An diesem Samstag (14 Uhr) wird es beim Heimspiel der Würzburger Kickers gegen den bis zum Schluss hartnäckigsten Verfolger DJK Vilzing feierlich. Zum zweiten Mal nach 2015 werden die Rothosen als Meister der Fußball-Regionalliga Bayern geehrt. Der Vorsitzende des Bayerischen Fußballverbands, Christoph Kern, übergibt den Meisterteller und die Medaillen an das Team, als Belohnung für eine Saison, die danach noch weiter geht.
Erst ein Triumph in den Aufstiegsspielen am Mittwoch, 29. Mai, zu Hause am Dallenberg (19 Uhr) und am Sonntag, 2. Juni, auswärts bei Regionalliga-Nord-Meister Hannover 96 II (13.30 Uhr) und die damit verbundene Rückkehr in die 3. Liga würde die Kickers wirklich zufriedenstellen. Trotzdem lohnt sich ein Rückblick auf die letzten zwölf Monate, in denen die Kickers ihrer Favoritenrolle in beeindruckender Art und Weise gerecht wurden. Das Protokoll einer Meisterschaft in fünf Kapiteln.
Kapitel 1: Aller Anfang ist schwer
Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht die Kickers, wer sonst? Nach der Vizemeisterschaft hinter der SpVgg Unterhaching in der Saison zuvor war die Rollenverteilung vor der neuen Spielzeit eindeutig. Die Würzburger Kickers waren der große Favorit. Sie selbst wollten, sollten, ja mussten erfolgreich sein. Wie es im Fall eines Scheiterns in der kommenden Saison in der Regionalliga weitergehen würde, ist bis heute ungeklärt.
Dabei musste sich das Team auf neue Gegebenheiten einstellen, trainiert seit Sommer nicht mehr in Randersacker sondern auf den vereinseigenen Plätzen an der Sieboldshöhe. Eine Maßnahme aus Kostengründen. Nicht gespart wurde indes am Kader, der blieb mit 20 Feldspielern zwar klein, wurde qualitativ aber aufgehübscht. Das Problem: Viele Neuzugänge stießen erst spät zum Team und spielten in der ersten Saisonphase deshalb keine Rolle. Und auch wenn die Kickers sich schnell an der Spitze der Regionalliga festsetzten, war ein gewisses Rumoren im Umfeld zu vernehmen.
Schon am dritten Spieltag platzte es nach dem 2:0 gegen den FC Bayern München II aus Trainer Marco Wildersinn heraus: "Wir wissen schon, was wir tun", sagte er da. Er wünsche sich mehr Vertrauen. "Wir werden auch mal wieder ein Heimspiel verlieren, dann ist trotzdem nicht alles schlecht und wir haben auch nicht komplett falsch trainiert." Tastsächlich haben die Kickers bis zum heutigen Tag kein einziges Heimspiel verloren.
Kapitel 2: Der Knoten geht auf
Als Kickers-Trainer Wildersinn im Dezember 2023 darüber nachdachte, was denn der emotionalste Moment des Kickers-Jahres gewesen war, fiel ihm auch dieser gleich ein: Es war die fünfte Minute der Nachspielzeit im Heimspiel gegen Greuther Fürth II, als Dardan Karimani den 2:1-Siegtreffer erzielte und sich all die Anspannung mit einem Mal zu lösen schien. Drei Unentschieden in den ersten vier Heimspielen hatten sehr aufs Gemüt gedrückt.
Da konnte es in der Fremde noch so gut laufen. Die aus der Vorsaison bekannten Kantersiege blieben auch danach aus. Trotzdem kamen die Kickers nach dem Last-Minute-Erfolg gegen Fürth so richtig ins Rollen. Bis zur Winterpause gewannen sie zwölf von 14 Spielen und spielten zweimal unentschieden. Eine beeindruckende Bilanz. Routinier Daniel Hägele sagte: "Die Stimmung in der Mannschaft erinnert mich an den Zweitliga-Aufstieg 2020."
Kapitel 3: Unter der Sonne von Mallorca
Ein Vierteljahr ruht in der Regionalliga Bayern im Winter der Ball. Zeit genug, um nachzudenken und womöglich auch, um den Faden, der sich bislang so schön durch die Saison gesponnen hatte, zu verlieren. In der Vorsaison war genau das passiert. Da hatten die Kickers im Frühjahr alle Titelchancen verspielt. Das sollte sich auf keinen Fall wiederholen.
Um zu zeigen, wie ernst es dem Klub mit dem Aufstiegswunsch ist, spendierten Anteilseigner Dominik Möhler und weitere Gönner dem Team ein Trainingslager. Dass auf der Urlaubsinsel, für ein Winter-Trainingslager völlig unüblich, auf Kunstrasen trainiert werden sollte, sorgte auch im Team für eine gewisse Skepsis. Am Ende wogen die Sonne, die frühlingshaften Temperaturen und die entspannte Atmosphäre in der von den Kickers bewohnten Finca dann aber viele Nachteile auf.
Das Team rückte noch einmal enger zusammen, und auch die spät hinzugekommenen Neuzugänge fanden so langsam ihre Rolle. Ein Beispiel ist Tim Kraus, der war in der Vorsaison beim FC Schweinfurt 05 noch meist in offensiver Rolle, zeitweise sogar in der Sturmspitze aktiv gewesen. Auf Mallorca reifte der Gedanke, ihn öfter einmal in der Abwehr einzusetzen. Angesichts der Ausfälle in der Innenverteidigung eine für die Kickers wertvolle Wandlung.
Kapitel 4: Alleine auf weiter Flur
Als Anfang März dann wieder der Ball in Punktspielen rollte, mussten die Klubs Farbe bekennen. Jene Teams, die den Aufstieg in die 3. Liga anstreben, mussten beim Deutschen Fußball-Bund einen Lizenzantrag einreichen. Aus der Regionalliga Bayern tat das neben den Kickers nur der FC Bayern München – für seine U23. Auf die Oberbayern hatten die Kickers da schon mehr als 20 Punkte Vorsprung.
Ob es die sportliche Überlegenheit der Kickers war, die manch einen Kontrahenten schon zuvor entmutigt hatte? Eigentlich egal. Die Kickers waren alleine auf weiter Flur, das eigentliche Saisonziel, die Teilnahme an den Aufstiegsspielen, stand frühzeitig fest. Dass das Team trotzdem nicht nachließ und, anders als in der Vorsaison, keine Anzeichen von Frühjahres-Müdigkeit zeigte, spricht für die Moral und Motivation im Team. Bis zum 27. Spieltag hatten die Rothosen von einer perfekten Saison ohne Niederlage träumen können, ehe es bei Greuther Fürth II ein 1:3 setzte. Da thronten die Kickers aber schon längst über den Dingen.
Kapitel 5: Das Meisterstück
Nur zweimal haben die Kickers in 33 Regionalliga-Spielen verloren, und ausgerechnet nach einer dieser beiden Niederlagen stand die Meisterschaft fest. Gefeiert wurde trotz des 0:1 beim 1. FC Nürnberg II. Dass die Kickers hernach 3:0-Siege gegen Bayreuth und in Schalding-Heining folgen ließen, hob die Laune vor dem Saisonabschluss. Und da wollen die Kickers wieder beweisen, dass sie, wie von den Fans besungen, der "Chef der Regionalliga" sind. "Ich freue mich, dass wir am letzten Spieltag gerade gegen Vilzing spielen. Das ist der verdiente Zweite und eine geile Mannschaft", sagt Wildersinn.