Natürlich war die Kulturkonferenz kürzlich ein Erfolg, als sich Schweinfurts Kulturschaffende auf Einladung von Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU), der auch Kulturreferent ist, in der neuen DDC Factory trafen. Über 60 Menschen waren da, vor allem junge Nachwuchskünstler aus dem Umfeld der DDC, es gab viele nette Gespräche. Viel interessanter war der Blick darauf, wer nicht da war. Nach Vertretern der etablierten freien Kulturszene musste man angestrengt Ausschau halten.
Im Vertrauen erzählte kürzlich ein Vertreter eines freien Kulturträgers in der Stadt, wie das war, als die Einladung im Herbst kam. Man habe sich intern besprochen, wer hingehen wolle. Begeistert sei niemand gewesen, der Tenor: "Das bringt doch eh nichts, es ändert sich sowieso nichts." Jürgen Dahlke, Leiter der Disharmonie, mit über 230 Veranstaltungen der vor dem Theater mit Abstand größte Anbieter kultureller Events in Schweinfurt, bringt es auf den Punkt: "Im Moment ist es absolut demotivierend."
In einem Pressegespräch schildern Dahlke, Disharmonie-Vorstand Gerhard Feigl und KulturPackt-Geschäftsführer Gerald Günther ihre Kritik an der Stadt. Sie ist mehrteilig: Das eine ist das Dauerthema Finanzierung der freien Szene, das andere die Planungen für das Kulturforum sowie die Konsequenzen aus dem Kulturprofil.
Im Verhältnis zum Gesamtvolumen des städtischen Kulturhaushaltes ist das Geld, das die freien Kulturträger 2020 bekommen, auf weniger als ein Prozent gesunken. Die Disharmonie bekommt zwar wie 2018 und 2019 einen Betriebskostenzuschuss von 50 000 Euro pro Jahr, bräuchte aber deutlich mehr, um eine zweite Stelle neben der für den hauptamtlichen Leiter Jürgen Dahlke zu finanzieren. Schon im Kulturausschuss hatte die SPD-Fraktion das kritisiert, die CSU-Mehrheit genehmigte den Haushaltsentwurf von Kulturamtsleiter Christian Kreppel trotzdem. Von Seiten der Disharmonie verweist man darauf, dass das Programm von Kabarett bis Jazz eines ist, das ansonsten die Stadt übernehmen müsste. Es gehe angesichts des absehbaren Ruhestands von Dahlke darum, die Disharmonie zukunftsfähig aufzustellen.
Dahlke und Feigl erzählen, dass vor wenigen Wochen die CSU-Fraktion in der Disharmonie tagte. Das freute die Macher, man hatte einen guten Austausch, stellte die vielfältige Arbeit vor und brachte die Sorgen vor. "Die Bedeutung der Disharmonie wird durchaus gesehen", so Feigl, "die Schlussfolgerungen sind aber andere als unsere."
Der OB bringt in Sachen Finanzierung der freien Szene oft den Kulturfonds der Stadt, gefüllt mit 25 000 Euro, und die Kulturstiftung ins Gespräch. Dahlke und Günther betonen, man nehme diese Angebote für Projekte immer wieder in Anspruch. Doch bei der Disharmonie sei das Thema der Dauerbetrieb. Als mittelständiges Unternehmen finanziere man sich durch den städtischen Zuschuss, Eintrittsgelder, Sponsoring und Spenden sowie die Beiträge der über 630 Mitglieder. Und trotzdem "ist es ein Ritt auf Messers Schneide", so Dahlke.
Das Thema Kulturforum und Kulturprofil stimmt Dahlke und Günther nachdenklich. "Die Außenwirkung ist fatal", so Dahlke. Für das Kulturprofil engagierten sich viele ehrenamtlich, machten Vorschläge, die der Stadtrat auch genehmigte. Mehr Geld für die freie Szene, mehr Räume zum Proben, ein Saal mit 300 bis 400 Personen im Kulturforum. Bekanntlich sind diese Ideen aus verschiedenen Gründen obsolet, der Frust darüber aber bei denjenigen, die sich engagierten, groß.
Beim Treffen mit der CSU-Fraktion und später bei der Kulturkonferenz wurde die Idee vorgestellt, die Stadthalle zu sanieren. Dort gäbe es Platz für 400 bis 700 Personen. Grundsätzlich halten Dahlke und Günther das für gut, wenn die technische Ausstattung top sei und die Mieten akzeptabel. Bis zu 15 Mal pro Jahr nutze die Disharmonie die Kulturhalle in Grafenrheinfeld für größere Veranstaltungen, weil dort sehr gute Licht-, Bühnen- und Tontechnik und ein Mitarbeiter, der das Ganze bedienen kann, im Paket zu akzeptablen Preisen enthalten seien.
SPD-Fraktion findet deutlich kritische Worte für Kulturhaushaltsentwurf
Harsche Kritik am Haushaltsentwurf für die freie Kultur äußerte die SPD-Fraktion nicht nur in der Kulturausschusssitzung, sondern auch in einer Stellungnahme des SPD-Fraktionsvorsitzenden Ralf Hofmann und seines Stadtratskollegen Norbert Lenhard. Sie sprechen von einem "Demotivierungsprogramm für alle, die sich für unsere Stadt im Kulturbereich engagieren“.
Bei der Entwicklung des Kulturprofils hätten sich die freien Kulturträger wie Disharmonie, KulturPackt oder die Chöre gerne engagiert. Doch der Etatvorschlag von Remelé sei „ein Schlag ins Gesicht all derer, die ihre Freizeit, ihr Wissen und auch ihr Herzblut in die Erarbeitung dieses Kulturprofils gesteckt haben, weil sie alle auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen seit Jahren gewartet haben“, so Ralf Hofmann. Die SPD hat mehrfach beantragt, für die freie Szene wenigstens fünf Prozent des acht Millionen Euro umfassenden städtischen Kulturhaushalts bereitzustellen.
Hofmann und Lenhard sprechen von einer „unglaublichen Geringschätzung des kreativen Schaffens, die eine Entwicklung innovativer, nicht-kommerzieller kultureller Angebote in Schweinfurt quasi nicht ermöglicht“. Für Hofmann untergräbt Remelé damit „den gesellschaftlichen Humus, auf dem Zusammenleben, Integration, Verständnis und Toleranz gedeihen“. Wer als Kulturreferent keinen Gestaltungswillen an den Tag lege, sei fehl am Platz.