
Wenn Biobauer Lorenz Köhler vom Dilemma der unterfränkischen Landwirte berichtet, kommt er schnell auf eine Anekdote zu sprechen, die ihn seit dem Sommer nicht mehr loslässt: Er stand mit einigen seiner Kundinnen und Kunden auf einem Möhrenfeld und erklärte ihnen, dass viele der Karotten aufgrund der verheerenden Dürre heuer krumm gewachsen waren. Da habe der erste gesagt: "Die sind aber schwerer zu schälen." Und der zweite: "Stimmt, deshalb kaufe ich auch immer die geraden."
Er sei schockiert gewesen, erinnert sich der Biolandwirt aus Billingshausen, einem Ortsteil von Birkenfeld im Landkreis Main-Spessart: "Denn am Ende zählt nur, was an der Ladentheke passiert!" Beim Lebensmittelkauf entscheiden sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor nach dem Preis und nach der Optik, ist sich Köhler sicher. Auch wenn sie von ihren heimischen Landwirten mehr Artenschutz, Klimaschutz und Sparsamkeit beim Wasser fordern.
Projektleiter Christian Guschker: "Landwirtschaft ohne Wasser funktioniert nicht"
Vor allem das fehlende Wasser wird für unterfränkische Bauern zunehmend zum Problem. Laut Christian Guschker, Projektleiter der Aktion Grundwasserschutz bei der Regierung von Unterfranken, fiel in diesem Sommer in Unterfranken weniger als ein Drittel des Niederschlags, der bislang üblich war. Guschker sagt: "Das ist ein Wahnsinn. Landwirtschaft ohne Wasser funktioniert nicht!"

Ähnlich äußert sich Nadine Jäger vom Bereich Gewässerschutz der Regierung von Unterfranken: "Seit Jahren gehen die Niederschläge zwischen Juli und September in Unterfranken zurück." Zusätzlich gebe es mehr Hitzetage, die mehr Feuchtigkeit verdunsten und die Böden intensiver austrocknen lassen. Bodenerosion werde in Unterfranken nicht mehr nur durch Starkregen, sondern auch durch Wind ausgelöst - überall dort, wo der Boden extrem trocken sei.
Was also tun? "Die Klimaveränderung ist unumgänglich. Jeder Betrieb muss sie einkalkulieren", sagt Eva Heilmeier vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Karlstadt. Klima-resilient sei nur eine diversifizierte Landwirtschaft. Das heißt: Eine Maßnahme alleine reiche nicht mehr. Jeder Landwirt müsse in seinem Betrieb an vielen Stellschrauben drehen, sagt Heilmeier.
Genau das versucht Lorenz Köhler aus Billingshausen. Der Landwirt ist jemand, der "gerne experimentiert und Neues ausprobiert", wie er sagt. Ein "Pionier unter den unterfränkischen Biobauern" nennen ihn Berufskollegen. In seinem landwirtschaftlichen Betrieb verfolgt Köhler vier Strategien, um seinen Betrieb an den Klimawandel anzupassen.
1. Diversifizierung: Mehrere Standbeine senken das Risiko im Klimawandel

Auf seinen 100 Hektar Ackerfläche im Landkreis Main-Spessart baut Lorenz Köhler neben Getreide und Zuckerrüben auch Süßkartoffeln, Knoblauch und Kürbis an. Sowie weitere Sonderkulturen wie Kichererbsen, Linsen, Lein und Amaranth, die besser mit der Trockenheit zurechtkommen. Druschgewürze wie Koriander und Kümmel stehen ebenso auf seinen Feldern wie Karotten, die bewässert werden müssen.
Seine Produkte werden über den regionalen Lebens- und Naturkostfachhandel verkauft. Zusätzlich hat Köhler einen eigenen Online-Shop. Hülsenfrüchte, Saaten oder Gewürze werden deutschlandweit per Paket versandt. Dieser direkte Absatz sei wichtig, so der 29-Jährige. Denn gerade bei Kulturen, die billig aus dem Ausland kommen, brauche es eine gewisse Wertschöpfung, damit sich der Anbau lohne. Sein Fazit: Die verschiedenen Standbeine des Biohofs senken das Risiko von Ernte-und Ertragseinbußen im Klimawandel.
2. Tropfbewässerung: Bis zu 70 Prozent Wasserersparnis beim Gemüseanbau

