Die Unruhe im Schweinfurter Rathaus unter den Mitarbeitenden und in der Verwaltungsspitze um Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) ist derzeit groß. Das liegt unter anderem an der denkwürdigen Stadtratssitzung am 25. Januar, als der Gesamtpersonalratsvorsitzende Christof Klingler dem OB und seinem Personalamtsleiter Armin Seebauer die Note 6 in Sachen Personalmanagement erteilte. Es liegt aber auch daran, dass der Fall des gekündigten und wegen Untreue zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilten ehemaligen Theaterleiters weiter Wellen schlägt.
Der Grund ist die Zahlung einer Leistungsprämie gemäß Paragraph 18 des Tarifvertrags öffentlicher Dienst, die dem 60-Jährigen im März 2021 ausgezahlt wurde, obwohl damals schon mehrere Monate gegen den Mann ermittelt wurde. Die Auszahlung der Prämie, die nach Recherchen dieser Redaktion für großes Unverständnis bei Teilen der Verwaltung gesorgt hat, wurde nun auf Anfrage von der Stadtverwaltung bestätigt. Der frühere Theaterleiter äußert sich nicht zu dem Themenkomplex.
Detaillierte Auskünfte gibt es aus Datenschutzgründen von Seiten der Stadt zu dem konkreten Fall nicht. Insbesondere nicht, wie hoch die im März 2021 ausgezahlte Prämie war, die auch 2020 für das Jahr 2019 gewährt worden war. Wie im Tarifvertrag vorgesehen, beträgt der Topf, aus dem die Stadt an alle Mitarbeitenden Prämien zahlt, zwei Prozent der jährlichen Netto-Personalkosten der Angestellten.
Akteneinsicht durch die Stadt Schweinfurt erst im Mai 2021
Wichtig ist im Kontext ein Blick auf den zeitlichen Ablauf dieser Zahlung, die juristisch gesehen korrekt war. Jedes Jahr im Februar entscheiden der OB als Personalreferent und Personalamtsleiter Armin Seebauer darüber, ob die mit den Mitarbeitenden gemäß der Dienstvereinbarung ausgemachten Ziele erreicht wurden und so die vereinbarte so genannte "leistungsorientierte Bezahlung", die zusätzlich zum Gehalt gewährt wird, gerechtfertigt ist.
Im Februar 2021 liefen die Ermittlungen gegen den früheren Theaterleiter bereits vier Monate, diese Redaktion hatte damals auch zwei Mal über den Sachstand berichtet. Gegen den Mann lagen drei Anzeigen vor. Eine davon vom Oberbürgermeister, der Mitte Juli 2020 durch einen Bericht seiner Büroleiterin Anna Barbara Keck über die Vorwürfe informiert wurde. Die Verdachtsmomente waren auch von der Compliance-Beauftragten und der Rechnungsprüfung bestätigt worden.
Nach Kenntnis dieser Redaktion bat die Stadt am 9. März 2021 um Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft – allerdings nicht durch einen von ihr beauftragten Anwalt, weswegen die Einsicht zunächst nicht gewährt wurde. Mitte März kam es dann zu einer Bürodurchsuchung im Rathaus. Ende April, da waren die Prämien bereits ausgezahlt, beauftragte die Stadt einen Schweinfurter Anwalt, Akteneinsicht zu beantragen.
Stadtrat sprach Kündigung zum 19. Mai aus, als die Prämie bereits gezahlt war
Am 5. Mai 2021 kamen die Akten bei der Stadt an, am selben Tag berief der OB eine nichtöffentliche Fraktionssprecher-Sitzung ein. In dieser informierte er, dass die Vorwürfe sich erhärtet hätten und die Stadt von einer Straftat ausgehen müsse. Aus diesem Grund müsse man fristlos kündigen. Diese Information bestätigten damals sowohl Teilnehmer der Sitzung, als auch die Stadt selbst in einer Presseinformation zur fristlosen Kündigung zum 19. Mai, die der Stadtrat genehmigt hatte.
