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Würzburg/Schweinfurt/Bad Neustadt
Langes Warten auf Termine: Wie viele Hausärzte und Fachärzte gibt es in Unterfranken und wo klaffen Lücken?
Zum Hausarzt am Ort, zum Facharzt in die Stadt? Für Patienten heute nicht mehr selbstverständlich. Wie die Versorgung mit Arztpraxen von Würzburg bis in die Rhön aussieht.
Die Ärzteschaft in Unterfranken  wird durchschnittlich immer älter, die Dichte an Praxen ist regional sehr unterschiedlich. Für viele Patientinnen und Patienten werden die Wege zum Arzt weiter.
Foto: Getty Images/Montage: MP | Die Ärzteschaft in Unterfranken wird durchschnittlich immer älter, die Dichte an Praxen ist regional sehr unterschiedlich. Für viele Patientinnen und Patienten werden die Wege zum Arzt weiter.
Andreas Jungbauer
 und  Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:32 Uhr

Wer krank ist, geht zum Arzt. So simpel der Satz klingt, so schwierig umzusetzen ist er in Unterfranken mancherorts. Gerade zu Erkältungs- und Grippezeiten ächzen Hausarztpraxen unter dem Ansturm der Patientinnen und Patienten. Kurzfristig einen Termin zu bekommen ist schwierig, die Warteschlangen sind lang. Und auf einen Facharzttermin muss man meist wochen- oder monatelang warten.

Wieso ist das so? Wie viele niedergelassene Haus- und Fachärzte gibt es in Unterfranken? Und reicht die Zahl der Praxen aus oder gibt es Lücken in der Versorgung?

Langes Warten auf Termine: Wie viele Hausärzte und Fachärzte gibt es in Unterfranken und wo klaffen Lücken?

In Deutschland kann nicht jeder Mediziner einfach irgendwo als Arzt oder Psychotherapeut eine Praxis eröffnen – zumindest nicht dann, wenn man mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen möchte. Gesteuert wird die Versorgung mit einer Bedarfsplanung, die Richtlinie dafür gibt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) vor. Danach erstellt der jeweilige Landesausschuss der Ärzteschaft und Krankenkassen einen Bedarfsplan für das Bundesland: Es wird errechnet, wie viele Ärzte in einem Gebiet notwendig sind, um alle Patientinnen und Patienten zu versorgen. So wird die Zahl von Kassensitzen festgelegt.

Der Versorgungsgrad zeigt, ob eine Region unter- oder überversorgt ist

Für die Festlegung der Kassensitze werden Arztgruppen nach Fachgebieten zunächst für unterschiedlich große geografische Räume, sogenannte Planungsbereiche, erfasst. 204 Planungsbereiche gibt es für die Hausärzte in Bayern. Für die Fachärzte sind es nur 79, sie orientieren sich im Wesentlichen an den Landkreisen.

Gemäß der bundesweiten Richtlinie des G-BA wird bestimmt, wie viele Einwohner über einen Arzt- oder Therapeutensitz zu versorgen sind. In einem zweiten Schritt werden die Zahlen regional angepasst und Besonderheiten der Bevölkerung vor Ort wie Alter oder Geschlecht berücksichtigt. Nach diesen regionalen Verhältniszahlen richtet sich dann, wo sich Ärzte niederlassen können oder sogar dabei gefördert werden

Langes Warten auf Termine: Wie viele Hausärzte und Fachärzte gibt es in Unterfranken und wo klaffen Lücken?

Wie die ärztliche Versorgung im Freistaat und damit auch in Unterfranken aussieht, lässt sich im Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) ablesen. Wichtigste Kennzahl ist darin der Versorgungsgrad. Damit wird das angestrebte Verhältnis von Ärzten zu Einwohnern mit der Realität abgeglichen. Statistisch gesehen liegt der ideale Versorgungsgrad bei 100 Prozent – dann gäbe es in einer Region genauso viele Ärzte, wie pro Einwohner gebraucht werden. Tatsächlich ist das nicht immer der Fall. Auch sind Ärzte innerhalb eines Landkreises häufig sehr ungleich verteilt.

Als "unterversorgt" gilt ein Planungsbereich, wenn der Versorgungsgrad bei Hausärzten unter 75 Prozent fällt, bei Fachärzten unter 50 Prozent. Liegt der Versorgungsgrad umgekehrt über 110 Prozent, ist der Bereich statistisch überversorgt und wird in der Regel für weitere Kassenarzt-Niederlassungen gesperrt.

Wo in Unterfranken eine Unterversorgung mit Haus- und Fachärzten droht

In Unterfranken ist nach Daten der KVB aktuell nur ein Bereich statistisch unterversorgt: der Landkreis Main-Spessart bei Hals-Nasen-Ohren-Ärzten (HNO). Eine einzige Praxis gibt es hier in Lohr. 3,5 Kassensitze sind laut KVB im Landkreis unbesetzt. In weiteren Gebieten könnte es rasch eng werden, hier besteht eine "drohende Unterversorgung". Das betrifft bei den Hausärzten die Bereiche Bad Brückenau, Bad Königshofen, Gerolzhofen, Lohr am Main und Würzburg West, bei den Fachärzten die Landkreise Kitzingen (Augenärzte), Rhön-Grabfeld (Nervenärzte) und Miltenberg (Kinder- und Jugendärzte).

