Weil sein Vater erfolgreicher Bundesligaprofi beim 1. FC Köln war, ist Marcel Gerber in der Metropole am Rhein geboren. Nach der Rückkehr der Eltern in die Heimat wuchs er in Main-Tauber auf. Sesshaft geworden ist der 39-Jährige in Schnackenwerth bei Werneck, nachdem der eigene Traum vom Profifußball während seiner Zeit beim FC 05 Schweinfurt geplatzt war. Im Interview spricht der frühere Defensivspieler, der den Kreisligisten SV-DJK Unterspiesheim trainiert, über seine Saison unter Jürgen Klopp, geplatzte Gehaltsschecks beim FC 05 und eine kuriose Bestrafung durch den Fußballverband.
Marcel Gerber: In den gemeinsamen Jahren bei der DJK Dampfach habe ich Patrick Winter zahlreiche Tore aufgelegt. Umso schöner ist es, dass er mich im Interview steil schickt, nachdem wir in Unterspiesheim seit dieser Saison wieder miteinander zu tun haben. Sein Wechsel war für mich ein Grund, den Trainerposten zu übernehmen. Er ist mit seinen Treffern ein Erfolgsfaktor für uns und als Teamplayer auch neben dem Platz ein angenehmer Typ.
Gerber: In der Jugend habe ich für den TSV Tauberbischofsheim, den 1. FC Nürnberg, Eintracht Frankfurt und den FSV Mainz 05 gespielt. Mit 15 Jahren bin ich von zu Hause weg. Damals gab es noch nicht die Vereinsinternate wie heute. Ich habe bei Gasteltern gewohnt. In Mainz durfte ich als Jugendspieler die komplette Saison mit den Profis unter Jürgen Klopp trainieren und bin in Testspielen aufgelaufen. Für einen Einsatz in der 2. Bundesliga hat es leider nicht gereicht.
Gerber: Es waren die Anfänge seiner Trainerkarriere, doch früh war sein Talent zu spüren, mit Spielern umzugehen. Als ich zum ersten Training kam, war er akribisch vorbereitet und wusste alles über mich. Seine Ausstrahlung und seine Ansprachen fand ich beeindruckend. Er ist ein Menschenfänger.
Gerber: Ich bin 2003 zum FC 05 Schweinfurt gewechselt, der für mich ein Sprungbrett in den Profifußball sein sollte. Allerdings kam zu den sportlichen und finanziellen Problemen mit zwei Abstiegen, dem Lizenzentzug und der Insolvenz des Vereins meine schwere Knieverletzung mit zwei Kreuzbandrissen innerhalb eines Jahres. Danach war der Traum von der Profikarriere beendet, zumal der FC 05 trotz meines Vertrags in der Bayernliga nicht mehr mit mir geplant hat. Ich hatte noch ein Intermezzo beim Würzburger FV und brauchte dann eine Auszeit. Nach den Turbulenzen musste ich Abstand gewinnen. Eineinhalb Jahre hatte ich mit Fußball nichts zu tun und wollte nicht mal die Bundesliga im Fernsehen schauen.
Gerber: Ich war ganz knapp davor, Profi zu werden. Der Weg war geebnet. Mir lag ein unterschriftsreifer Vertrag des Zweitligisten Arminia Bielefeld vor, als zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt der Kreuzbandriss passierte. Damit war der Wechsel gescheitert. Ich musste sechs Monate in die Reha. Andere, zum Teil mit weniger Talent, sind durchgestartet. Das war für mich mit 19 Jahren eine schwere Phase, die sehr an mir genagt hat. Ich habe Zeit gebraucht, um mit diesem Kapitel abzuschließen und die Enttäuschung zu verdauen. Rückblickend muss ich sagen, dass ich daran charakterlich gewachsen bin.
