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Würzburg/Schweinfurt
Tennet-Chef zu Stromtrassen wie SuedLink: Strompreis kann sinken - "je schneller wir mit dem Netzausbau sind"
Neue Fernleitungen wie SuedLink oder SuedWestLink sorgen in Unterfranken für viel Protest. Was Tim Meyerjürgens von Netzbetreiber Tennet zu Zeitdruck und Strompreis sagt.
Der Tennet-Chef ist zuversichtlich: Der Widerstand gegen geplante Stromtrassen wie SuedLink oder die Fulda-Main-Leitung sei 'deutlich zurückgegangen', sagt Tim Meyerjürgens.
Foto: Jürgen Haug-Peichl | Der Tennet-Chef ist zuversichtlich: Der Widerstand gegen geplante Stromtrassen wie SuedLink oder die Fulda-Main-Leitung sei "deutlich zurückgegangen", sagt Tim Meyerjürgens.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 23.09.2024 10:55 Uhr

Die Fernleitungen SuedLink, SuedWestLink und Fulda-Main-Leitung: Auf Unterfranken kommen im Zuge der Energiewende einige Großbaustellen zu. Für den bundesweiten Stromnetzausbau ist unter anderem das Unternehmen Tennet TSO GmbH in Bayreuth verantwortlich. Er spüre, dass in der Bevölkerung der Widerstand gegen die umstrittenen Stromtrassen abnimmt, sagt Tennet-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens.

Im Interview blickt der 48-jährige Diplom-Ingenieur in Elektrotechnik auch auf den Strompreis - und auf die Versorgungssicherheit.

Wann wird SuedLink in Mainfranken fertig sein?

Tim Meyerjürgens: Das Wichtige bei dieser Punkt-zu-Punkt-Verbindung ist, dass das gesamte Projekt fertig wird. Der Fertigstellungstermin für den gesamten SuedLink ist 2028. Als wir vor Jahren bei SuedLink den Wechsel von Freileitung zu Erdkabel realisiert hatten, sind wir auf diesen Zeitplan gegangen. Bisher erfüllen wir ihn. Bis Anfang 2025 erwarten wir alle Planfeststellungsbeschlüsse, so dass wir bis dahin den Bau gut vorbereitet haben. Die Kabel liegen in den Lagern oder sind zum größten Teil produziert. Wir werden dann parallel an so vielen Stellen wie möglich arbeiten, so dass wir zuversichtlich sind, dass wir 2028 mit SuedLink in Betrieb gehen können.

Wann wird die Fulda-Main-Leitung fertig? Im Gespräch war bislang 2031.

Meyerjürgens: Die Fulda-Main-Leitung ist unter die EU-Notfallverordnung gekommen. Deswegen können wir die Leitung im nördlichen Abschnitt um zwei Jahre beschleunigen. Wir sind jetzt im Planfeststellungsverfahren und sind gut vorbereitet. Sobald die Planfeststellungsbeschlüsse vorliegen, gehen wir in den Bau.

SuedLink und Fulda-Main-Leitung waren in Mainfranken von Anfang an umstritten. Welchen Widerstand in der Bevölkerung spüren Sie derzeit?

Meyerjürgens: Wir haben diese Projekte in den vergangenen Jahren gerade in dieser Region sehr intensiv diskutiert. Wir haben gemerkt: Mit der Energiekrise, mit dem Bewusstsein für Abhängigkeiten bei der Energie und mit der Notwendigkeit des Netzausbaus ist der Widerstand an den allermeisten Stellen deutlich zurückgegangen. Es gibt vereinzelt Betroffene, die sich kritisch äußern, aber nicht mehr in dem Maße, wie wir es vor einigen Jahren hatten.

Rechnen Sie mit neuem Widerstand, wenn die Bauarbeiten beginnen? Erfahrungsgemäß werden manche Betroffene erst dann aktiv, wenn sie sehen, was vor ihrer Haustür geschieht.

