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Bergrheinfeld
SuedLink-Stromtrasse kommt: Warum die Gegner in Unterfranken jetzt trotzdem nicht aufgeben und weitermachen
Der Protest gegen SuedLink im Raum Schweinfurt ist laut. Nun kommen weitere Großvorhaben dazu. Wie die Bürgerinitiative reagiert und was die beiden Vorsitzenden antreibt.
Wollen ihren Widerstand gegen große Stromtrassen fortsetzen: Matthias Göbel (links) und Norbert Kolb, die Vorsitzenden der Bürgerinitiative Bergrheinfeld am Umspannwerk nahe der Gemeidne im Landkreis Schweinfurt. Dort soll einmal einer beiden SuedLink-Stränge enden.
Foto: Josef Lamber | Wollen ihren Widerstand gegen große Stromtrassen fortsetzen: Matthias Göbel (links) und Norbert Kolb, die Vorsitzenden der Bürgerinitiative Bergrheinfeld am Umspannwerk nahe der Gemeidne im Landkreis Schweinfurt.
Irene Spiegel
 und  Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 20.04.2024 02:40 Uhr

Erste Baugenehmigungen für die 700 Kilometer lange Stromtrasse quer durch Deutschland liegen vor, die Bagger stehen auch in Unterfranken bereit: SuedLink wird mit ziemlicher Sicherheit gebaut werden. Gerade im Raum Schweinfurt bleibt das Projekt aber umstritten - auch, weil mit dem SuedWestLink, der Fulda-Main-Leitung (P43) sowie der Trasse P540 weitere Stromnetz-Großvorhaben hinzukommen sollen.

Seit zehn Jahren kämpft die Bürgerinitiative Bergrheinfeld gegen SuedLink. Obwohl weiterer Widerstand aussichtslos erscheint, will der Verein aus dem Landkreis Schweinfurt mit seinen 100 Mitgliedern weitermachen. Vorsitzender Norbert Kolb (56) und Stellvertreter Matthias Göbel (33) erklären weshalb.  

Es bestehen kaum noch Zweifel: SuedLink wird gebaut. Gegen was wollen Sie jetzt noch protestieren?

Norbert Kolb: Wir wollen unseren Widerstand nicht aufgeben. Wir wollen die Kosten, die mit SuedLink zusammenhängen, für die Bürger senken.

Mittlerweile geht es in der Region längst nicht mehr nur um SuedLink: Mit P43, P540, SuedWestLink sind neue Vorhaben dazugekommen. Kämpfen Sie jetzt an mehreren Fronten?

Kolb: Wir kämpfen schon immer nicht nur projektbezogen gegen SuedLink. Es geht uns um das gesamte Streckennetz. Natürlich ist Bergrheinfeld als Knotenpunkt ein Schwerpunkt. Aber es geht generell gegen alle neuen Übertragungsnetzleitungen.

Tennet und TransnetBW argumentieren, es gehe darum, Strom aus dem windreichen Norddeutschland in den Süden zu transportieren und damit die bundesweite Stromverteilung zu verbessern. Ihre Bürgerinitiative behauptet, es gehe um Lösungen für Europa, Deutschland diene nur als Transitland. Was ist so verkehrt daran?

Kolb: Das Schlimme ist, dass die Bürger und die Industrie in Deutschland die Kosten dafür komplett tragen müssen. Wenn man sagt, man will ein europäisches Stromnetz aufbauen, dann sollte man es auch auf europäischer Ebene finanziert bekommen.

SuedLink-Stromtrasse kommt: Warum die Gegner in Unterfranken jetzt trotzdem nicht aufgeben und weitermachen
Die Proteste gegen SuedLink oder die Fulda-Main-Leitung sind bislang aber lokal geblieben. 

Kolb: Das ist seit Anfang an bekannt. Je weiter man von irgendwelchen Trassenplanungen weggeht, desto weniger interessiert es die Leute. Beispiel: Bergrheinfeld ist als Knotenpunkt von mehreren Trassen betroffen. Geldersheim auch. Dort regt sich jeweils Widerstand. Aber drei Kilometer weiter ist das vorbei.

