Die Redaktion erhält gelegentlich anonyme Hinweise. Sie prangern meist Missstände in öffentlichen Einrichtungen an. Darüber schreibe ich nicht zum ersten Mal. Anonym werden Vorwürfe gegen verantwortliche Personen erhoben. Können sie Folgen für das Gemeinwohl haben, sind sie von öffentlichem Interesse. Für eine Verbreitung reicht aber ein unbekannter Informant nicht aus. Oft ist nicht überprüfbar, was er behauptet. Dann endet alles im Papierkorb – im digitalen oder in dem unterm Schreibtisch.
Anhaltspunkte, die überprüfbar sind, können mitunter dazu führen, dass sogar anonymen Vorwürfen nachgegangen wird. Das geschieht dann äußerst diskret. Personen oder Einrichtungen dürfen nicht durch Recherchen in Misskredit kommen. Lässt sich nichts nachweisen, verschwindet ebenfalls alles im Abfall.
Ich halte aber fest: Anonymität macht nicht nur unglaubwürdig, sie ist auch unnötig. Informanten können sich dem zuständigen Redakteur zu erkennen geben. Furcht vor Nachteilen, Sanktionen oder Bestrafungen, die sich für sie daraus ergeben könnten, müssen sie nicht haben. Die Redaktion sichert Informanten, die das wünschen, absolute Vertraulichkeit zu. Ihre Identität wird nie bekannt. Dieser Vertrauensschutz ist gesetzlich abgesichert durch das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten, das selbst gegenüber Polizei oder Staatsanwaltschaft gilt. Es gewährleistet, dass Medien ihrer demokratisch legitimierten Kontrollfunktion gerecht werden können. Pressionen sollen den Personen, die Korruption und Betrug oder auch nur kritikwürdige Unregelmäßigkeiten in ihrer Umgebung erkennen, erspart bleiben, wenn sie sich damit an Medien wenden. Sie sollen nicht von Leuten, gegen die sich ihre Vorwürfe richten, unter Druck gesetzt werden können oder gar um ihre Existenz fürchten müssen.
Fast alle Korruptionsfälle in unserem Land sind durch Medien ans Tageslicht gekommen. Darauf hingewiesen wurden sie stets von Informanten, die sich ihnen anvertrauten. Das zeigt die Wirksamkeit dieser gesetzlichen Schutz-Regelung. Deshalb ist Quellenschutz auch im Kodex des Presserates verankert. Er gilt als eherner Grundsatz journalistischer Arbeit.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Nicht der geschützte Informant, sondern die Redaktion haftet für die Richtigkeit der Veröffentlichung. Das bedeutet, dass Journalisten Hinweise Dritter sorgfältig überprüfen und auch Beschuldigte anhören und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen.
Ich bitte also um Vertrauen. Anonymität ist unnötig und unseriös.
Überdies sind es nicht allzuviele Medien die sich für Klarnamen entschieden haben. Die Erfahrung zeigt, dass dann übel mit Namen gefakt wird. Man versteckt gelegentlich schon bei Anmeldungen hinter Namen tatsächlich existierender Personen. Das verschärft die Situation.
Aber die Diskussion darüber bleibt im Gange.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Und: Andere machen es ja auch so und führen den Echt-Namen mit.
Was der Leseranwalt als presserechtliche Grundlage vertrauensbildend darlegt, gilt leider nicht mal für Merkels Handy: Sicherheit für einen Informationsfluss.
Für das triviale Problem mag der Leseranwalt recht haben, dass der wichtige Schutz des Nachrichtenübermittlers gewährleistet sein kann - da fehlt halt auch ein Drittinteresse für Unterdrückung von Transparenz.