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LESERANWALT
Leseranwalt: Wie der Wächterpreis für drei Journalisten nach Grundwasser-Recherchen an das Grundgesetz erinnert
Die bedeutende Auszeichnung für Redakteure zeigt, wie nötig die Kontrollfunktion der Medien ist. Und sie zeigt auch, wie wichtig die Grundrechte im 75. Jubiläumsjahr sind.   
Angelika Kleinhenz, Jonas Keck und Henrik Rampe (v. li.) wurden  für ihre investigative Recherche zu unkontrollierten Entnahmen von Grundwasser und schweren Defiziten in Behörden ein Wächterpreis der Tagespresse verliehen. 
Foto: Christoph Weiss, Daniel Peter | Angelika Kleinhenz, Jonas Keck und Henrik Rampe (v. li.) wurden  für ihre investigative Recherche zu unkontrollierten Entnahmen von Grundwasser und schweren Defiziten in Behörden ein Wächterpreis der Tagespresse ...
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 30.08.2024 18:00 Uhr

Die folgende Geschichte ist nicht zu Ende, aber ob ihrer Seltenheit schon wertvoll: Eine Redakteurin und ein Redakteur sowie ein Mitarbeiter dieser Zeitung erhalten einen der begehrten Wächterpreise der Tagespresse für ihre nachhaltigen investigativen Recherchen zu den unkontrollierten Entnahmen von Grundwasser in einer der trockensten deutschen Regionen.

Beim Wasser ist schließlich die Rede von einer Grundlage allen Lebens. Das zeigt die Tragweite dieser ausgezeichneten Leistung von Angelika Kleinhenz, Jonas Keck, Henrik Rampe und Kolleginnen und Kollegen des Bayerischen Rundfunks. Und es zeigt ebenso die Kontroll-Wirkung des Journalismus. 

Leser: "Ein Beispiel für unabhängigen Journalismus"

Ungewöhnlich viele Dankadressen aus der Leserschaft, gedruckt und online, erkennen seit Beginn der Veröffentlichungen im Mai 2023 an, was die Teamarbeit mit Journalisten des Bayerischen Rundfunks so preiswürdig gemacht hat. "Seit Anbeginn verfolge ich Ihre Recherche" schreibt etwa R.W.. "Vielen Dank für Ihre Arbeit; ein Beispiel für unabhängigen Journalismus!" Dessen Bedeutung hebt dazu auch J.M. hervor. Leser M.S. bedankt sich herzlich bei Angelika Kleinhenz und Jonas Keck für ihre umfangreiche Recherche und Hartnäckigkeit.

Der Auftrag, den seit 75 Jahren das Grundgesetz dem Journalismus gibt

Weshalb wiederhole ich an einer Stelle, an der zur Kritik aufgerufen wird, solches Lob? Weil es mit den transparent gemachten schwierigen Recherchen zum Grundwasser-Fall einen Auftrag beleuchtet, den seit 75 Jahren das Grundgesetz dem Journalismus aufgibt: Aufzeigen von Versagen und konstruktive Kritik sollen helfen, dass demokratische Strukturen ihrer Funktion stets gerecht bleiben.

Dazu passt die Frage von Leser M.H.: "Wie lange noch müssen Kleinhenz und Kollegen die Aufgaben der Wasserwirtschaftsämter und des Umweltministeriums übernehmen, um einen Überblick über die Grundwasserentnahmen zu bekommen?"

Pressefreiheit als unverzichtbares Element der Demokratie 

Wenn in dieser vorwurfsvollen Frage auch Ironie hervortritt, soll und darf das keinesfalls Verdrossenheit bedienen. Kritik ist überhaupt nicht für die gedacht, die generell ablehnend der Politik, den Ämtern und Behörden gegenüber stehen. Leider waren aber gerade hier die Widerstände amtlich Verantwortlicher zu brechen, von Journalisten. Grundgesetzlich gestärkt mit Freiheiten und Privilegien, haben sie als unverzichtbares Element in einer demokratischen und gesellschaftlichen Win-win-Situation gewirkt. 

Oberreuther: Öffentliches Gespräch mit Bürgern nötig für Legitimität des Regierens

Das Grundgesetz wird in seinem Jubiläumsjahr zum Aufruf an die gesamte Gesellschaft. "Denn", so schrieb der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter 2021 in einem Aufsatz, "die herrschende Kommunikationsordnung ist noch immer eines der wichtigsten Kriterien zur Unterscheidung politischer Systeme. Aus gutem Grund hat das Bundesverfassungsgericht in einer frühen grundlegenden Entscheidung die Kommunikationsfreiheit als 'schlechthin konstituierend' für eine freie Demokratie erachtet, zu deren Kriterien Manipulation, Zensur und Desinformation nicht gehören." Und, so Oberreuter: "Ohne öffentliches Gespräch mit den Bürgern gibt es keine Legitimität des Regierens. Medien sollten es anwaltschaftlich erzwingen."

Die Kontrollaufgabe der Medien hat begonnen zu funktionieren

Anwaltschaftlich öffentlich gemacht, teilweise erzwungen, sind nun durch Journalistinnen und Journalisten amtliche Mängel, dazu sogar eine rückwärts laufende Wasseruhr. Fazit: Die Kontrollaufgabe der Medien hat wieder begonnen zu funktionieren, das in einem besonders lebenswichtigen Fall. Das zeigen auch Diskussionen zu Expertenmeinungen. Mediale Kontrolle erreicht ihren ganzen Wert aber erst, wenn die Sicherung eines in der Region knapp gewordenen Lebenselements, des Grundwassers, durch zuständige Behörden und Politiker wirklich nachweisbar in die Wege geleitet ist.

Anton Sahlender, Leseranwalt

Siehe auch: Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Weitere Leseranwalt-Kolumnen zum Thema:

Feb. 2010: "Wachhunde der Demokratie mit Verfassungsrang"

März 2014: "Die Redaktion schützt ihre Informanten: Anonyme Hinweise sind unglaubwürdig und unnötig"

Jan. 2022: "Über einen falschen Eindruck im Bericht aus dem Gemeinderat"

Mai 2023: "Über die Kontrollfunktion der Presse und den Namen eines beschuldigten Stadtrats"

Sept. 2023: "Bedürfnisse der Menschen müssen an die Politiker herangetragen werden"

April 2024: "Warum Journalistinnen und Journalisten die Statistik des BKA näher beleuchten müssen"

 
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