Die Corona-Krise hat der Digitalisierung in Deutschland einen Schub verliehen, aber auch viele Defizite offen gelegt. Für Dorothee Bär eine gute Gelegenheit, bei "ihren Themen" voranzukommen. Seit 2018 ist die 42-Jährige aus Ebelsbach (Lkr. Haßberge) Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt. Was ihre politische Zukunft betrifft, gibt sich Bär im Interview zurückhaltend. In München wird die stellvertretende CSU-Vorsitzende derweil als Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Bundestagswahl gehandelt.
Dorothee Bär: Da wissen Sie mehr als ich.
Bär: Wenn man in die Politik geht, sollte man neue Herausforderungen immer reizvoll finden. Spitzenkandidat- oder kandidatin einer Partei zu sein, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Ich verstehe allerdings die ganz große Aufregung darum nicht. Bei der Bundestagswahl geht es doch vor allem um die Frage, wer wird Kanzlerin oder wer wird Kanzler.
Bär: Das wird die Person, die die Mehrheit der Abgeordneten auf sich vereint.
Bär: Das ist noch nicht entschieden. Es wäre auch falsch, jetzt schon einen Namen zu nennen. Bis zur Bundestagswahl dauert es noch über 13 Monate.
Bär: Ich finde es schwierig, irgendetwas in der Politik kategorisch auszuschließen. Wer kann das schon? Markus Söder hat von Anfang an gesagt, dass die CDU das Vorschlagsrecht hat und die CSU ein Vetorecht. Erst einmal muss jetzt die CDU ihre Führungsfrage klären.
Bär: Die Zeit für Frauen ist überall überreif. Das ist nicht Frage. Aber eine Frau kann in Bayern gar nicht Ministerpräsidentin werden (lacht).
Bär: Laut Bayerischer Verfassung muss man mindestens 40 Jahre alt sein, um Ministerpräsident zu werden. Und keine Frau, die ich kenne, wird jemals 40 …
Bär: Ich mache das, was ich gerade mache, wahnsinnig gerne. Aber ja, man verändert sich auch und lernt dazu. Als ich mit Anfang 20 im Bundestag angefangen habe, war der Gesundheits- und Pflegebereich nicht ganz oben auf meiner Agenda. Aber im Laufe der Zeit hat der Bereich der Gesundheit und Pflege durch die Digitalisierung für mich noch einmal einen anderen Stellenwert bekommen- nirgendwo ist der Nutzen digitaler Anwendungen für die Menschen so greifbar, wie etwa bei der Behandlung von Schlaganfällen. Der gesamte Forschungsbereich dazu ist unheimlich spannend. Und seitdem ich Kinder habe, ist das Thema Bildung und Familie mein Herzensanliegen.
Bär: Das wäre sicherlich spannend, aber es kommt darauf an, wie das Ministerium aufgestellt ist.
Bär: Wahrscheinlich ja. Allein schon, weil es gut klingt. Aber es reicht nicht, ein Digitalministerium einfach nur als 14. Haus neben die anderen Ressorts zu stellen. Ein Digitalminister oder eine Digitalministerin bräuchte eine Art Vetorecht, wenn es in anderen Ressorts um Fragen der Digitalisierung geht - so wie der Finanzminister, wenn es ums Geld geht.
Bär: Ich habe immer schon gesagt, dass wir einen Ruck, einen Tritt in den Hintern brauchen, damit sich in Sachen Digitalisierung mehr noch bewegt. Ich habe natürlich nicht an eine Pandemie gedacht. Corona - obwohl sich das niemand gewünscht hat - hat meinen Themen definitiv eine breitere Bühne verschafft und viele Prozesse beschleunigt.
Bär: Ein IT-Projekt wie die Entwicklung der Corona-Warn-App, gemeinsam mit der Online-Community, wäre ohne Corona vielleicht auch gegangen, aber nicht so schnell, der Prozess wäre viel mühsamer gewesen. Die Entwicklung eines Online-Verfahrens, mit dem Entschädigungsleistungen für coronabedingte Verdienstausfälle beantragt werden können, ist uns ebenfalls innerhalb von nur vier Wochen gelungen. So etwas dauert sonst Jahre.
Bär: Videokonferenzen können nicht alle persönlichen Kontakte ersetzen. Bei 100 Prozent digital fehlt etwas. Ich glaube, es braucht insgesamt mehr Vielfalt, auch Mischformen. So wünschen sich viele Frauen in den Kommunalparlamenten, wenn sie kleine Kinder oder pflegebedürftige Angehörige betreuen, dass sie sich auch mal von daheim per Video in eine Sitzung zuschalten können.
Bär: Mobilfunklöcher sind ein Ärgernis. Aber wir sollten die Abdeckung auch nicht schlechter reden als sie ist. Regelmäßig halte ich im Auto auf der Fahrt von meinem Heimatort nach Berlin Videokonferenzen. Das funktioniert einwandfrei.