Ganz ohne Bewässerung funktioniere klassischer Gemüseanbau in Unterfranken nicht mehr, sagt Landwirt Köhler. Doch um möglichst wassersparend zu arbeiten, bewässert er einen Teil seiner Gemüseflächen über Tropfschläuche. Die Technik stammt aus Israel. Auch wenn das Verlegen und die Instandhaltung sehr aufwändig seien - etwa, wenn wieder mal ein Tier ein Loch in den Schlauch geknabbert hat - ist er von der Bewässerungstechnik überzeugt. "Man liest immer von 30 Prozent Wasserersparnis. Doch in diesem Sommer habe ich insgesamt nur noch 30 Prozent Wasser gebraucht."
Selbst im regenreichen Sommer 2021 sei die Tropfbewässerung hilfreich gewesen, sagt Köhler. Denn Anfang Juni 2021 habe eine kleine gezielte Menge Wasser den Möhren auf seinem Acker über die Hitzeperiode hinweg geholfen. "Hätten wir es nicht getan, hätten wir beim nächsten Regenguss sehr viele geplatzte Möhren gehabt, die wir nicht mehr hätten vermarkten können." Ganz auf Gemüseanbau in Unterfranken zu verzichten, hält der Biobauer für den falschen Weg. "Dann stehen die Brunnen nicht mehr bei uns, sondern in Südeuropa." Wer nachhaltig Gemüse in der Region produzieren wolle, müsse bewässern - aber "mit gesundem Menschenverstand".
3. Zwischenfrüchte: Gut für den Boden und das Grundwasser

Die Landwirtschaft sei Mit-Verursacher des Klimawandels, sagt Biobauer Köhler. Andererseits bekäme man als Landwirt die Klimaveränderung auf dem eigenen Acker direkt zu spüren. Deshalb wolle er die Wirtschaftsweise auf seinem Hof nachhaltig gestalten. Um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten, baut der Landwirt verschiedene Zwischenfrüchte an.
"Für jeden Hektar Hackfrucht steht bei uns ein Hektar Kleegras", sagt Köhler. Dies soll dem Humusabbau entgegenwirken und den Nährstoffhaushalt am Ende wieder auszugleichen. Das zweijährige Kleegras brachte in diesem Dürre-Sommer einen riesigen Vorteil: Der Landwirt musste nicht wie viele seiner Berufskollegen während der Trockenperiode neue Zwischenfrüchte säen, die Kultur stand bereits.
"Zwischenfrüchte fördern den Humusaufbau, schützen vor Erosion, verbessern die Bodenstruktur und die Wasserhalte-Kapazität des Bodens und verhindern, dass während der Wintermonate Nitrat ins Grundwasser ausgewaschen wird", sagt Nadine Jäger von der Regierung von Unterfranken. Dass inzwischen so viele Landwirte Zwischenfrüchte anbauen, zeige Wirkung: Von insgesamt 120 Grundwasser-Messstellen in Unterfranken liegen nur noch 18 über dem gesetzlich erlaubten Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser. "Die Nitratwerte aller Messstellen in Unterfranken haben eine fallende Tendenz", so Jäger. Zum Vergleich: In Niedersachsen gebe es noch immer viele Grundwasser-Messstellen mit über 200 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser.
Darüber hinaus gebe es neue Techniken, um auch bei anhaltender Trockenheit Zwischenfrüchte zu säen, sagt Eva Heilmeier vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Karlstadt. Ein Beispiel: Mit Lehm ummanteltes Zwischenfrucht-Saatgut kann vor der Ernte mit einer Drohne ausgebracht werden.
4. Agroforst: Mit Bäumen und Hecken gegen Hitze, Erosion und Austrocknung

