Nach sechs Spielen für Fortuna Düsseldorf in der Fußball-Bundesliga entschied sich der Schweinfurter Oliver Kröner lieber für ein solides Lehramtsstudium, statt seine Profikarriere mit unsicherem Ausgang fortzusetzen. Im Interview spricht der 50-Jährige, der in Schonungen lebt und die DJK Dampfach in der Fußball-Landesliga trainiert, über seinen überwältigenden Auftritt gegen die Weltmeister in Dortmund, seine Dankbarkeit gegenüber zwei Lebensrettern aus Gochsheim und darüber, was er seinen Schülern nach einer Google-Suche antwortet.
Oliver Kröner: Suat Tuncer aus Gochsheim, der als Fußball-Talentscout tätig ist. Kennengelernt haben wir uns über Freunde, da es sportlich nie Berührungspunkte gab. Es schmeichelt mir, dass ich in seiner Jugend ein Vorbild für ihn war, als ich in die Bundesliga gewechselt bin. Unabhängig von der Spielklasse hat aber jeder auf dem Platz eine Vorbildfunktion, die er erfüllen sollte.
Kröner: Meine ersten Vereine waren die DJK Schweinfurt und der FC 05 Schweinfurt. Mit 22 Jahren bekam ich die Möglichkeit, bei Fortuna Düsseldorf Bundesliga zu spielen, bevor ich nach einer halben Saison zum SC Weismain gegangen bin. Ich hatte noch weitere Stationen: FC 05, wo ich insgesamt dreimal war, Würzburger FV, FC Sand, VfL Frohnlach, TSV Großbardorf, SV Euerbach/Kützberg. Dort habe ich mit 43 die aktive Laufbahn beendet und bin Trainer geworden. Derzeit bin ich im fünften Jahr bei der DJK Dampfach. Spielertrainer wollte ich nie sein. Entweder war ich das eine oder bin das andere, aber nicht beides.
Kröner: Bei jedem Verein habe ich gewinnbringende Erfahrungen gemacht, positiv wie negativ. Ich durfte sechs Bundesligaspiele bestreiten. Das war beeindruckend, besonders in Dortmund, als ich in der Startelf war und gegen die Weltmeister Jürgen Kohler, Stefan Reuter und Andreas Möller gespielt habe. Ich möchte das aber nicht zu hoch hängen. Auch die Aufstiege mit Euerbach/Kützberg und Dampfach waren prägende Ereignisse.
Kröner: Es gab noch kein richtiges Sichtungssystem, genauso wenig wie professionelle Berater. Vieles war auf Zufall ausgelegt. Eine Art Spielervermittler hat mich entdeckt. Nach einem Probetraining bei den Stuttgarter Kickers und beim TSV 1860 München durfte ich in Düsseldorf vorspielen. Der Verein wollte mich direkt haben, das konnte ich nicht ablehnen. Bei den Vertragsverhandlungen stand mir mein Vater zur Seite. Düsseldorf hat 150.000 Mark Ablöse an Schweinfurt gezahlt.
Kröner: Nein. Ich hatte wahnsinniges Glück, dass ich für kurze Zeit dabei sein durfte. Anscheinend war ich nicht gut genug, um mich durchzusetzen. Nach der Entlassung von Trainer Aleksandar Ristic, der mich verpflichtet hatte, wurde mir nahegelegt, im Winter einen neuen Verein zu suchen. Ich habe konservativ gedacht und wollte mein Lehramtsstudium in Bamberg fortsetzen. Darauf haben meine Eltern Wert gelegt. Daher habe ich Angebote aus dem Ausland ausgeschlagen. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich mehr Risikobereitschaft gezeigt hätte. Vielleicht hätte es als Profi geklappt. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich einen Beruf gelernt habe. Das Einzige, was mich ein bisschen ärgert: Ich habe es versäumt, mit meinen Gegenspielern das Trikot zu tauschen.