Göbel: Wenn man nicht direkt von der Trasse betroffen ist, aber jeden dritten Tag in den Nachrichten hört, dass der Windstrom vom Norden in den Süden muss, dann glaubt man das irgendwann – ohne sich darüber weitere Gedanken zu machen. Niemand thematisiert die Kosten, niemand thematisiert die Umweltauswirkungen.

Was erwarten Sie: Wie viel mehr wird man in Deutschland pro Kopf für den Strom zahlen müssen, wenn SuedLink gebaut ist?

Kolb: Ein Knackpunkt ist, dass die Bundesregierung im Dezember gut 5 Milliarden Euro an Subventionen für das Höchstspannungsnetz gestrichen hat. Das hat dazu geführt, dass Anfang Januar die Strompreiserhöhung um drei Cent pro Kilowattstunde kam.

Deutschland ist Strom-Transitland, nach offizieller Lesart müssen die Stromtrassen gebaut werden, damit Deutschland den Strom tatsächlich liefern kann. Was wäre denn die Alternative?

Kolb: Wir exportieren und importieren Strom seit ewigen Zeiten. Das kann man bei der Bundesnetzagentur nachlesen. Doch: Es wurden in Deutschland alle Kernkraftwerke abgeschaltet, wir importieren und exportieren aber immer noch Strom. Warum braucht man dann ein zusätzliches Stromnetz?

Matthias Göbel: Es gibt ja schon ein gut ausgebautes Übertragungsnetz in Deutschland. Man muss es halt instandhalten und verbessern. Mit Leiterseilmonitoring zum Beispiel.

Leiterseilmonitoring - was heißt das?

Göbel: Das ist eine Überwachung der Stromleitungen, bei der deren Temperatur gemessen wird. Man kann dann einschätzen, wie viel Strom man durchschicken kann.

Die SuedLink-Leitungen werden 700 Kilometer quer durch Deutschland verlegt – komplett unter der Erde, wie dieses Modell zeigt, das 2023 in Unterfranken bei Bürger-Infotreffen zu sehen war.
Foto: René Ruprecht | Die SuedLink-Leitungen werden 700 Kilometer quer durch Deutschland verlegt – komplett unter der Erde, wie dieses Modell zeigt, das 2023 in Unterfranken bei Bürger-Infotreffen zu sehen war.
Der Energiebedarf steigt. Halten Sie es für realistisch, dass sich zum Beispiel die Schweinfurter Industrie mit dezentraler Energie selbst versorgen könnte? Also durch Windkraft- und Solaranlagen in der Region?

Kolb: Die Energiewende ist ein Prozess, der über Jahre oder Jahrzehnte geht. Eine gewisse Grundlast haben wir ja schon. Nehmen Sie all die Biogasanlagen in Deutschland. Die ersetzen rechnerisch drei Kernkraftwerke und sind grundlastfähig. Sie sichern die Versorgung von acht Millionen Haushalten. Unsere Vorstellung ist eine dezentrale Energiewende. Sie wird sukzessive passieren. Es ist schon viel geschehen, es wurde aber auch vieles abgebrochen. So war vor zehn Jahren in Schweinfurt ein Gaskraftwerk geplant. Es wurde wieder herausgenommen. Das sind aber dezentrale Anlagen, die wir bräuchten.

Göbel: Wir brauchen Gas als Energieträger für die Stromversorgung. Irgendwann wird das der Wasserstoff sein, der an der Küste mit grüner Windenergie erzeugt und anschließend in Deutschland verteilt wird. Das kann man über die vorhandenen Gasleitungen machen: Der Netzausbauplan Gas ist wesentlich günstiger als der beim Strom. Das System muss ineinandergreifen und nicht nur über neue Stromtrassen laufen.

Fühlen Sie sich mit Ihrer Kritik und Ihren Anregungen noch ausreichend von der regionalen Politik verstanden?

Kolb: In letzter Zeit nicht mehr so sehr. Es war schon mal besser.

Wenn in der Region die Arbeiten für SuedLink beginnen, wie wird Ihre BI reagieren? Werden wieder Betretungsverbote für Grundstücke ausgesprochen wie schon einmal?

