Wer in Bad Königshofen den Hahn aufdreht, darf das Wasser fast nur zum Trinken, Kochen oder Duschen verwenden. Auch jetzt noch, im Frühjahr 2023, sagt Bürgermeister Thomas Helbling. Vor einem halben Jahr versuchte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) die beunruhigten Menschen im Landkreis Rhön-Grabfeld in der BR-Fernsehsendung "Jetz red i" zu beruhigen. Es seien "herausfordernde Zeiten" in der "trockensten Ecke Bayerns". Die Grundwasserneubildung sei seit Jahren "krass rückläufig", sagte Glauber.
Doch Politik und Behörden würden auf die Situation reagieren. Im trockenen Unterfranken werde die Genehmigung, Wasser für die landwirtschaftliche Bewässerung zu entnehmen, nur noch "auf ein halbes Jahr, auf eine Saison, auf ein Jahr ausgestellt – natürlich nicht mehr wie früher", sagte der Minister.
Wirklich nicht mehr? Ein Rechercheteam von Main-Post und Bayerischem Rundfunk hat in den vergangenen sechs Monaten mehr als 2000 Wasserentnahme-Rechte in Unterfranken erfragt und ausgewertet. Und nach diesen Recherchen zeigt sich ein ganz anderes Bild. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie lange laufen landwirtschaftliche Genehmigungen für Wasserentnahmen in Unterfranken?
104 Genehmigungen für Wasserentnahmen sind 2021 und 2022 für Landwirtschaft und Weinbau in Unterfranken neu ausgestellt worden. Nur vier von ihnen sind auf ein Jahr oder weniger befristet. Alle anderen laufen länger. Betrachtet man nur die neu genehmigten 83 Entnahmen aus dem Grundwasser, haben sogar nur zwei eine Laufzeit von einem Jahr oder weniger.
Ältere Wasserrechte laufen meist viel länger. Unter den mengenmäßig 15 größten landwirtschaftlichen Entnahmen in Unterfranken sind nur zwei auf fünf Jahre befristet: in Unterpleichfeld (Lkr. Würzburg) und in Albertshofen (Lkr. Kitzingen). Eines dieser älteren, großen Wasserrechte im südlichen Landkreis Würzburg ist sogar zeitlich unbefristet. Genehmigt: 90.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr.
Wie lange laufen die meisten Wasserrechte in Unterfranken?
In ganz Unterfranken gibt es mehr als 2000 genehmigte Wasserentnahmen. Wasser entnehmen dürfen demnach Trinkwasserversorger, Firmen, Landwirte, Winzer, Kommunen, Vereine und Fischwirte. Entnommen wird das Wasser aus Brunnen (Grundwasser), dem Main und anderen Oberflächengewässern (Flüssen, Quellen, Bächen, Seen). Die meisten Entnahmen sind auf fünf, zehn oder 20 Jahre befristet. Es gibt aber auch Bescheide, die 30, 40 oder 100 Jahre lang laufen.
Und es gibt sogar mehr als 300 Wasserentnahmen aus Grund- und Oberflächengewässern (ohne Trinkwasserversorger), die zeitlich unbefristet sind. Sprich: Sie gelten theoretisch bis in alle Ewigkeit. Rund ein Fünftel dieser unbefristeten Entnahmen sind auch mengenmäßig unbeschränkt. Das heißt: Die Landratsämter haben dafür keine maximal erlaubte Entnahmemenge festgelegt.
Aus Behördenkreisen heißt es: Bei den Wasserrechten ohne Befristung handele es sich um ökologisch unbedeutende kleinere Wasserentnahmen, zum Beispiel für Fischteiche.
Ein Blick auf die Daten zeigt aber: Selbst bei den 15 größten Grundwasser-Entnahmen in Unterfranken gibt es drei zeitlich unbefristete Wasserrechte – für drei Industrie- und Gewerbebetriebe in den Landkreisen Miltenberg und Rhön-Grabfeld und der Stadt Würzburg. Genehmigt sind Mengen zwischen 300.000 und 780.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr.