Doch warum wurde dennoch eine Leistungsprämie gezahlt? Warum wurde die Auszahlung nicht in Absprache mit dem Betroffenen auf das Ende der Ermittlungen verschoben, in der Hoffnung, dass sich die Unschuldsvermutung bestätigt? Einer der Gründe für die Auszahlung soll nach den dieser Redaktion vorliegenden Informationen die aus Sicht des OB gute Arbeit und das überdurchschnittliche Engagement des Theaterleiters, insbesondere in seiner Funktion als Kulturamtsleiter, zu Beginn der Corona-Pandemie gewesen sein, als das Theater wie alle anderen Kultureinrichtungen in Deutschland geschlossen werden musste.
Auf Nachfrage erklären der Personalamtsleiter und der OB die Hintergründe, die zu ihrer Entscheidung geführt hatten. Aus ihrer Sicht gab es einen klaren Anspruch des Beschäftigten auf diese Zahlung. "Tarifvertraglich ist das Leistungsentgelt als tariflicher Entgeltanspruch ohne Vorbehalt auszuzahlen, sofern die Voraussetzungen (Zielerreichung, Leistungsbeurteilung) vorliegen", erklärt Armin Seebauer.
In einer Protokollerklärung zu dem entsprechenden Paragraphen heißt es, dass "eine arbeitsrechtliche Maßnahme bei der Gewährung eines Leistungsentgeltes nicht ausgeschlossen" ist. Das bedeutet aus Sicht der Stadt aber auch, "dass eine arbeitsrechtliche Maßnahme keine Begründung für die Verweigerung des tariflichen Anspruchs auf eine Leistungsprämie bei Vorliegen der Voraussetzungen sein kann."
Sprich: Wenn ein Mitarbeitender die Voraussetzungen für eine Auszahlung erfüllt, hat er auch ein Anrecht darauf. "In diesem konkreten Fall heißt das, dass die Akteneinsicht, auch zu welchem Zeitpunkt sie stattgefunden hat, keine Relevanz hat bzw. keine Rolle für eine Auszahlung des Leistungsentgeltes spielt", so Armin Seebauer.
Ermittlungen wegen anonymer Anzeige durch Staatsanwaltschaft eingestellt
Zu dem Sachverhalt "Prämienzahlung" bestätigt die Staatsanwaltschaft Schweinfurt den Eingang einer anonymen Anzeige einer Gruppe namens "Gerechtigkeit für die Schweinfurter Stadtverwaltung" bereits Mitte Dezember 2021. Es wird der Verdacht der Untreue durch den OB wegen eines vermuteten Verstoßes gegen seine Vermögensverwalterpflicht geäußert.
Die Anzeige hatte keine strafrechtlichen Folgen. Auf Anfrage erklärt der leitende Oberstaatsanwalt Axel Weihprecht: "Nach Prüfung wurde das auf die Anzeige hin eingeleitete Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 29.12.2021 ohne weitere Ermittlungen mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat eingestellt. Das Beschäftigungsverhältnis mit dem früheren Kulturamtsleiter unterfiel dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, der eine leistungsorientierte Zusatz-Bezahlung ausdrücklich vorsieht. Dem damaligen bloßen Verdacht eines Fehlverhaltens stand die Bejahung einer guten Leistung im Sinne des Tarifvertrages nicht zwingend entgegen".
Wurde der verursachte Schaden durch den verurteilten Theaterleiter wieder gut gemacht?
Im Juli 2021 hatte die Staatsanwaltschaft Anklage in 51 Fällen der Untreue gegen den da schon gekündigten Theaterleiter erhoben. Im September akzeptierte der einen Strafbefehl über zehn Monate Haft auf Bewährung sowie eine niedrige vierstellige Geldauflage. Außerdem gab es eine so genannte Einziehung der Tatvorteile: Die veruntreute Summe im niedrigen fünfstelligen Bereich musste er an die Stadt zurückzahlen. Dass dies mittlerweile geschehen ist, bestätigte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage. Der frühere Theaterleiter äußert sich hierzu nicht.