Meyerjürgens: Wir machen eher die umgekehrte Erfahrung. Wir haben dann sehr viel Widerstand, wenn noch wenig bekannt ist über das Projekt. Gerade in der Raumordnungsphase, wenn wir einen relativ breiten Korridor untersuchen, gibt es potenziell sehr viele Betroffene und sehr viel Unsicherheit. Das wird deutlich weniger in dem Moment, wenn wir in die Planfeststellungsverfahren gehen. Weil wir dann den Korridor deutlich einschränken. Damit ist auch die Anzahl der potenziell Betroffenen kleiner. Wenn wir die Beschlüsse haben und die Leute wissen, es kommt, dann gibt es in der Regel auch keinen Widerstand mehr.

"Die Aufgabe bleibt klar: Wir müssen schnell umsetzen."
Tennet-Chef Tim Meyerjürgens über den Ausbau des nationalen Stromnetzes
Der Ausbau des Stromnetzes steht unter einem enormen Zeitdruck. Reicht die Zeit noch?

Meyerjürgens: Das große Ziel ist, dass wir klimaneutral werden. Das Ziel in der EU ist 2050, in Deutschland 2045. In Bayern sogar 2040, das halte ich nicht für umsetzbar. Wir brauchen aber viel Zeitdruck, damit wir schnell vorankommen. Wir sehen, dass wir immer mehr Wetterereignisse haben, die aufgrund des Klimawandels auftreten. Wir sind bei der globalen Temperaturerhöhung von 1,5 Grad schon angekommen, die wir uns ja eigentlich als langfristiges Ziel gesetzt hatten. Wir sind noch nicht an dem Punkt, dass wir keine CO2-Emissionen mehr haben. Also bleibt uns keine andere Wahl, als so schnell wie möglich zu sein. Ob am Ende unser Netzausbau 2037 oder 2038 fertig ist, macht dann nicht den Riesenunterschied. Die Aufgabe bleibt klar: Wir müssen schnell umsetzen.

Erste vorbereitende Arbeiten für die unterirdische Verlegung des SuedLink-Kabel haben begonnen, wie hier am Umspannwerk in Großgartach bei Heilbronn. Dort soll einer der beiden SuedLink-Stränge zwischen Nord- und Süddeutschland enden, der andere in Bergrheinfeld bei Schweinfurt.
Foto: Marijan Murat, dpa (Archivbild) | Erste vorbereitende Arbeiten für die unterirdische Verlegung des SuedLink-Kabel haben begonnen, wie hier am Umspannwerk in Großgartach bei Heilbronn.
Mit Blick auf den Zeitdruck beim Netzausbau kam zuletzt die Diskussion auf, die Pflicht zur Erdverkabelung aufzuheben und doch wieder auf die schnellere Variante mit Strommasten zu setzen. Das würde den Westen Mainfrankens wegen des SuedWestLinks massiv treffen. Wie vernünftig wären Masten?

Meyerjürgens: Wir haben diese Diskussion ganz bewusst nochmal geführt, weil wir mit den Erfahrungen aus SuedLink und SuedOstLink gesehen haben, dass wir nicht schneller geworden sind. Wir haben den Konflikt nur von einer Interessensgruppe auf die nächste verlagert: also von der allgemeinen Bevölkerung, die sich am Landschaftsbild stört, auf die Grundstückseigentümer und Landwirte. Die Landwirte sind sich unisono einig, dass sie lieber eine Freileitung hätten als ein Erdkabel, weil wir dann nicht in ihre Bodenstrukturen eingreifen. Wir haben Anfang des Jahres einen neuen Netzentwicklungsplan von der Bundesnetzagentur bestätigt bekommen, der fünf neue Gleichstromkorridore vorsieht.

Einer davon ist SuedWestLink, der auch durch Mainfranken führen soll.

Meyerjürgens: Genau. Von diesen fünf neuen Korridoren sind zwei auf Bündelungstrassen mit vorhandenen Erdkabelleitungen. Die hatten wir von vornherein gar nicht in der Diskussion, sondern wir haben nur über drei Korridore gesprochen, die komplett neu sind. Wenn man diese drei mit Freileitungen bauen würde, würden wir etwa 20 Milliarden Euro Investment sparen. Das ist eine Größenordnung, die wir für relevant halten. Wir haben deswegen die Politik noch einmal darauf hingewiesen, dass sie sich bewusst sein muss, welche Größenordnung wir da haben. Denn es würde die Netzentgelte um etwa fünf Prozent pro Jahr entlasten.

