Um den Ausbau der Stromautobahnen in Deutschland zu beschleunigen, zeichnet sich eine Kehrtwende ab, die Brisanz für Unterfranken hat: Die Fernleitungen sollen nicht mehr zwingend unter der Erde, sondern über Strommasten verlegt werden. Dagegen regt sich nun in der Region Widerstand, denn mit der geplanten Kombileitung NordWestLink-SuedWestLink wären vor allem die Landkreise Bad Kissingen und Main-Spessart betroffen.
Dem Fernleitungsbetreiber TransnetBW käme die Kehrtwende recht, denn bei SuedWestLink und ähnlichen Vorhaben herrscht großer Zeitdruck. Worum geht es genau? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Um was geht es bei den neuen Plänen rund um SuedWestLink?
Seit 2015 sollen Strom-Fernleitungen in Deutschland laut Gesetz unterirdisch verlegt werden. So wird das auch bei der 700 Kilometer langen, älteren SuedLink-Trasse geschehen, die wie SuedWestLink durch Unterfranken führt.
Das "Handelsblatt" berichtete zuletzt, dass die Unionsfraktion im Bundestag den Vorrang der Erdverkabelung abschaffen will. Auf diese Weise soll der Bau der Fernleitungen beschleunigt und günstiger werden. Zeitdruck besteht, weil das deutsche Stromnetz durch die stark zunehmende Einspeisung von Öko-Strom stellenweise überlastet ist.
Wie viele neue Strommasten soll es wegen SuedWestLink in Unterfranken geben?
Diese Frage kann TransnetBW "leider nicht beantworten", teilt Sprecher Christopher Göpfert mit. Es müssten für die Strommasten-Variante erst neue Pläne angefertigt werden. Grob gerechnet gilt laut Göpfert: alle 400 Meter ein Mast. Der SuedWestLink-Abschnitt in Unterfranken ist ungefähr 80 Kilometer lang - macht also circa 200 Masten.
Was kritisieren die Fernleitungsgegner?
Seit gut zehn Jahren betonen der Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink (BBgS) und ähnliche Organisationen, dass die geplanten Fernleitungen allein dem internationalen Stromverkehr in Europa dienten und deren Bau überdimensioniert sei. Das Argument der Betreiber, über die Trassen würde in Zukunft Strom aus dem windreichen Norden in den Süden Deutschlands gebracht, sei vorgeschoben.
Die jetzt diskutierte Kehrtwende zurück zu Strommasten zeige, dass "die Bezahlbarkeit des geplanten Netzausbaus zunehmend zum Problem" werde, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der BBgS. "Im Zuge der Energiewende muss tatsächlich das überlastete Stromnetz ausgebaut werden", schreibt der Verband. Doch dies beziehe sich auf das Verteilnetz, also die Verbindungen zwischen Fernleitungen und Haushalten.
Wie reagieren die Fernleitungsgegner in Unterfranken auf die Strommasten-Variante?
Ob es in Unterfranken zu Demonstrationen oder anderen Aktionen kommt, ist offen. "Der Widerstand gegen den völlig überzogenen Stromnetzausbau wird sich erneut verschärfen", kündigte der Bundesverband der Bürgerinitiativen am Dienstag an - ohne Details zu nennen.
Zeitlofs im Landkreis Bad Kissingen wäre gleich doppelt von neuen Strommasten betroffen: Neben dem SuedWestLink soll auch die Fulda-Main-Leitung ("P43") durch das Gebiet der 2000-Einwohner-Gemeinde führen. Das sei völlig überzogen und nicht zu akzeptieren, sagt die Vorsitzende der Bürgerinitiative Pro Sinntal, Elke Müller. Sie kündigte Proteste an, ließ aber ebenfalls Einzelheiten offen.
Kritisch sieht auch Zeitlofs Bürgermeister Matthias Hauke die Strommasten-Variante. Es sei "fast schon unverschämt", dass die Verantwortlichen mit SuedWestLink und P43 gleich zwei Großvorhaben in diesen abgelegenen Teil der Region legten. Hauke sieht nur wenig Protestpotenzial, schon deshalb, weil viele Menschen mit den komplexen Vorhaben überfordert und kaum informiert seien. "Bei vielen gehen die Augen erst auf, wenn alles entschieden ist und die Bagger kommen."
Durch Strommasten für SuedWestLink und P43 würde die Enwicklung seiner Gemeinde womöglich deutlich eingeschränkt, befürchtet Zeitlofs Bürgermeister. Wer wolle schon ein Wohngrundstück in Sichtweite der Masten kaufen?
TransnetBW-Sprecher Christopher Göpfert hält den Fernleitungsgegnern entgegen, dass die Energiewende in Gefahr sei, "wenn die Kosten für den Netzausbau über das notwendige Maß hinaus ansteigen". Auch die Bevölkerung sollte daher ein großes Interesse daran haben, die Kosten so gering wie möglich zu halten.
Masten statt Erdleitungen für SuedWestLink: Was würde sich am Zeitplan ändern?
Das Vorhaben befinde sich "in einem sehr frühen Stadium", noch seien keine Pläne zur Genehmigung eingereicht worden, teilt TransnetBW mit. Klar sei, dass SuedWestLink bis 2037 fertig sein soll. Bei einer Umstellung von Erdverkabelung auf Strommasten rechnet Sprecher Göpfert mit einer Verkürzung von Planung und Bau um insgesamt ein Jahr.
Was ändert die Strommasten-Variante an den Kosten?
NordWestLink und SuedWestLink verlaufen zwischen Niedersachsen und Baden-Württemberg über weite Strecken parallel. Sollte die Strommasten-Variante kommen, geht der Betreiber TransnetBW laut Sprecher Göpfert von einer Halbierung der Kosten für beide Vorhaben aus - also insgesamt 20 bis 23 Milliarden Euro weniger.
Strommasten-Variante: Wie steht es um die Sicherheit und den Verlauf der Trasse in der Natur?
Elke Müller von Pro Sinntal sieht eine Gefahr für die Bevölkerung, wenn Blitze in die Strommasten einschlagen. Dieses Thema komme leider nie zur Sprache.
TransnetBW-Sprecher Göpfert hält dem entgegen, dass "alle unsere Leitungen über notwendige Schutzsysteme verfügen" und alle Grenzwerte sowie gesetzlichen Normen einhielten. Das gelte auch für elektrische und magnetische Felder rund um die Höchstspannungsleitungen.
Bei Erdverkabelung müssten Schneisen durch Wälder gezogen und deshalb viele Bäume gefällt werden. Bei Strommasten seien solche Eingriffe nicht grundsätzlich notwendig, weil die Leitungen "in topografisch günstigem Gelände" auch über Wälder verlegt werden könnten.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die Stromtrassen-Variante beim SuedWestLink kommt?
Das ist offen. Laut "Handelsblatt" will die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Anfang Juni einen Antrag beschließen, den Vorrang der Erdverkabelung zugunsten der Strommasten-Variante abzuschaffen. Der Antrag soll "danach umgehend" zur Abstimmung ins Parlament eingebracht werden.
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte Ende Februar in einem öffentlichen Videogespräch mit dem Aktionsbündnis Trassengegner darauf hingewiesen, dass sich außer Amprion alle deutschen Übertragungsnetzbetreiber – also TransnetBW, Tennet und 50Hertz – für die Strommasten-Variante ausgesprochen hätten.