Der Winter ist gekommen, auch an den Würzburger Dallenberg. Vom Besprechungsraum der Geschäftsstelle aus sieht man auf den verschneiten Rasen der Akon Arena. Die Würzburger Kickers gehen als ungeschlagener Tabellenführer der Regionalliga Bayern in die Pause. Zeit zum Zurücklehnen bleibt für Trainer Marco Wildersinn kaum, schließlich ist er mit einem klaren Ziel in die Saison gestartet: den Aufstieg in die 3. Liga zu schaffen. Im Interview zieht er eine Zwischenbilanz.
Marco Wildersinn: So langsam kann man tatsächlich in Weihnachtsstimmung kommen. Während der Saison ist man ja immer auf das nächste Spiel fokussiert. Jetzt fällt der Druck ab und es beginnt die Phase, in der man zurückblickt. Insgesamt können wir sehr zufrieden sein und völlig verdient die Seele mal ein bisschen baumeln lassen.
Wildersinn: Ich werde schon noch einige Tage mit unserem Sportdirektor Sebastian Neumann ständig in Kontakt stehen und die eine oder andere Planung für den Neustart im kommenden Jahr anschieben. Dann mache ich auch einmal ein paar Tage Pause.
Wildersinn: Ich fahre nicht Ski. Wenn ich es mir aussuchen kann, nehme ich lieber die kurze Hose. Ich fliege mit meiner Familie vor Weihnachten auch noch ein paar Tage in wärmere Gefilde.
Wildersinn: Da haben damals viele Faktoren eine Rolle gespielt. So haben wir im vergangenen Winter im Training und bei Testspielen von Rasen auf Kunstrasen hin- und hergewechselt. Das will ich diesmal möglichst vermeiden. Wir fangen am 8. Januar auf Kunstrasen an und wechseln dann irgendwann auf Rasenplätze. Ich war, was die Trainingssteuerung angeht, in der Vergangenheit mit mir selbst immer im Reinen. Da wurde ja oft spekuliert: Wurde zu wenig oder zu viel gemacht. Letztlich hatte die Entwicklung in der letzten Saison viel mit Pech zu tun, weil sich relativ viele Verletzungen in einem Zeitraum gebündelt haben.
Wildersinn: Das stimmt. Da sind aber auch viele Spieler erst sehr spät zur Mannschaft gestoßen. Bei Trainingsbeginn hatten wir gerade einmal 13 Feldspieler dabei. Das ist jetzt im Winter ganz anders. Wir wollen bis zum Neustart Anfang März voll im Saft stehen. Es soll aber auch in den Vorbereitungsspielen besser laufen als im letzten Winter, als uns zum Beispiel das 2:5 gegen Süd-West-Regionalligist Steinbach in den Knochen steckte. Wir wollen gute Ergebnisse erzielen, um dann mit einem guten Gefühl in das erste Pflichtspiel zu gehen.
Wildersinn: Unser Kader ist groß und ausgeglichen genug. Da lässt sich noch einiges herausholen. Starke Spieler wie Tim Kraus, Pascal Moll oder Luke Hemmerich, die spät zum Team gestoßen sind, waren noch keine großen Faktoren für unser Spiel. Wir können noch besser werden, wenn diese Akteure mal eine ganze Vorbereitung mitgemacht haben. Wichtig wird natürlich sein, dass wir weiterhin von größeren Verletzungen verschont bleiben. Das war bisher ein Pluspunkt.
Wildersinn: Es gibt viele schöne Dinge, die wir erreichen können. Letztlich entscheidet sich das alles ganz am Ende der Saison. Es wird darum gehen, einen langen Atem zu haben. Und wir werden uns, wenn wir unsere Ziele schaffen wollen, auch noch einmal steigern müssen. Es gab zuletzt Spiele, die sehr eng waren und die wir erst ganz am Ende auf unsere Seite gezogen haben. Es muss unser Anspruch sein, jede Partie noch souveräner und klarer zu gestalten. Es geht nicht darum, das gleiche wie in der Vorrunde noch einmal abzuliefern, sondern jetzt den nächsten Schritt zu machen.
Wildersinn: Klar. Das ist auch eine Entwicklung. Am Anfang der Saison hat das in engen Spielen bei den Unentschieden gegen Aschaffenburg oder Aubstadt noch nicht geklappt. Da hatten wir noch nicht diese Wucht und Hartnäckigkeit. Das hat sich entwickelt.
Wildersinn: Meine Herangehensweise hat sich dadurch verändert, dass die Zielsetzung eine andere ist. In der vergangenen Saison ging es darum, nach zwei Abstiegen in Folge schnell aus dem Tal der Tränen herauszukommen, aus vielen neuen Spielern rasch eine Einheit zu formen. Vor dieser Saison musste ich mir überlegen: Was braucht es, um noch erfolgreicher zu sein? Was können wir uns zum Beispiel auch von Aufsteiger Unterhaching abschauen? Es geht jetzt nicht mehr um eine Entwicklung, nicht um gute Stimmung, sondern einzig und alleine darum, erfolgreich zu sein. Es gibt keine Ausreden. Das habe ich auch gleich beim ersten Training der Mannschaft gesagt. Meine Ansprache ist ein bisschen anders. Ich bin kein anderer Trainer, aber ich habe hier im ersten Jahr auch einiges für mich mitgenommen.