Das heißt also, bei kommenden Vorhaben sollte es Masten geben?

Meyerjürgens: Wenn wir die Energiepreise in Deutschland geringhalten wollen, dann spricht vieles dafür, solche Potenziale zu nutzen. Wir nehmen aber zur Kenntnis, dass die Bundesregierung wohl am Erdkabelvorrang festhalten wird. Wir bereiten deshalb die kommenden Genehmigungsverfahren auf Erdkabel vor. Wenn wir es einmal in die Genehmigung gebracht haben, dann sollten wir nicht mehr umschwenken. Denn wir haben beim SuedLink gesehen: Dieses Umschwenken kostet unheimlich viel Zeit. Aus Betreibersicht muss ich sowieso sagen, dass ich immer eine Freileitung bevorzuge, weil sie deutlich zuverlässiger ist. Sie hat weniger Ausfall und ist, wenn sie mal ausfällt, schneller wieder am Netz. Eine Erdkabel-Reparatur dauert deutlich länger.

Stichwort Ausfall und Versorgungssicherheit: Wie groß ist die Gefahr eines Kollapses?

Meyerjürgens: Die Betriebsführung der Netze wird immer komplexer. Wir haben nicht mehr 100 große Kraftwerke, die wir zentral steuern, sondern wir haben zehntausende von Kraftwerken, die sich einfach nach dem Wetter verhalten.

Sie sprechen unter anderem von den vielen privaten Solaranlagen.

Meyerjürgens: Ja. Egal, ob große oder kleine Anlagen: Bei Wind und Photovoltaik hat man Erzeugung, wenn das Wetter es erlaubt. Deswegen wird die Netzführung komplexer und anspruchsvoller. Gleichzeitig haben wir eine Versorgungssicherheit in Deutschland von 99,999 Prozent. Wir haben eines der sichersten und stabilsten Netze weltweit. Das ist enorm wichtig für den Wirtschaftsstandort und viele Industrieprozesse. Da darf es keine Unterbrechungen geben, nicht mal kurze. Deswegen arbeiten wir weiter daran, diese Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. Das große Problem sind die Redispatch-Kosten für Netzeingriffe. Es wird also teurer, es wird aber nicht per se unzuverlässiger.

"Je schneller wir mit dem Netzausbau sind, desto eher können wir den Strompreis wieder zurückführen."
Tennet-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens
Strom ist in Deutschland im europaweiten Vergleich teuer. Wird er mit dem Netzausbau billiger, wenn die neuen Trassen fertig sind? Wenn ja, um wie viel?

Meyerjürgens: Der Strompreis setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Eine ist die Erzeugung. Die Stromgestehungskosten von erneuerbaren Energien sind deutlich günstiger als von fossilen Anlagen, weil ich eben keinen Rohstoff brauche. Wind und Sonne sind einfach da. Die andere Komponente sind die Netzentgelte. Tennet investiert massiv ins Netz – und das geht natürlich in die Netzentgelte. Aber als allererstes ist der Redispatch, also die Kosten für die Engpassbewirtschaftung, maßgeblich für die Höhe der Netzentgelte. Wir hatten 2023 in Deutschland etwa drei Milliarden Euro Redispatch. Das ging eins zu eins in die Netzentgelte. Das beste Mittel dagegen sind Investitionen in den Ausbau der Netze. Wir haben hier in 2023 in Deutschland gut vier Milliarden investiert. Dieses Geld schreiben wir über 40 Jahre ab. Es geht also nur zu einem Vierzigstel in die Netzentgelte und macht somit nur einen kleinen Teil aus. Es sorgt aber dafür, dass die Redispatch-Kosten deutlich gesenkt werden können.

Also sinkt der Strompreis in Zukunft?

Meyerjürgens: Grundsätzlich ja. Wir werden es sicherlich nicht in den nächsten zwei oder drei Jahren sehen. Aber je schneller wir mit dem Netzausbau sind, desto eher können wir auch den Strompreis wieder zurückführen.