Was bedeuten diese Zahlen und wie aussagekräftig sind sie? Zeigen sie den tatsächlichen Bedarf und dessen Abdeckung? "Prinzipiell versucht der Versorgungsatlas der KVB, die ärztliche Versorgung gemäß der Bundesvorgaben bestmöglich abzubilden", teilt ein KVB-Sprecher auf Anfrage mit. In die Bedarfsplanung würden verschiedenste Faktoren einfließen, beispielsweise spiele auch die Altersstruktur der Ärzte eine entscheidende Rolle.

Langes Warten auf Termine: Wie viele Hausärzte und Fachärzte gibt es in Unterfranken und wo klaffen Lücken?
Langes Warten auf Termine: Wie viele Hausärzte und Fachärzte gibt es in Unterfranken und wo klaffen Lücken?

Gerade in Unterfranken könnte das in naher Zukunft relevant werden und Anpassungen nötig machen. Das sieht man zum Beispiel bei den Hausärzten im Bereich Mellrichstadt: Hier liegt der Versorgungsgrad laut KVB-Atlas bei 116 Prozent, jedoch sind dort über 70 Prozent der Allgemeinmediziner 60 Jahre alt oder älter. In den kommenden Jahren könnten hier also Lücken auftreten, wenn sich keine Nachfolger für die Praxen finden.

Im Schnitt ist in Unterfranken mindestens ein Drittel der Fachärzte älter als 60 Jahre

Ein Problem nicht nur in Mellrichstadt. 39 Prozent der aktuell registrierten 954 Hausärztinnen und Hausärzte in Unterfranken sind älter als 60 Jahre. Vor allem Einzelpraxen mit einem hohen Arbeitseinsatz hätten es schwer bei der Nachfolge, sagt Joachim Lentzkow, selbst Hausarzt in Goldbach (Lkr. Aschaffenburg) und KVB-Vorstandsbeauftragter für Unterfranken. Eine eigene Praxis zu betreiben, sei längst nicht mehr so lukrativ wie vor 30 Jahren.

Junge Mediziner ließen sich heute oft lieber in einem Versorgungszentrum mit geregelten Arbeitszeiten anstellen, statt die gesamte Personal- und Finanzverantwortung für eine eigene Praxis zu übernehmen. Und allgemein hätten es ländliche Regionen schwerer als Ballungsräume, sagt Lentzkow: "Wichtig für eine Ansiedlung sind Lage, Erreichbarkeit und eine gute Infrastruktur vor Ort." 

Langes Warten auf Termine: Wie viele Hausärzte und Fachärzte gibt es in Unterfranken und wo klaffen Lücken?
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Die Altersproblematik ist auch bei den Fachärzten deutlich herauszulesen: Im Unterfranken-Schnitt ist mindestens ein Drittel älter als 60 Jahre.  "Es kommen viel weniger Ärzte nach, als wir brauchen", sagt die Würzburger Frauenärztin Dr. Birgit Spohn, die regionale KVB-Vorstandsbeauftragte für die Fachärzte ist.  

Fachärzte sind generell nicht so breit in der Fläche verteilt wie Hausarztpraxen. Die "eher zentrierte Versorgung" hat Gründe: Man geht normalerweise weniger oft zum Fach- als zum Hausarzt und nimmt dann auch weitere Wege in Kauf. So wundert es nicht, dass sich die Fachärzte in Unterfranken vor allem in Würzburg, in den Oberzentren Schweinfurt und  Aschaffenburg und auch in Mittelzentren wie Ochsenfurt oder Haßfurt konzentrieren.

Bei der Facharzt-Verteilung gibt es ein deutliches Gefälle zwischen Stadt und Land

Facharztpraxen auf dem Land sind selten, und Zahlen können täuschen: So ist der Landkreis Würzburg zwar statistisch gut versorgt, die Fachärzte finden sich aber fast ausschließlich in den Würzburger Stadtrandgemeinden. Weiterer Grund laut Spohn für das Stadt-Land-Gefälle: der Trend zu Gemeinschaftspraxen mit besserer Arbeitsverteilung. Wer auf dem Land eine Praxis eröffnen will, finde schwerer einen Partner als in der Stadt. Auch die zunehmenden Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) verstärken die Konzentration.

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Die größten Sorgen hat die KVB in Unterfranken – wie auch sonst in Bayern – bei den HNO-Ärzten, Nerven-, Augen- sowie Kinder- und Jugendärzten. "Wir warten nicht ab, sondern versuchen aktiv Ärzte zu gewinnen", sagt die Regionalbeauftragte Spohn. Wer sich im unterversorgten Landkreis Main-Spessart als Hals-Nasen-Ohren-Arzt niederlässt, werde von der KVB mit 90.000 Euro gefördert, hinzu kämen 20.000 Euro vom Freistaat.

Aber mit der Praxis-Gründung ist es nicht getan, auch Spohn weiß um die Problematik: Bürokratie, Fachkräftemangel, IT-Umstellungen, unzureichende Vergütungen und vieles mehr – "in der eigenen Praxis zu arbeiten, ist heute viel schwieriger und weniger attraktiv." Die Frauenärztin weiß von vielen Kolleginnen und Kollegen, die mittlerweile verzweifelt medizinische Fachangestellte für ihre Praxis suchen und deshalb Sprechstunden reduzieren müssen. Was auch bedeutet: Selbst wo die reine Zahl an Ärzten stabil ist, kann sich das Angebot für Patienten verschlechtern.

 
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