Experimentierfreudig ist Lorenz Köhler auch beim Thema Agroforst: Er kombiniert Sträucher, Hecken und Bäume mit Ackerkulturen. Dabei pflanzt er Baumzeilen, um den Wind zu bremsen und den Boden vor dem Austrocknen zu schützen. Im Sommer sollen die Bäume die Kulturen beschatten und zur Wasserersparnis beitragen. Die herabfallenden Blätter sollen für Humus sorgen. Bei der Baumauswahl hat sich Köhler von der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim im Landkreis Würzburg beraten lassen. Auf seinem Acker wachsen Mango, Banane, Mandeln, Sechuanpfeffer und Goji-Beeren.
Gefragt sind Bäume, die mit Sommertrockenheit ebenso zurecht kommen wie mit Kälte im Winter. "Es ist ein Experimentierfeld", sagt Köhler und rechnet vor: "Wenn ich für die Bäume zehn Prozent meiner Ackerfläche aus der Nutzung herausnehme, kann ich auf den restlichen 90 Prozent über Wasserersparnis denselben Ertrag wie vorher generieren. Wenn ich dann noch eine Baumkultur pflanze, die ich beernten kann, habe ich eine Produktivitätssteigerung."
Laut Eva Heilmeier vom AELF Karlstadt sind Agroforst-Systeme oder auch mehrjährige Blühflächen ein gutes Mittel für Landwirte, um die Wind- und Wassererosion auf ihren Äckern einzudämmen. Sie sagt: "Wir müssen alles dafür tun, um wieder Strukturen in der Landschaft anzulegen. Große Feldstücke gehören im Klimawandel der Vergangenheit an."
Entweder gibt es da ganz neue Sorten die dem Winter trotzen, dann ist das super, dann sollten doch flächendeckender Anbau gemacht werden. Das sind genau die Früchte, die Schiffsladungsweise über dem großen Teich verschickt werden, bzw per Flugzeug die Flugmango.
Alleine mit Bananen wird ein Importwert von ca 900 Millionen Euro transferiert. ?
Das wäre ja Wahnsinn, wieso hat man da noch nichts gehört davon, dass dies schon möglich ist ??
Bei der Entscheidung was angebaut wird sollte die geringste Umweltbelastung den Ausschlag geben.
Treibhaus bzw. Bewässerung vs. Transport.
Und das nicht nach den Preisen, die politisch bestimmt werden, sondern nach den Kosten durch die Umweltbelastung.
Da wird Nachhaltigkeit sowie Regional dann nicht mehr so genau genommen.
Hinzu kommt dann noch die aktuelle Wirtschaftslage die es wahrlich auch nicht einfacher macht.
Ich hoffe doch dass Dies ironisch gemeint war.
Kein erwachsener Mensch sollte so dumm sein zu versuchen den Klimawandel positiv zu sehen.
Wie funktionierte dieser BIO-Landbau ohne exorbitanten Prämienanspruch!?
Kann Köhler auch ausschließlich von seiner eigenen Hände Arbeit leben und existieren!? LandWIRTSCHAFT definiert im eigentlichen, als freier Unternehmer am Markt von den eigenen Erzeugnissen leben wollen zu können.
Scheint heute, wenn man vorstehend Köhlers Einlassungen verinnerlicht, über jedem BIO-Hof fortwährend aus ökonomischer Sicht überaus freundlich die Sonne!?
Erwirtschaftet Köhler auf seinem Hof den Mindestlohn, von dem er gut leben kann!?
Die oberste „EINE BAUERNSTIMME“ ließ erst in der vergangenen KW medial verlautbaren, dass es den deutschen Bauern betriebswirtschaftlich sehr gut ginge - sicherlich gehört auch Junglandwirt Köhler zu den Erfolgsgaranten deutscher Nahrungsmittelsicherheit...
Damit ein Markt zum Vorteil der Allgemeinheit richtig funktioniert müssten auch externe Kosten berücksichtigt werden.
Nitratverseuchte Brunnen lassen sich noch ziemlich genau bewerten, Biodiversität durch Umweltschutz und Landschaftspflege sind aber mindestens genauso wichtig.
Unter Berücksichtigung dieser Faktoren sieht industrielle Landwirtschaft in Verbindung mit Lebensmittel- und Handelskonzernen sehr schlecht aus.
Dort ist weit und breit kein Baum zu sehen….. und der Wind fegt oft über den leeren Boden.
Zusätzlich noch mit Pflanzenkohle gemischten Kompost auf die Felder damit der Boden das Wasser halten kann.
Dann braucht es kein Mainwasser für teueres Geld und fraglicher Nachhaltigkeit.