Tennet-Chef zu Stromtrassen wie SuedLink: Strompreis kann sinken - 'je schneller wir mit dem Netzausbau sind'

SuedLink,  Redispatch und Netzentgelte: Das bedeuten die Begriffe

SuedLink ist Name der 700 Kilometer langen, unterirdischen Leitung, die die Netzbetreiber Tennet und TransnetBW vom Raum Brunsbüttel bis zu einem Umspannwerk bei Heilbronn verlegen wollen. Ab Ende 2028 soll so mehr Strom aus dem windreichen Norden in den energieintensiven Süden Deutschlands gelangen.
Ähnliche Vorhaben, die auch durch Mainfranken verlaufen, sind SuedOstLink und SuedWestLink, deren Planung noch andauert. Die Fulda-Main-Leitung, bekannt unter dem Kürzel P43, dient ebenfalls dazu, das deutsche Stromnetz an immer größeren Mengen an Öko-Strom anzupassen. P43 soll oberirdisch verlaufen, also über Strommasten. Das war ursprünglich auch für SuedLink vorgesehen. 
Redispatch: Strom aus Wind und Sonne ist wetterabhängig, die Schwankungen belasten das Stromnetz. Um es stabil zu halten, müssen Fernleitungsbetreiber wie Tennet häufig Ökostrom-Anlagen in überlasteten Gebieten zeitweise drosseln, gleichzeitig anderswo fossile Kraftwerke anschalten lassen. Die Betreiber der heruntergefahrenen Anlagen müssen entschädigt werden. Dieser Redispatch ist teuer: 2022 belief er sich laut Bundesnetzagentur auf 4,2 Milliarden Euro.
Netzengelte: Die Fernleitungsbetreiber rechnen ihre Ausgaben für den Redispatch in die Gebühr ein, die sie für Nutzung ihrer Leitungen verlangen und die alle Haushalte mit ihrer Stromrechnung bezahlen. Das bedeutet: mehr Redispatch = höhere Netzengelte = steigender Strompreis.
aug
 
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  • Paul Schüpfer
    "Wenn wir die Beschlüsse haben und die Leute wissen, es kommt, dann gibt es in der Regel auch keinen Widerstand mehr." Das erinnert fatal an Merkels "Nun sind sie halt da". Wer vor vollendete Tatsachen gestellt wird, der leistet keinen Widerstand mehr, so geht deutsche Politik. Wird irgendetwas dadurch besser?
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  • Willi Rößner
    Erdkabel statt Freileitungen kosten 20 Milliarden Euro mehr, Redispatchkosten 2022 bei 4,2 Milliarden. Folge: Energiekosten steigen, Industrie wandert ab, Haushalte werden belastet, es geht wirtschaftlich rückwärts.
    Erdkabel sind nicht nur teuer, sondern durch Baggerschäden gefärdet. Reparaturen sind langwierig, teuer und wiederum nur mit Baggereinsatz möglich.

    Zu bestimmten Zeiten haben wir bereits ein Überangebot von erneuerbarer Energie. Zusätzliche Windräder und Solarfelder erhöhen deshalb nur die Redispatchkosten. Wichtiger sind (vernünftige) Investitionen in Speicher- und Energietransportsysteme. Z.B. Südlink.
    Energiespeicherung mit Wasserstoff steckt noch in den Kinderschuhen. Batterien verbrauchen Unmengen seltener und teurer Rohstoffe, irgendwo in der Welt umweltschädlich abgebaut.
    Pumpspeicherwerke im Hochgebirge. Je höher, umso effektiver. Auch teuer, aber sie können zusätzlich Trockenheit und Starkregen ausgleichen und Schmelzwasser zur Energiegewinnung nutzen.
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  • Jürgen Huller
    Ja, warum ist das so?

    https://www.merkur.de/politik/bayern-gas-krise-wie-die-csu-stromtrassen-kampf-91690669.html
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  • Jürgen Huller
    Noch als Ergänzung zum oben verlinkten Artikel: Hätte man mal in der CSU auf Frau Aigner statt auf Herrn Söder gehört, hätten wir das Desaster nicht in dem Ausmass. Aber der wusste schon immer alles besser. Und morgen wieder anders herum.
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