Kolb: Man hat das Gesetz geändert, damit die Bergrheinfelder ihre Betretungsverbote ziemlich schnell zurücknehmen. Es wurden jeweils 1000 Euro Strafzahlung auferlegt. Das macht keinen Spaß mehr, wenn mit diesen Mitteln die Demokratie ausgehebelt wird. Es wird mit Sicherheit nicht passieren, dass wir mit Schleppern die Baumaschinen vom Acker zerren.

Rechnen Sie damit, dass den Menschen in der Region die Dimensionen von SuedLink klar werden, wenn Bauarbeiten beginnen?

Kolb: Momentan ist die Trasse ja nur ein Strich auf irgendwelchen Plänen. Aber es werden massive Eingriffe sein, die momentan nicht abzuschätzen sind. Hinzu kommt, dass die Gegend um Bergrheinfeld Dolinen hat. Aber das spielt für die Verantwortlichen alles keine Rolle. Das Projekt wird mit Biegen und Brechen durchgedrückt.

SuedLink und weitere Trassen in Unterfranken

SuedLink  ist der Name von zwei unterirdischen Gleichstromleitungen, die nördlich von Hamburg beginnen und bis Oerlenbach (Lkr. Bad Kissingen) parallel verlaufen. Dort zweigt ein Strang zum Umspannwerk bei Bergrheinfeld ab, wo eine Konverterstation den Gleich- in haushaltsüblichen Wechselstrom umwandelt. Der andere Strang verläuft bis Großgartach bei Heilbronn. Die Trasse ist insgesamt 700 Kilometer lang. Verantwortlich sind die Übertragungsnetzbetreiber Tennet und TransnetBW. Ihren Angaben zufolge soll SuedLink Ende 2028 in Betrieb gehen und zehn Milliarden Euro kosten. Erste Abschnitte sind bereits genehmigt, für Unterfranken noch nicht. 
SuedWestLink und NordWestLink sind weitere Vorhaben, die im Herbst 2023 bekannt wurden. Sie sind noch im frühen Planungsstadium, ihr Genehmigungsverfahren ist allerdings schneller als für SuedLink. Alle Projekte haben den Zweck, die "Stromautobahnen" in Deutschland für die Energiewende massiv auszubauen.
P43 und P540 sind Projekte, die im kleineren Radius das Stromnetz entlasten sollen. Direkt haben sie mit SuedLink, SuedWestlink oder NordWestLink nichts zu tun.
aug
 
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  • Erich Waldherr
    Im Norden gibt es nicht genug Windkraft- und PV-Anlagen um den dortigen Strombedarf mengenmäßig zu decken. Was soll dann über die SuedLink und die anderen HGÜ kommen?
    Es gibt genug bestehende 380 kV-Leitungen aus dem Norden nach Bayern:
    https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/17_0002181.pdf dazu kommt noch die „Thüringer Strombrücke“ mit 5 GW https://www.buergerdialog-stromnetz.de/im-dialog/frage-stellen/dienen-die-hgues-wirklich-nur-dem-export-und-der-ueberflutung-des-strommarktes-mit-ueberschuessiger-energie/
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  • Erich Waldherr
    Das Schweinfurter Tagblatt schrieb: „Edo Günther, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Schweinfurt, erwartet durch den Trassenausbau einen schleichenden Prozess mit bis zu 24 Cent mehr pro Kilowattstunde bei den Netzentgelten.“
    Die Übertragungsnetzentgelte haben sich jetzt schon auf 6,43 ct/kWh fast verdoppelt. Wenn diese sich auf 24 Cent erhöhen, werden die Menschen, die es sich leisten können, PV und Speicher bauen. E-Autos sind auch gut geeignet dafür. Die wollen wir doch auch?! Dadurch werden die zu transportierenden Kilowattstunden wesentlich weniger.
    Für die, die diese Möglichkeiten nicht haben, werden die Stromkosten dann viel teurer als 24 Cent!
    Auch wer heute noch für die HGÜ (Hochspannungsgleichstromübertragungstrassen) ist, wird ggf. dafür zahlen müssen!
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  • Hermann Spitznagel
    Dabei werden doch immer Seehofer und Söder als Verhinderer und Verzögerer genannt.
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  • Peter Koch
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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