Offen ist gleichwohl der entstandene Schaden aus einer nachweislich falschen Abrechnung einer Veranstaltung eines Vereins im Theater im Jahr 2018, die auch Teil der Anklage gegen den Theaterleiter war und im Zusammenhang mit der Bürodurchsuchung eine Rolle spielte. Anstatt eines Gewinns in Höhe von rund 3000 Euro, wie er dem Verein ausgezahlt wurde, war ein Defizit von rund 1800 Euro entstanden.
Der Theaterleiter soll dem Verein aber im Vorfeld schriftlich einen Gewinn zugesichert haben und, dass es kein Risiko für den Verein gebe. Das haben Recherchen dieser Redaktion ergeben. Als die Veranstaltung schlecht besucht war, entstand danach ohne Wissen des Vereins eine Abrechnung, bei der Kosten wie unter anderem Technik, Beleuchtung und Garderobe nicht berücksichtigt wurden, wie die Kripo-Ermittlungen bewiesen haben. Auch war das Honorar für die Aufführenden viel zu niedrig angesetzt.
Stadt muss Schaden zivilrechtlich beim früheren Theaterleiter einfordern
Von Seiten der Staatsanwaltschaft konnten über den Strafbefehl nur die Gelder zurückgefordert werden, die der 60-Jährige zum eigenen Vorteil veruntreut hatte. Dem Verein wird kein Vorwurf gemacht, weil er zum einen in gutem Glauben handelte, zum anderen das Geld vollständig gespendet wurde. Es gab also juristisch keine Bereicherung, sondern eine Entreicherung.
Am Zug ist nun die Stadt, die den offenen Schaden beim ehemaligen Theaterleiter geltend machen muss. "Aus rechtlichen Gründen" äußert sich die Verwaltung auf Anfrage nicht konkret zu der Thematik: "Allgemein ist zu sagen, dass die Stadt generell Schäden, die ihr entstanden sind, geltend macht."
Das Theater ist derzeit wegen der Generalsanierung geschlossen und wird im Herbst 2024 wieder eröffnet. Neuer Theaterleiter ist Christoph Wahlefeld, der Anfang Februar aus Bielefeld nach Schweinfurt wechselt. Bereits seit Mai 2021 hat die Leiterin der Kunsthalle, Andrea Brandl, das Kulturamt übernommen.
Aber, und das Kann Stadtrat Firsching bestätigen, gab es einen klaren Anspruch des Beschäftigten auf diese Zahlung. "Tarifvertraglich ist das Leistungsentgelt als tariflicher Entgeltanspruch ohne Vorbehalt auszuzahlen, sofern die Voraussetzungen (Zielerreichung, Leistungsbeurteilung) vorliegen"! Firsching als Fachmann in Sachen Gewerkschaften, Tarifverträge und Umsetzung hätte sicher beim Einklagen geholfen! Denn in den Gewerkschaften geht es nicht um die Leistung selbst ob jemanden etwas zusteht, sondern um die Anwesenheit, um die Bestandteile des Tarifvertrags die man herausholt! Wenn Leistung eine Tolle spielen würde... oh je!
Im Übrigen frage ich mich, wie es sein kann, dass aus nichtöffentlichen Sitzungen so detailliert berichtet werden kann?
Im Übrigen ist es schon für die Menschen richtigerweise schwer nachvollziehbar was da passiert, aber wenn der alte Staatsanwalt nichts findet, findet die Presse dann mehr? Oder was ist der Hintergrund?
In vielen Fällen kann die persönliche Leistung der Angestellten kaum objektiv bewertet werden bzw. hängt vom "Nasenfaktor", vom glücklichen Situationen und vom Vorgesetzten ab. Das ist schon in der Industrie so, ich kann mir kaum vorstellen, dass es bei der Stadt anders ist.
Wer weiß was eine mögliche zivilrechtliche Klage gegenüber dem Theaterleister noch ans Tageslicht bringen würde. Da tut die Stadt vielleicht im eigenen Interesse gut daran darauf zu verzichten.