Seine Amtszeit beginnt mitten in der Corona-Pandemie, die ersten Tage waren vom Kampf gegen die zweite Infektionswelle geprägt. Seit Januar ist Prof. Jens Maschmann neuer Ärztlicher Direktor des Uniklinikums Würzburg. Der ausgebildete Kinderarzt interessierte sich früh für die Funktionsweise von Kliniken und entschied sich für den Weg ins Management. In Würzburg hat der 51-Jährige die Nachfolge von Prof. Georg Ertl angetreten. Ein Gespräch über Lehren aus der Pandemie, den überfälligen Baubeginn im Norden des Klinikums und die wichtigste Stellschraube im Gesundheitswesen.
Prof. Jens Maschmann: Anfangs war ich innerlich noch hin- und hergerissen zwischen einer Laufbahn als Kinderarzt und einer managementorientierten Karriere. Nach Stationen an den Kinderkliniken in Tübingen und Würzburg habe ich 2002 eine Stelle in der Strategischen Planung in Bielefeld angenommen. Mich hat damals schon die Frage interessiert: Wie funktioniert ein Klinikum als Gesamtorganismus? Innerlich habe ich mich dann langsam von der ärztlich-klinischen Tätigkeit verabschiedet.
Maschmann: Ich bin beides. Natürlich betreue ich nicht mehr mit dem Stethoskop um den Hals Kinder und bin nicht mehr ärztlich tätig. Mir geht es darum, Medizin am Standort Würzburg und im Uniklinikum bestmöglich sicherzustellen und möglich zu machen.
Maschmann: Aus der Managementperspektive geht es mir immer um das Ganze, ich habe keine Präferenzen. Sicher bin ich von der Prägung Pädiater und das Herz schlägt nach wie vor für die Kinderheilkunde. Mein Ziel aber ist es, das Gesamthaus mit allen Anforderungen und Anliegen bestmöglich zu entwickeln.
Maschmann: Da gibt es drei wesentliche Säulen: Zum einen die onkologische Forschung und Versorgung, da sind wir bärenstark und der Zuschlag als Nationales Tumorzentrum unterstreicht das. Der zweite Bereich ist, allein schon aus der Entwicklung heraus, die Herzmedizin. Und eine dritte Säule ist der Infektiologische Bereich, den wir noch mehr mit der Klinik verzahnen wollen. Klar ist: Man wird nicht immer alles machen können, weil das Geld endlich ist.
Maschmann: Ich habe den Eindruck, dass die Krisenbewältigung hier bislang gut gelaufen ist. Was ich jedoch aus meiner vorherigen Station am Uniklinikum Jena weiß: Die Pandemie zwingt dazu, die Taktung umzustellen. Schnelles Entscheiden und Umsetzen allerdings ist man in akademischen Einrichtungen nicht immer so gewohnt. Da ändert sich einiges und dabei wird die Managerseite gefordert.
Maschmann: Ein Punkt sind definitiv die baulichen Anforderungen. Beispiel Zimmergröße: Wir haben noch viele Drei- und Vierbett-Zimmer, die wir während der Pandemie reduzieren mussten. Dadurch nimmt man sich Kapazität, die man anderweitig gut gebrauchen könnte. Das wird beeinflussen, wie wir in Zukunft die Raumstruktur planen. Auch die Größe von Stationen ist ein Thema.
Maschmann: Nicht unbedingt. Vorteilhaft sind aber baulich trennbare Stationen. Diese kann man leichter vom übrigen Klinikbetrieb entkoppeln – etwa eine Brandschutztür schließen und die Station dann ein Stück weit autonom betreiben. So etwas lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen, aber wir werden das in die Bauplanung aufnehmen.
Maschmann: Nach den ewigen Überlegungen, all den Ideen, die wieder verworfen wurden, geht es jetzt in die Konkretisierung. Solche Vorhaben bekommen dann eine gewisse Eigendynamik und irgendwann kommt ein "point of no return", an dem man gar nicht mehr am Bau vorbei kommt. Ich habe keinen Zweifel, dass die Gelder fließen werden. Natürlich habe ich keine Glaskugel und weiß nicht, wie sich die Finanzsituation des Bundes und der Länder entwickelt. Aber die Willensbekundung ist ganz klar, dass eine Milliarde Euro zur Verfügung stehen.
Maschmann: Die Erwartungshaltung ist schlicht, dass die Norderweiterung nun realisiert wird. Und dass das mit Konsequenz und Nachdruck unterstützt wird. Es kann nicht sein, dass wieder jahrelang für nichts geplant wird. Man muss sichere Rahmenbedingungen setzen – und dann muss es auch voran gehen. Sonst bleibt nur Frust.
Maschmann: Es ist eine große Herausforderung. Eine schöne, da man gestalten kann, aber sicher auch eine mit Dekaden-Horizont, da mache ich mir keine Illusionen. Bis wir im Norden den Schlüssel umdrehen können, wird es Ende der 2020er Jahre werden. Entscheidend wird sein, diese Planung voranzutreiben und trotzdem den Standort weiterzuentwickeln. Darin sehe ich eigentlich die größte Herausforderung: dass der Bau des Neuen nicht den Unterhalt und die Entwicklungsfähigkeit des Bestehenden einschränkt.
Maschmann: Die Digitalisierung bietet Chancen, um unsere Expertise in der Region verfügbar zu machen. Das war auch eine Erkenntnis aus Corona: Zwischen den einzelnen Kliniken in Unterfranken und ganz Bayern fand in der Pandemie zwangsweise viel mehr Abstimmung statt. So wurde zum Beispiel digital intensivmedizinische Kompetenz dorthin gebracht, wo Intensivpatienten versorgt werden mussten. Nur: Am Ende sind es die Menschen, die die Versorgung ermöglichen. Ohne Personal funktioniert Medizin nicht. Das ist die entscheidende Stellschraube im Gesundheitswesen in Deutschland: Haben wir genug Arbeitskräfte oder nicht? Da hilft auch die Digitalisierung nicht so viel.
Maschmann: Natürlich. Als Klinikum kann man den technischen Fortschritt nutzen, beispielsweise Künstliche Intelligenz oder Robotik. Und sicher ist eine digitale Patientenakte sinnvoll. Aber wenn man keine Leute hat, keine Pflegekräfte, Hebammen oder Ärzte, die Medizin verstehen, dann nützt das nichts. Am Ende braucht es immer noch jemanden, der mit den Patienten interagiert.
Maschmann: So wie ich es bisher wahrgenommen habe, steht Würzburg noch ganz gut da. Das müssen wir unbedingt erhalten.
Maschmann: Es geht vor allem darum, den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Um mehr Personen anzusprechen, könnte man stärker differenzieren und speziellere Tätigkeiten ausweisen, wie die operationstechnische oder anästhesietechnische Assistenz. Gleichzeitig treiben wir die Akademisierung voran und richten eigene Studiengänge für Pflegewissenschaften und Hebammen ein. Das soll Entwicklungsperspektiven schaffen.
Maschmann: Wichtig ist es vor allem, den Dreiklang Forschung, Lehre und Krankenversorgung immer vor Augen zu haben und bei allen Entscheidungen mit zu berücksichtigen. Da müssen wir intern weiterhin gut daran arbeiten, denn das ist ein Schlüsselfaktor für Erfolg. Daneben wird das angesprochene Werben um gutes Personal sicher noch schwieriger und wichtiger. Insgesamt ist die Entwicklung einer Uniklinik aber immer nur im Team voranzubringen. Da wäre es vermessen, zu sagen, ich als Einzelperson stelle mir das so oder so vor.