Kröner: Ich habe am ersten Spieltag mein Debüt im Mittelfeld gegeben und wurde gegen Köln eingewechselt. Das hat mich selbst erstaunt, wobei ich in der Vorbereitung meine Leistung gebracht hatte und läuferisch einer der Stärksten im Team war. Drei Tage später stand ich in Dortmund von Beginn an auf dem Platz. Das war überwältigend und surreal zugleich. Ich habe versucht, das Drumherum auszuklammern, um mich auf das Spiel zu konzentrieren und nicht vor Ehrfurcht zu erstarren. Einige Wochen zuvor hatte ich noch gegen Forchheim und Landshut gespielt. Mit 22 Jahren in die Bundesliga zu kommen, nachdem man mit seinem Heimatverein in der Oberliga war, ist heute sehr unwahrscheinlich. Die Strukturen waren damals ganz anders.
Kröner: Die Spieler sind dankbar, wenn es nach Fußball riecht und sie das ein oder andere mit auf den Weg bekommen. Das fängt bei der Spielvorbereitung an, geht über die Fahrt zu Auswärtsspielen und reicht bis zur Trainingsorganisation. Diesem Anspruch werden die Spieler gerecht, weil ich weiß, wo wir uns bewegen. Familie und Beruf stehen an erster Stelle. Diese Grenzen überschreite ich nicht. Es wäre schön, wenn dann der Fußball kommt. Ich mache auch keine Vorgaben zum Freizeitverhalten, zur Ernährung oder zum individuellen Training.
Kröner: Das eine schließt das andere nicht aus. Ich lasse während des Spiels die Pässe meiner Mannschaft zählen, um die Effektivität und den Ballbesitz pro Halbzeit zu ermitteln. Außerdem erfassen wir bei einzelnen Spielern, wie viele Sprints sie machen. Zehn Stück pro Halbzeit sind in der Landesliga ein guter Wert, um schneller als der Gegner zu sein. Gezielte Videoanalysen gibt es jedoch nicht. Dafür wäre der Aufwand auf unserem Niveau zu hoch.
Kröner: Ich bin ein Fußballliebhaber und will mit der Mannschaft attraktiven Fußball zeigen. Mich interessieren die Feinheiten des Spiels, einzelne planvolle Sequenzen wie Ballstafetten. Für mich muss es wie gesagt nach Fußball riechen. Ich gehe nicht zum Sponsor, um einen Bayernligakader zu bekommen. Ich möchte junge, hungrige Spieler haben, die sich weiterentwickeln wollen. Wir spielen nicht um den Aufstieg, sondern um den Verbleib in der Landesliga.
Kröner: Ich fühle mich richtig, wo ich jetzt bin. Ich investiere viel Zeit und Leidenschaft in den Fußball, doch Familie und Beruf haben auch bei mir Vorrang. Ich müsste sehr überlegen, ob es für mich sinnvoll ist, in die Bayernliga zu gehen, vor allem aufgrund der weiten Auswärtsfahrten. Prinzipiell ausschließen würde ich es allerdings nicht.
Kröner: Ich bin Lehrer an der Mittelschule in Bad Königshofen und unterrichte als Klassenleiter alle Fächer. Während des Studiums habe ich ein Auslandssemester in New York absolviert, wo ich an einer Grundschule war und als Jugendtrainer gearbeitet habe.
Kröner: Ich erzähle das nicht im Unterricht. Einzelne Schüler finden es heraus, weil sie meinen Namen bei Google eingeben, und fragen mich, warum ich nicht länger dabeigeblieben bin. Ich antworte immer ganz ehrlich, dass ich nicht gut genug war.
Kröner: Ich bin für vieles im Leben dankbar. Fußball ist eine schöne Sache, doch es gibt Dinge, die weitaus wichtiger sind. Vor eineinhalb Jahren ist mein Vater als Zuschauer bei einem Spiel in Dampfach fast gestorben, als er schräg hinter mir an der Trainerbank einen plötzlichen Herzstillstand hatte. Zwei Ersthelfer aus Gochsheim haben schnell reagiert und ihm durch Reanimation das Leben gerettet.
Kröner: Meinen Weggefährten Pero Skoric, der bis zum Saisonende den TSV Forst trainiert und mit Jugoslawien Juniorenweltmeister war. Wir haben in Schweinfurt zusammengespielt. In Euerbach war er mehrere Jahre mein Trainer. Dort war unser größter Erfolg der Aufstieg in die Landesliga.
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