Gerber: Er war ein hochdekorierter Profi, der zwischen 1975 und 1981 für den 1. FC Köln in der Bundesliga und im Europapokal gespielt hat, deutscher Meister und zweimal DFB-Pokalsieger wurde und im erweiterten Aufgebot für die Weltmeisterschaft 1978 stand. Ich wollte in seine Fußstapfen treten. Er hat mich darin bestärkt und mir Tipps gegeben, aber nie Druck ausgeübt. Bei meinen Söhnen – der große ist fünf und spielt seit Kurzem im Verein – werde ich es genauso machen. Das habe ich in der Jugend bei Mitspielern auch anders erlebt. Von denen hat übrigens keiner nur annähernd den Durchbruch geschafft.
Gerber: Schon vor dem Konkurs sind die Gehälter mehrere Monate ausgeblieben und viele Schecks geplatzt. Ich musste mich mit dem Insolvenzverwalter auseinandersetzen, um an mein Geld zu kommen. Zum Glück hatte ich damals noch keine Familie zu ernähren. Einige Spieler haben Pfändungen gegen den Verein veranlasst, so dass an der Stadionkasse die Eintrittsgelder in Beschlag genommen wurden.
Gerber: Ich bekam die Einladung zu einem Lehrgang der bayerischen U-20-Auswahl und habe abgesagt, weil mir für einen Tag unter der Woche der Aufwand mit der Anreise zu groß war. Der Verband hat das nicht akzeptiert und mich mit einer Sperre für die Regionalliga bestraft. Anders war es bei der U-20-Nationalmannschaft unter Trainer Horst Hrubesch. Den Lehrgang habe ich mir nicht entgehen lassen.
Gerber: Weil mein Knie für größere Belastungen zu instabil war, bin ich mit Mitte 20 zu den Amateuren gegangen, zunächst als spielender Co-Trainer, dann als verantwortlicher Spielertrainer und nach dem dritten Kreuzbandriss mittlerweile nur noch an der Seitenlinie – mit den Stationen VfR Schweinfurt, FSG Schweinfurt, SV Obererthal, DJK Dampfach, TSV Waigolshausen und nun SV-DJK Unterspiesheim. Das waren alles Mannschaften zwischen der Bezirksliga und Kreisklasse. Ich habe aktuell nicht das Ziel, höherklassig zu trainieren.
Gerber: Auf keinen Fall. Einige Zeitstrafen und Gelb-Rote Karten waren unnötig, weil wir teilweise undiszipliniert waren und uns Dummheiten geleistet haben. Ich weiß selbst, wie es ist, wenn es mit einem durchgeht. Die Roten Karten entstehen durch unseren Spielstil, der ein hohes Verteidigen vorsieht. So kommt es hinten zu riskanten Situationen, in denen wir für eine Notbremse anfällig sind. Es wurde keiner durch ein grobes Foul weggetreten und vom Platz getragen.
Gerber: Das wäre schön, ist aber nicht der Fall. Es kommen bei gleichbleibender Quote immer die üblichen Verdächtigen. Was ich an der Sache umso schöner finde, ist ein weiterer Sponsor, den wir gewonnen haben. Es gibt eine Reihe von Unterstützern, auf die wir uns verlassen können.
Gerber: Als nach meiner Verletzung feststand, dass es mit dem Profifußball nichts wird, habe ich mir einen Job gesucht und bei Sachs in Schweinfurt angefangen, nachdem ich als Jugendlicher eine kaufmännische Ausbildung gemacht hatte. Heute bin ich bei ZF für die Kundenauftragsabwicklung und Programmplanung in der Logistik zuständig.
Gerber: Es ist 20 Jahre her, dass ich Waios Dinudis beim FC 05 Schweinfurt kennengelernt habe. Wir sind zur selben Zeit in den Verein gekommen und haben viele Mittagspausen zwischen den Trainingseinheiten miteinander verbracht, oft im griechischen Restaurant seiner Eltern in Bad Neustadt. Nach der Insolvenz des FC 05 ist er weitergezogen und hat später in Griechenland gespielt. Seit seinem Abschied als Co-Trainer des TSV Aubstadt hat er nichts mehr mit Fußball zu tun.
Das Interview-Format "Steilpass"
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