Wünsche wie die einer Leserin aus der Rhön erreichen mich nicht zum ersten Mal. Sie schreibt mir zunächst, sie liebe seit Renteneintritt morgens die Lektüre der Zeitung, so ohne Zeitdruck. Doch leider würden negative Nachrichten überwiegen, groß aufgemacht, oft wiederholt und aufgebauscht, wie sie findet. Sensationsgier müsse damit wohl befriedigt, Krisen und die negativen Seiten der Zeit aber beleuchtet werden. Die Rhönerin ist nicht die einzige, die das Positive sucht. Und das zuweilen vergeblich.
Der Informationsauftrag, den die Pressefreiheit schützt
Ja, Sensationsgier gibt es auch. Dafür aber, dass auch schlechte Nachrichten in ihrer Entwicklung weiter fortgeschrieben werden, muss in erster Linie berechtigtes Informationsinteresse stehen. Das ist messbar. Menschen sollen erfahren, in welcher Gesellschaft und Umgebung sie leben. Sie wollen sich darauf einstellen, mitreden und bestehen können. Darin lässt sich der Informationsauftrag erkennen, den die Pressefreiheit schützt.
Idealisten, die sich nicht damit abfinden, dass alles den Bach runtergeht
Ich mag aber nicht trefflich darüber hinwegerklären, was tatsächlich Fakt ist: Negative Beiträge überwiegen – auch in der gedruckten Zeitung. Mediennutzer tragen selbst durch eigenes Leserverhalten dazu bei. Was sie mehr nutzen, wird besser bedient.
Lieber aber, als über schlechte Nachrichten menschliche Abgründe zu beklagen, gehe ich auf Besseres ein. In den Lokalteilen sehe ich das Negative nämlich keinesfalls überwiegen. Das lässt einen Weg erkennen. So ist es gut, was die Rhönerin vorschlägt: In Zeiten massiver Existenzängste, auch um das Überleben der Kinder und Enkel, sei es hilfreich über einzelne erfolgreiche Idealisten zu berichten, die sich nicht damit abfinden, dass alles den Bach runtergeht. Es gehe jetzt um interessante, positive Menschen, Wissenschaftler und Tüftler, also um Hoffnungen in einer "verstörten Gesellschaft". Das ist nachvollziehbar.
Kostbarkeiten zwischen weniger erfreulichem Inhalt
Solche Persönlichkeiten, die Vorbilder sein können, werden natürlich schon dargestellt, aber nur vereinzelt. So geraten sie wie Kostbarkeiten zwischen weniger erfreulichen Inhalt. Hier einige hoffnungsvolle Beispiele aus jüngster Zeit: die für ihre Forschung bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten ausgezeichnete Wissenschaftlerin der Universität Würzburg, der fränkische Biobauer mit vier Erfolgsstrategien und eine ganze Reihe von Menschen, die mit bürgerschaftlichem Engagement Zeichen setzen. Mit dabei: die für soziales Engagement bekannte Schauspielerin Michaela May als Patin der diesjährigen Aktion "Zeichen setzen", die diese Redaktion seit knapp zwei Jahrzehnten selbst aktiv betreibt. Oder in Würzburg die Initiative zum "Café zur glücklichen Helene".
Sicher sind diese Beispiele wie Plädoyers im Sinne der Rhönerin. Es gibt gewiss mehr. Man darf sich freilich nichts vormachen: Alleine mit positiven Nachrichten vermag kein Medium zu überleben. Das lässt schon die raue Wirklichkeit nicht zu. Aber mehr geht schon, auch durch konstruktiven Journalismus, der vielfach bessere Wege aufzeigen kann.
Wechselwirkung der Lokalzeitung mit ihrer Leserschaft
Erbauliche Beispiele und Menschen greifen Redaktionen gerne auf. Sie müssen nur bei ihnen ankommen, weil das Lokalzeitung-Machen ziemlich stark auf einer Wechselwirkung mit der Leserschaft fußt. Sie können also helfen, weitere positive Menschen und Entwicklungen für die Zeitung zu entdecken.
Zögern Sie nicht, sie ihrer nächsten Lokalredaktion vorzuschlagen. Das sorgt vielleicht nicht nur für gute Weihnachtslektüre der Rhönerin, sondern wirkt sich auf die Stimmungslage der Leserschaft aus. Die ist ja vielfach auch durch Medien selbst negativ konditioniert, wie es die Neurowissenschaftlerin Maren Urner in ihren Büchern "Schluss mit dem täglichen Weltuntergang" und "Raus aus der ewigen Dauerkrise" aufzeigt. Zuweilen bringt es aber schon eine Verbesserung, wenn man den eigene Perspektive auf Nachrichten verändert.
Vom Blick auf den Boulevard können Zeitungen nicht lassen
Mehr Platz in der Zeitung will die Rhönerin für das Positive schaffen. Der Platz von "Leute von heute" werde, so meint sie, sei bisher verschwendet. Wen interessiere schon, ob das Hündchen von Paris Hilton Durchfall habe oder eine B-Promi ihre Eizellen einfrieren lasse? Redaktionen kennen meist die Antwort: Es sind erstaunlich viele. Vom Blick auf den Boulevard können Zeitungen also nicht lassen. Scheinbar Überflüssiges wird auch auf ihren Seiten zur stark genutzten Unterhaltung oder zur Illusion.
Das gilt in positiven Sinne, wenn ich lese, "Otto Waalkes setzt Humor gegen Sorgen". Und sicher sind Prominente wie die Schauspielerin Michaela May, wenn sie sich sozial engagieren, die besten Vorbilder unter den Leuten von heute.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.
Frühere ergänzende Leseranwalt-Kolumnen:
2008: "Eine leise Heldin, die viel mehr Aufmerksamkeit verdient"
2009: "Die Frage nach den guten und den schlechten Nachrichten"
2016: "Wird der Zustand der Welt zu schlecht eingeschätzt?"
2018: "Kampf um Aufmerksamkeit und Reichweite"
2018: "Kritikwürdiges Boulevardstück"
2019: "Öffentliches Interesse wiegt schwer"
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