Wildersinn: Mit einer solchen Zielsetzung bin ich tatsächlich noch nie in eine Saison gestartet. In Hoffenheim bei der zweiten Mannschaft hieß es: Bilde mal hier diese Spieler aus und schau, dass wir nichts mit dem Abstieg zu tun haben! Das ist jetzt natürlich komplett anders. Aber ich habe mich darauf vorbereitet, in meiner Ausbildung, durch Gespräche mit Kollegen, die solche Situationen schon erlebt hatten und mit eigenen Gedanken, die ich mir dazu gemacht habe.
Wildersinn: Man sollte nicht vergessen, dass wir in der vergangenen Saison schon sehr stark gespielt haben. Platz zwei, 103 geschossene Toren und 80 Punkte mit einer neu formierten Mannschaft sind eine super Bilanz, wenn man das zum Beispiel vergleicht mit Bayreuth als Drittliga-Absteiger in dieser Saison, dann sieht man schon, was das für eine Leistung war. Nach dieser starken Saison hat es mich dann gewundert, dass ich hier schon nach einem Spiel, dem 0:0 gegen Memmingen zum Auftakt, gleich ein bisschen Unzufriedenheit gespürt habe. Ich wollte damals niemanden persönlich angreifen, sondern um Vertrauen werben. Ich glaube, wir haben inzwischen deutlich gezeigt, dass wir das auch verdient haben.
Wildersinn: Logisch. Das stört mich auch gar nicht. Druck ist gut. Ich höre mir auch jeden guten Ratschlag an und denke darüber nach. Letztlich musste sich die Mannschaft aber auch an diese Drucksituation gewöhnen. Sie ist da reingewachsen. Wenn ich mich zum Beispiel an das Spiel in Vilzing erinnere, als beide Teams am 17. Spieltag punktgleich waren, wir dorthin gefahren sind und in dieser Situation einen absolut verdienten 3:1-Sieg geholt haben – das sind Spiele, an denen eine Mannschaft wächst. Fest steht: Am größten wird der Druck ganz am Ende der Saison sein. Deshalb ist es gut, uns nach und nach daran zu gewöhnen.
Wildersinn: Das ist ein normales Phänomen, wenn der letzte Spieltag näher rückt und für den einen oder anderen Spieler noch nicht feststeht, wie es danach weitergeht. Das ist ein Thema, das aber niemand mit auf den Platz nehmen sollte, sondern das in der Kabine bleiben muss. Wir haben nun mal am Ende der Saison sehr wichtige Spiele. Da geht es um alles oder nichts und da kann jeder auch noch einmal Eigenwerbung betreiben. Klar ist: Egal wie das ausgeht, werden wir nicht mit dem exakt gleichen Kader in die neue Saison gehen.
Wildersinn: (lacht) Nein. Ich bin aber derzeit hier. Und die Planungen werden sicherlich nicht erst nach dem letzten Spiel passieren. Klar, auch mein Vertrag läuft aus. Das ist ein Thema, worüber wir schon sprechen. Bisher war dazu zwischen den Spielen wenig Zeit. Das ist jetzt in der Winterpause anders.
Wildersinn: Absolut. Aber auch das werden wir besprechen.
Wildersinn: Es stimmt schon: In Hoffenheim war da vergleichsweise gar nichts los. Da kamen eben in jedem Sommer 13 oder 14 neue Spieler. Aber das Trainingsgelände blieb das gleiche und der Geldgeber war über all die Jahre auch immer der gleiche. In Würzburg herrschen natürlich andere Verhältnisse. Aber das ist bei vielen Vereinen so. Natürlich sollte der Klub immer versuchen, sich zu entwickeln und auf allen Ebenen besser zu werden. Derzeit zeigt der sportliche Erfolg, dass die momentanen Bedingungen gut genug sind, um in der Regionalliga auf Platz eins zu stehen. Es soll und wird deshalb aber sicher keinen Stillstand geben. Am Ende ist es auch wichtig, dass der Verein finanziell gesund ist. Ich denke, da wurde der richtige Weg eingeschlagen.
Wildersinn: Sehr wichtig. Wir haben schließlich ständig miteinander zu tun und denken so gut wie immer in die gleiche Richtung. Klar gibt es auch einmal Diskussionen, die sind durchaus kritisch, aber immer konstruktiv.
Wildersinn: Ich fühle mich hier mit meiner Familie sehr wohl. Würzburg ist eine tolle Stadt mit viel Charme. Deswegen sind ja auch eine Menge Touristen hier. Das kenne ich aus Karlsruhe nicht. Da gibt es nicht viele Touristen. Wir machen viele Ausflüge, erkunden die Gegend, haben eine tolle Nachbarschaft, mit der wir uns gut verstehen. Ich kann mit dem Fahrrad zum Training fahren. Und nicht zuletzt: der Weg nach Karlsruhe zu Familie und Freunden ist auch nicht allzu weit. Ich bin in Würzburg sehr zufrieden.