Bär: Punkt eins sind die fehlenden Tiefbaukapazitäten. Vielerorts ist der Ausbau bewilligt, aber die Unternehmen kommen mit dem Verlegen der Kabel nicht nach. Zweitens müssen wir eine Planungsbeschleunigung hinbekommen, indem wir die Genehmigungsverfahren verbessern. Und drittens, müssen wir als Politik bei den Telekommunikationsunternehmen noch mehr darauf achten, dass sie die Versorgungsauflagen auch so erfüllen, wie sie müssten.
Bär: Die Corona-Zeit hat uns schmerzlich gezeigt, dass wir, was Digitalisierung an den Schulen anbelangt, noch nicht so weit sind, wie wir sein sollten. Digitale Anwendungen in der Schule wurden lange Zeit als „sinnloses Gedaddel“ verpönt. Wir brauchen die richtige Balance zwischen Föderalismus einerseits und Beinfreiheit für Schulleiterinnen und Schulleiter durch Kultusministerium und Schulämter andererseits.
Bär: Wer so argumentiert, unterstellt den Schulleitern, sie seien nicht am Wohl der ihnen anvertrauten Kinder interessiert. Es kommt natürlich auch darauf an, in welchem Bereich man die Unterschiede belässt. Zum Beispiel habe ich nichts dagegen, dass Latein im Saarland anders unterrichtet wird als in Sachsen. Im Bereich Naturwissenschaften oder Digitalkunde sollte es hingegen einheitlich laufen.
Bär: Sie haben ja Recht, wir sind insgesamt zu langsam. Umso mehr freue ich mich, dass Markus Söder mal wieder voranschreitet, um bei der Digitalisierung der Schulen in der Champions-League zu spielen. Aber es gibt eben auch viele Ängste, bei Lehrerinnen und Lehrern, manchmal auch bei Eltern. Auch deshalb habe ich jetzt die Bundeszentrale für Digitale Aufklärung als meine Initiative ins Leben gerufen.
Bär: Die Bundeszentrale richtet sich an alle, an die Lehrerinnen genauso wie an den 75-Jährigen, der verstehen möchte, was seine Enkel mit dem Smartphone treiben. Wichtig ist mir, dass niemand Angst haben muss, auch die einfachsten Fragen zu stellen: Was ist ein Router? Was ist ein sicheres Passwort? Aber auch komplexere Dinge wollen wir dort diskutieren. Wir planen wir eine Veranstaltung zum Thema „Transformation von Schulen“ demnächst, in Zukunft soll es um „Angst vor Strahlung“ gehen.
Bär: Wir sind erst am Anfang. Mir schwebt Volksbildung im besten Sinne vor, der Zugang muss sehr niederschwellig sein. Im Endausbau wünsche ich mir, dass wir übers Land verteilt ehrenamtliche Digitalbotschafterinnen und Digitalbotschafter benennen können, die in ihrem lokalen Umfeld helfen, Fragen zu beantworten und im besten Fall andere für die Digitalisierung begeistern. Schon heute gibt es vielerorts Senioren-Initiativen, die hier großartige Arbeit leisten.
Bär: Wir haben 16,7 Millionen Downloads, mehr als alle anderen europäischen Apps zusammen. Das ist ein Riesenerfolg. Auch die Art und Weise, wie wir die App transparent entwickelt und programmiert haben. Da haben wir viel Vertrauen geschaffen. Selbst der Chaos Computer Club und Transparency International haben uns gelobt. Der Staat New York zeigt Interesse an der App und begründet es mit dem hohen Datenschutz- Niveau.
Bär: Wie bei jedem großen IT- Projekt gab es auch hier Fehler in den Betriebssystemen, einige in der Entwicklung. Aber die wurden frühzeitig erkannt, kommuniziert und dann behoben. Und wie für jede Software gilt auch bei der Warn-App: Die Entwicklung ist niemals abgeschlossen. Deshalb empfehlen wir, die App einmal täglich zu öffnen. Ich finde es schade, dass vielerorts versucht wird, die Menschen zu verunsichern, statt die Vorteile der App bei der Verfolgung von Infektionsketten herauszustellen.
man darf auch gespannt sein, was der "digital-turbo" von markus söder so bringt um in der "champions-league" zu spielen.
mich würde mal interessieren wer momentan in der digitalen champions-league spielt, und in welcher liga bayern bzw. deutschland rumdümpelt.
...in der Politik scheint mir auch heutzutage immer noch das berühmte "Vitamin B" zu sein.
Das stärkt bekanntlich das Immunsystem (man wird immun gegen nicht vorhandenes Fachwissen).
Hauptsache Einkommen und Lebensabend sind fürstlich gesichert
MfG und ... bleiben Sie gesund!
Digitalisierung kann nur funktionieren, wenn es ein stimmiges Gesamtkonzept gibt und wenn die Umstellung einen Mehrwert für die Menschen hat. Digitalisierung kann niemals Selbstzweck sein.
Und genau das vermisse ich aktuell: ein Konzept, das über "besseren Netzausbau" und "Computer für alle" hinausgeht. Insofern wäre ein Digitalministerium, das wirklich in jedem Thema mitarbeitet bzw. mitarbeiten muss, ein Gewinn.