Auch beim Main beruht eine industrielle Entnahme im Landkreis Aschaffenburg auf einem unbefristeten Bescheid. Genehmigt sind hier 23 Millionen Kubikmeter Wasser, die zeitlich bis in alle Ewigkeit entnommen und wärmer wieder eingeleitet werden dürfen – unabhängig davon, ob das der Main, der sich im Sommer stetig aufheizt, auch in Zukunft noch verkraftet.
Wie relevant sind unbefristete Wasserentnahmen in Unterfranken?
Fast zwölf Prozent aller Grundwasser-Entnahmerechte in Unterfranken sind zeitlich unbefristet. Mengenmäßig macht das knapp zehn Prozent der insgesamt in Unterfranken im Jahr 2022 genehmigten Wassermenge aus: Bis zu 3,4 Millionen Kubikmeter Grundwasser dürften also jedes Jahr und bis in alle Ewigkeit aus Brunnen in Unterfranken gepumpt werden – auch wenn die Grundwasserstände im Klimawandel weiter sinken. Zum Vergleich: Mit dieser Wassermenge könnte man mehr als Tausend 50-Meter-Olympia-Schwimmbecken füllen.
Beim Main machen unbefristete Wasserrechte sogar fast 15 Prozent der im Jahr 2022 genehmigten Wassermenge aus. Dabei hatte das bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) schon 2019 empfohlen: maximal fünf Jahre Befristung für alle Entnahmen aus Oberflächengewässern. Die Regierung von Unterfranken rät seit 2020, Wasserentnahmen aus dem Grundwasser für die landwirtschaftliche Bewässerung auf fünf Jahre zu befristen.
Warum haben viele Wasserentnahmen so lange Laufzeiten?
"Jede wasserrechtliche Erlaubnis ist eine Ermessensentscheidung des Landratsamtes, die sich auf die Begutachtung des Wasserwirtschaftsamtes stützt", heißt es seitens der Regierung von Unterfranken. Kommen die Ämter zu dem Schluss, eine Wasserquelle sei ergiebig genug oder eine Entnahme ökologisch ungefährlich, können sie auch heute noch längere Laufzeiten genehmigen.
Das Hauptproblem: Die meisten heute geltenden Entnahmerechte wurden vor Jahren, manche sogar vor Jahrzehnten genehmigt. Friedrich Altmann, der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg, sagt: "Die meisten älteren Wasserrechte haben so lange Laufzeiten oder keine Mengenbeschränkungen, weil früher das Wasserrecht oft zu sorglos gehandhabt wurde, weil Wasser gefühlt im Überfluss vorhanden war."
Sind alte Wasserrechte im Klimawandel ein Problem?
Der Sachgebietsleiter Wasserwirtschaft bei der Regierung von Unterfranken, Axel Bauer, sagt: "Wir leben hier in einem Wassermangelgebiet und das nicht erst seit gestern, sondern seit jeher. Die Situation wird immer brisanter. Seit 2003 hatten wir kein richtig nasses Jahr."
Und Professor Theodor Strobl, der renommierte Wasserbau-Ingenieur aus München, der 2021 an einem Gutachten zur Sicherung der Wasserversorgung in Bayern mitgearbeitet hat, sagt zu den unbefristeten Wasserrechten: "So kann man keine auf die Zukunft ausgerichtete Wasserwirtschaft betreiben." Das Wasser, das uns zur Verfügung stehe, werde weniger: durch Klimaveränderung, Versiegelung, Stoffeinträge in die Gewässer, Intensivierung der Landwirtschaft, industrielle Entnahmen, Gewässer-Begradigungen. Strobls Appell: "Wir müssen umdenken!"
Gehen die Ämter heute sensibler mit Wasser um als früher?
Heute sei man viel strenger bei neuen Wasserentnahmen als früher, heißt es seitens der Behörden in Unterfranken. Axel Bauer von der Regierung von Unterfranken sagt: "Wenn Entnahmen heute neu genehmigt werden, kommt es regelmäßig vor, dass die Mengen reduziert werden müssen und den Entnahmewünschen nicht entsprochen werden kann."
