Seit einem knappen halben Jahr deutet vieles darauf hin, dass die überirdische Stromleitung P43 des niederländischen Netzbetreibers Tennet auch durch Main-Spessart laufen wird. Die Wechselstromtrasse soll mit etwa 250 Strommasten die hessischen Umspannwerke Mecklar und Dipperz mit dem bayrischen Umspannwerk Bergrheinfeld bei Schweinfurt verbinden.
Kommunen und Verbände im Landkreis sind nach wie vor nicht glücklich über den derzeit favorisierten Trassenverlauf. Nach einem Erörterungstermin in Bad Kissingen am 19. und 20. März sah sich der Verein "MSP-Link" zu einer Stellungnahme veranlasst.
In dieser kritisiert der Verein die Kommunikation von Tennet. Einige der Anwesenden hofften bislang noch, dass der Korridor entlang der A7 und eben nicht quer durch Main-Spessart verlaufen könnte. Die Verantwortlichen von Tennet aber teilten nun mit, dass die Fulda-Main-Leitung nach einer Gesetzesänderung im Dezember 2023 mit einer noch höheren Wahrscheinlichkeit durch Main-Spessart laufen werde als es bisher der Fall war.
Sitter bemängelt fehlende Transparenz
Gegen den alternativen Korridor entlang der A7 spricht schon lange das Wasserschutzgebiet bei Römershag in Bad Brückenau. Nach einer Gesetzesnovelle und einer anschließenden Prüfung durch Tennet sprechen nun darüber hinaus auch andere Gründe wie Bündelungsoptionen oder Raumwiderstände gegen diesen Korridor und somit für den durch Main-Spessart. Die Mitglieder von MSP-Link gingen bisher davon aus, dass diese Kriterien eher für die Trasse an der A7 sprechen.
Den Verein verärgert, dass die Informationen zu einem "Berechnungsfehler von Tennet" den Kommunen und Verbänden nicht früher kommuniziert wurden, sondern erst drei Monate nach der Gesetzesnovelle. "Dass der Vorhabenträger diese Fakten wie zwei rosa Kaninchen erst beim Erörterungstermin aus dem Hut zaubert und die betroffenen Kommunen bis dahin völlig im Dunkeln lässt, ist absolut inakzeptabel. Transparenz sieht anders aus", moniert Sabine Sitter, Landrätin von Main-Spessart und 1. Vorsitzende von MSP-Link.
Tennet hielt vorherige Kommunikation nicht für nötig
"Es handelt sich um keinen Berechnungsfehler, da der favorisierte Korridor ja auch nach der Gesetzesnovelle weiterhin bestehen bleibt", entgegnet Ina-Isabelle Haffke, Pressesprecherin bei Tennet und mit zuständig für den Netzentwicklungsplan. Auf Anfrage dieser Redaktion weist sie darauf hin, dass die Argumente, die für die Wahl des MSP-Korridors sprechen, lediglich unterstrichen wurden. Daher hielt der Netzbetreiber es – mangels echter Neuigkeiten – auch nicht für nötig, die Kommunen im Vorfeld des Termins zu informieren, sagt Haffke.
Viel Zeit zur Kommunikation habe es laut der Pressesprecherin ohnehin nicht gegeben. Den Trassenverlauf nach einer Gesetzesänderung erneut zu prüfen, brauche Zeit. "Wir haben im Januar damit begonnen, so ein Verfahren dauert meist einige Wochen", erklärt sie.
Außerdem erschließt sich den Verantwortlichen von MSP-Link nicht, warum der MSP-Korridor zwingend von Tennet als Favorit und der A7-Korridor als unzumutbar eingestuft wird. Laut Stellungnahme liegt auch ein Rechtsgutachten vor, das diese Frage bekräftigt. Schließlich gebe es auf der Route durch Main Spessart im Wernecker Gemeindeteil Ettleben auch ein Wasserschutzgebiet, durch das die P43 laufen würde. Warum, so die Frage des Vereins, ist das dort möglich, in Römershag aber nicht?
Ein Wasserschutzgebiet liegt komplett im Korridor, eines nur teilweise
Haffke verdeutlicht, dass das Schutzgebiet in Römershag fast die gesamte Breite des Korridors in Anspruch nimmt. Somit stellt es einen deutlich höheren Raumwiderstand dar als in Ettleben, wo nur der Rand des Wasserschutzgebietes im geplanten Korridor liegt. "Im Römershag müssten wir Strommasten mitten im Schutzgebiet errichten, in Ettleben wären überhaupt keine Eingriffe in dieser Zone notwendig", verdeutlicht Haffke den Unterschied.
Auch Gemündens Bürgermeister Jürgen Lippert hat den alternativen Trassenverlauf noch nicht aufgegeben. Als zweiter Vorsitzender von MSP-Link merkt er in der Stellungnahme an, dass durch bestimmte Schutzkonzepte eine Gefährdung des Grundwassers auch in Römershag stark begrenzt werden könnte. Aufgrund der mittigen Lage des dortigen Wasserschutzgebietes im A7-Korridor kann dieses Risiko aber in diesem Fall nicht ausreichend minimiert werden, entgegnet Haffke.
Der Verein hofft trotzdem weiter auf eine Abänderung des Verlaufs. "Wir vertrauen nun darauf, dass die Bundesnetzagentur das Zustandekommen der Trassenempfehlung einer kritischen Prüfung unterzieht und unserem Rechtsgutachten eine besondere Bedeutung beimisst", kündigt Sitter in der Stellungnahme an.
Und vor allem ein Fehler sollte jetzt dringend wieder rückgängig gemacht werden: Die Privatisierung des Stromnetzes und weiter Teile der Energiewirschaft. Was ist denn dadurch besser und billiger geworden? Alles wurde nur heruntergewirtschaftet, getreu der Devise: Gewinne privatesieren, Verluste sozialisieren. Und siehe da, jetzt, wo die Gefahr besteht, dass der Ausbau des Stromnetzes richtig viel Geld kostet, will es die Tennet auch nicht mehr haben.