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Wachhunde der Demokratie mit Verfassungsrang
Was meinen Sie denn damit, dass die Medien ein Kontrollorgan sind?“ Diese Frage stellte jüngst eine Kommunalpolitikerin einem Redakteur, nachdem der in einem Kommentar unserer Zeitung diese journalistische Funktion herausgestellt hatte.
Redaktion
 |  aktualisiert: 16.02.2010 19:28 Uhr

Wenn schon einem erfahrenen Stadtratsmitglied die Wächter-Rolle einer freien Presse nichts mehr sagt, dann besteht Erklärungsbedarf.

Grundlegend festgehalten hat die Kontrollfunktion der Medien das Bundesverfassungsgericht im „Spiegel“-Urteil von 1966. Darin hieß es unter anderem: „In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung.“ Diese Aussage wurde mittlerweile in zahllosen höchstrichterlichen Entscheidungen bekräftigt. Häufig geht es dabei um den Informantenschutz und das Zeugnisverweigerungsrecht von Pressemitarbeitern auch gegenüber der Justiz. Diese Privilegien, die Verfassungsrang haben, wurden Journalisten eingeräumt, eben um ihrer Kontrollfunktion wirksam gerecht werden zu können.

Eine Vielzahl von Korruptionsfällen wurde schon aufgedeckt, weil Informanten aus Behörden, Unternehmen oder Institutionen sich an Journalisten wenden konnten, ohne ihre Entdeckung und damit berufliche Pressionen fürchten zu müssen. Medienschaffende können nämlich generell nicht gezwungen werden, ihre Quellen zu offenbaren. Schließlich vertrauen Menschen der Presse nur dann, wenn ihre Sicherheit nach der Weitergabe von Interna, bei denen es um Probleme, Missstände oder drohende Gefahren gehen kann, gewährleistet ist.

Klar ist aber auch: Für die Richtigkeit einer daraus folgenden Veröffentlichung haften im Sinne des Presserechtes das Medium und der verantwortliche Redakteur, nicht der geheime Informant. Ihm müssen Journalisten vertrauen können. Unerlässlich bleibt dennoch das Nachrecherchieren. Staatsanwälte waren in der Folge schon dankbar, wenn ihnen Nachrichten oder detaillierte Berichte in der Zeitung oder im Fernsehen offiziell Anlass gaben, Ermittlungen aufzunehmen. Die Kontrollfunktion betont der Deutsche Presserat, wenn auch er festhält: „Es ist die legitime Aufgabe der Presse, im wohlverstandenen Interesse der Demokratie Missstände aufzudecken und darüber zu berichten.“

Seit 1969 wird der Wächterpreis der Tagespresse von der Stiftung „Freiheit der Presse“ vergeben. Man will, so wörtlich, „couragierte Reporter auszeichnen, die in Wahrnehmung von staatsbürgerlichen Rechten, den Kampf um eine saubere Verwaltung aufnehmen, Übergriffe der Bürokratie oder anderer Machtgruppen recherchieren und darüber berichten und dabei ohne Rücksicht auf Namen und bestehende Verhältnisse Missstände schonungslos aufdecken.“ Es gehe um Übergriffe, Missbräuche, Missstände und alle Arten von Ungesetzlichkeiten. Mauscheleien, Korruption, Filz und Vetternwirtschaft – alle Arten von undemokratischen oder sozialschädlichen Handlungen sollen recherchiert und kritisch behandelt werden. In einer Lokalzeitung betrifft das auch alltägliche Verwaltungsvorgänge, die Auswirkungen auf Bürger haben und häufig hinter verschlossenen Türen geregelt werden.

So war es auch, als die Main-Post-Journalisten Thomas Fritz und Rainer Stumpf von der Würzburg-Redaktion 2005 mit dem Wächterpreis ausgezeichnet wurden. Die Kollegen hatten sich erfolgreich gegen die Versuche des Zeller Bürgermeisters gewehrt, die Öffentlichkeit von wichtigen Entscheidungen auszuschließen. Ein Jahr zuvor war der renommierte Preis an Andreas Jungbauer, ebenfalls Reporter der Main-Post-Redaktion Würzburg, gegangen. Jungbauer trug mit seinen Hintergrund-Recherchen über die Rolle des Sportfunktionärs Carl Diem während der Nazi-Zeit mit dazu bei, dass die große Würzburger Sport- und Veranstaltungshalle umbenannt wurde.

Es ist also gut, wenn nicht nur Journalisten, sondern auch Politiker die Kontrollfunktion der freien Presse wertschätzen. Bundespräsident Horst Köhler hat die Konsequenzen wohl verstanden, als er im vergangenen Jahr so weise sagte: „In einem Land, in dem das Verhältnis zwischen Politik und Presse immer gut ist, möchte ich nicht leben, geschweige denn als Staatsoberhaupt. Denn ein solches Land ist mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Demokratie, jedenfalls keine lebendige.“

 
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