäftigung mehr an. Das fällt zum Beispiel in Kliniken leichter, das heißt aber auch, dass hinter den 678 Hausärzten keine 678 Vollzeitstellen mehr stehen.
Potrawa: Das ist wahrscheinlich der einzige Ausweg, wenn man der Falle eines Medizinischen Versorgungszentrums entgehen will.
Potrawa: So gut sich das angehört hat und von der Politik gefördert wurde, es ist pervertiert. Es gibt mittlerweile sogar MVZ-Verbünde. Dahinter stehen oft Kapitalgesellschaften, die den Ärzten Zielvorgaben machen. Das ist oft gar nicht bekannt. Da geht es mehr um Rendite als um den Patienten. Da habe ich große Bedenken. In einem solchen Zentrum arbeiten die Kolleginnen und Kollegen nach Stundenplan, müssen Zielvorgaben einhalten, ein Hausbesuch am Abend beispielsweise ist da nicht mehr drin, auch dann nicht, wenn der Patient gerade mit dem Krankenwagen aus dem Krankenhaus gekommen ist.
Potrawa: Das Land ist mehr betroffen als die Stadt. Aber auch in den Städten wird es schon schwieriger, einen Hausarzt zu finden, wenn man noch keinen hat. Nehmen wir Würzburg, wo in der letzten Zeit Hausarztpraxen geschlossen wurden mussten, weil sie keine Nachfolge fanden. Hier nehmen die Beschwerden von Patientinnen und Patienten zu, die keine Praxis finden, die sie aufnehmen würde.
Potrawa: Das Problem entstand vor vielen Jahren, jetzt ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Die Ausbildung eines Mediziners dauert zehn Jahre. Die Politik betont, nur die Rahmenbedingungen setzen zu können. Das muss sie jetzt schleunigst tun, denn die Rahmenbedingungen stimmen nicht mehr. Die Vergütung muss neu geregelt werden und weg von den Patientenpauschalen. Auch in den Arztpraxen sind die Kosten davongelaufen. In Berlin haben Hausärzte sogar schon gestreikt, ich kann das auch für Unterfranken nicht ausschließen. Und wir müssen dringend die Anzahl der Studienplätze erhöhen. Auch wenn wir viele Ärztinnen und Ärzte ausbilden, kommen wegen Teilzeit und Ausfällen nicht genügend Mediziner im Gesundheitssystem an.
Potrawa: Zum Großteil sind sie in den Kliniken geblieben oder auf die Facharztschiene gegangen. Darunter leidet die Basisversorgung. Die Attraktivität der Hausarztpraxis mit hoher Belastung, hohem Zeitdruck, Nachtdiensten, Hausbesuchen, Personalnot und Regressdruck durch das Pauschalsystem hat enorm gelitten.
Potrawa: Das stimmt, die meisten der zusätzlichen Ärztinnen und Ärzte sind in den Kliniken. Doch Orthopäden oder Augenärzte, um mal diese Beispiele zu nennen, machen keine Hausbesuche. Hier muss der Patient sowieso hingebracht werden, wenn er nicht selbst kommen kann. Da spielen ein paar Kilometer mehr nicht ganz die Rolle. Aber ein bettlägeriger Patient, ein schwerkranker Patient, der zuhause versorgt werden will oder muss, der braucht einen Hausarzt, der ihn vor Ort versorgt. Die Politik redet da gerne über Assistenzsysteme. Aber einen zehn Jahre ausgebildeten Hausarzt können die von der Qualität her niemals ersetzen.
Potrawa: Das machen eher die mobilen und gesunden Patientinnen und Patienten, aber nicht die alten und kranken.
Potrawa: Ich kenne diese Studie nicht, aber die Zahlen klingen plausibel. Ich bin ein positiv denkender Mensch. Man kann durchaus etwas bewegen, aber dafür muss sich an den Schaltstellen und in der Politik etwas bewegen. Da müsste es mehr Druck auch aus der Bevölkerung auf die Abgeordneten geben, damit die Gesundheitspolitik besser auf diese düsteren Prognosen reagiert und die Rahmenbedingungen ändert. Das kostet auch Geld. Aber Gesundheit ist doch mehr Daseinsfürsorge als die militärische Verteidigung oder der Straßenbau.
Eine Arztpraxis als Kommunalunternehmen, betrieben durch die jeweilige Kommune, die dann das Personal anstellt und Arbeitgeber ist. Das würde vielen Ärzten und Ärztinnen entgegenkommen, die die Selbstständigkeit nicht wollen, die nur Teilzeit arbeiten wollen - usw.!
Sorry - geht gar nicht!
Problem ist viele Junge wollen halt wegen der fehlenden Freizeitmöglichkeiten lieber in die Stadt. Aber auch auf dem Land ist es möglich schnell in die Stadt zu kommen für Kultur usw. auch Teilzeit ist möglich wenn man will. Es zwingt einem ja niemand die Praxis 12 Stunden am Tag zu öffnen.
Ich wohne auch auf dem Land und wenn ich Action will fahre ich mit dem Zug oder Auto nach Würzburg und gut ist.
Unsere Kleinstädte werden geriatrische Städte (MP-Bericht Bad Brückenau z. B.).
Unsere kleinen Krankenhäuser werden geschlossen bzw. wegrationalisiert, mit einer freiwilligen Feuerwehr u einer Sportgruppe lockt man nach dem Studium keine jungen Menschen mehr zurück in die ländliche Gegend, das war mal!
auf den Hausarzt dürften nur sehr wenige Leute "Sozialneid" entwickeln, und wenn, sind das vmtl. diejenigen, die auch sonst nicht durch den maximalen Überblick auffallen...