Und Wasserwirtschaftsamt-Chef Friedrich Altmann fügt hinzu: "Wir hinterfragen bei allen neuen Bescheiden immer mehr Details. Landwirten genehmigen wir in Unterfranken nur noch maximal 30 Prozent des Grundwassers, das sich auf ihrer bewirtschafteten Fläche neu bildet."
Kann man alte Wasserrechte im Klimawandel aufheben?
Alte Wasserrechte aufzuheben sei schwer bis nahezu unmöglich, so der Tenor aus den Ämtern in Unterfranken. Denn man müsse nachweisen, dass eine bestimmte Wasserentnahme ökologisch schädlich oder nicht mehr vertretbar sei. Das sei in etwa so schwer zu belegen wie dass ein bestimmter Autofahrer den Klimawandel anheize, sagt der Leiter des Wasserwirtschafsamtes. Deshalb konzentriere man sich auf Bescheide, die in den nächsten Jahren auslaufen und anschließend neu beantragt werden müssen.
Was sagt das Umweltministerium zu den langen Laufzeiten vieler Wasserrechte in Unterfranken?
Auf Nachfrage zu den Laufzeiten genehmigter Wasserrechte in Unterfranken teilt das Umweltministerium mit: Für die Umsetzung in der Praxis seien die Kreisverwaltungsbehörden zuständig. Und: "Das Umweltministerium wird daher die Regierung von Unterfranken auffordern, die Landratsämter darauf hinzuweisen, neue wasserrechtliche Entnahmebescheide bei entsprechender fachlicher Stellungnahme mit möglichst kurzen Laufzeiten zu erteilen."
Daher braucht er eine längere Erlaubnis.
Diese Erlaubnis muss aber einen entsprechend eingeschränkten Umfang haben.
Es kann aber z. B. auch geregelt werden das nur bis zu einem Grundwasserstand von xy m Grundwasser entnommen werden darf.
Oder näher am Thema Umweltschutz: Politiker, die mal eben Gesetze durchdrücken wollen, dass die Bevölkerung ihre langjährige Heizung nicht mehr verwenden dürfen.
Warum sollte das bei einem derartig nachvollziehbaren Grund (immer bedrohlichere Wasserknappheit) nicht genauso gehen?
Hier geht's schließlich um nichts Geringeres als unser aller Lebensgrundlage Wasser!
Ich finde, Ihr macht das wirklich gut.
Vielen Dank an dieser Stelle.
Wo sind die Gesetzesentwürfe der Regierung aus CSU/FW?
Und für Ihren Blutdruck: ändere "Schuld" in "Mitschuld"🙄
Zum anderen ist nicht verständlich, warum die Wasserrechte nicht eingeschränkt werden können. In jedem anderen Bereich können Freiheitsrechte mit ausreichender Begründung eingeschränkt werden. Im Bereich des Feinstaubs kann auch ein Fahrverbot für ältere Fahrzeuge verhängt werden, auch wenn nicht exakt nachweisbar ist, dass genau ein spezielles Fahrzeug für die erhöhten Feinstaubwerte verantwortlich ist.
Ein normaler Bürger zahlt für das Leitungswasser selbst auch nichts. Es werden lediglich die Kosten der Infrastruktur (Wasserwerk, Leitungen, Speicher, Kontrollen, ...) umgelegt. Ebenso beim Abwasser. Auch da werden nur die Kosten für Leitungen, Kläranlage, etc. auf die Nutzer umgelegt. In Ermagelung eines besseren Schlüssels nimmt man halt die Menge an Leitungswasser.
Wenn aber z.B. ein Landwirt Wasser aus einem eigenen Brunnen entnimmt und damit seine Felder bewässert, trägt er die Kosten für seine Infrastruktur selbst und nutzt weder Wasserleitung noch Kanalisation.
Man könnte natürlich trotzem für dieses Wasser Geld verlangen, aber mit Leitungswasser und Kanalisation hat es wirklich nichts zu tun.