
Die Zahlen sind alarmierend: Bei mehr als der Hälfte aller Entnahmerechte aus dem Grundwasser wissen die Landratsämter in Unterfranken nicht, wie viel Wasser im Jahr 2021 tatsächlich entnommen worden ist. Ob sich in diesen Fällen Landwirtschaft, Weinbau, Industrie, Kommunen, Vereine an ihre erlaubten Wassermengen halten, weiß niemand.
Das erlaubte Maximum für diejenigen Entnehmer, die für 2021 keine Daten meldeten, beträgt zusammengerechnet beim Grundwasser etwa 17,5 Prozent der gesamten genehmigten Entnahmemenge - und damit mehr als 6 Millionen Kubikmeter Wasser. Für die Jahre 2018 bis 2020 sind die Datenlücken sogar noch größer.
In zahlreichen Hintergrundgesprächen mit Behördenvertretern bei der gemeinsamen Recherche von Main-Post und Bayerischem Rundfunk wurde deutlich: Landrats- und Wasserwirtschaftsämter sind überlastet und kommen nicht hinterher, die Daten nachzufordern. Kontrolliert wird nur stichprobenartig. Zudem gibt es alte Wasserrechte, denen jegliche Auflagen zur Eigenüberwachung fehlen.
Was bedeutet es, wenn Wasserentnahmen in Bayern praktisch kaum kontrolliert und alte Wasserrechte nicht an aktuelle Klimabedingungen angepasst werden?
Der renommierte Wasserbau-Ingenieur Prof. Theodor Strobl erklärt im Interview die Folgen. Von 1973 bis 1989 war Strobl in leitenden Funktionen bei der Obersten Baubehörde im Freistaat verantwortlich für die Realisierung der großen Wasser-Überleitung von Süd- nach Nordbayern aus der Donau in das Maingebiet. 2021 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Für die Staatsregierung erarbeitete der 81-jährige ehemalige Lehrstuhlinhaber an der TU München zuletzt in einer Expertenkommission ein Gutachten zur Frage, wie man Bayerns Wasserversorgung in Zukunft sichern kann.
Prof. Theodor Strobl: Eindeutig: Diese Entnahme-Praxis ist nicht mehr zeitgemäß. Sie muss dringend verbessert werden. Wir brauchen in Zukunft viel mehr Daten. Wir müssen genau wissen, wie viel Wasser an welcher Stelle tatsächlich entnommen wird.
Strobl: Die Grundwasserstände in ganz Bayern sinken. Gleichzeitig steigen die Ansprüche. Vorausschauend zu handeln, wird immer schwieriger. Die Landwirtschaft in Bayern entnimmt ihr Bewässerungswasser zu zwei Dritteln aus dem Grundwasser. In Zukunft wird es umso wichtiger, dass wir nicht mehr Wasser entnehmen, als sich neu bildet. Dafür müssen wir genau wissen, wie viel Wasser wo vorhanden ist und wie viel entnommen wird. Erst dann kann entschieden werden, wie viele zusätzliche Entnahmen noch nachhaltig sind.
Strobl: Alle Wasserentnahmestellen müssen mit einem Monitoring und digitaler Datenübertragung ausgestattet werden. Zählerstände müssten automatisch an die Behörden übermittelt werden. Aber auch das Grundwasser-Monitoring muss verbessert werden. Das Wassermanagement muss auf ausreichenden Daten basieren. Und wir brauchen dafür deutlich mehr Personal.
Strobl: Um die Jahrtausendwende hat der Freistaat radikal Personal in der Verwaltung eingespart. Statt effektiver Kontrollen konzentriert man sich heute auf Stichproben. Vorher gab es allein für die technische Gewässeraufsicht in der Fläche 350 Stellen in Bayern, die größtenteils weggefallen sind. Die bräuchten wir wieder!
Strobl: Dies war schon in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt. Deswegen erstellte damals die Oberste Baubehörde die Studie zur Überleitung, die 1970 im Bayerischen Landtag mit Kosten von 560 Millionen D-Mark einstimmig beschlossen wurde. Der Süden Bayerns verfügt über etwa drei Mal so viel Wasser wie der Norden. Ohne die Donau-Main-Überleitung hätte es längst massive Probleme bei der Gewässergüte in der Regnitz und im Main gegeben. Ohne die Überleitung von Trinkwasser aus dem Grundwasser des Lech-Mündungsgebiets wäre die Trinkwasserversorgung in Franken an ihre Grenzen gestoßen. Ohne das Wasser aus dem Süden wäre Nordbayern in seiner Entwicklung stark eingeschränkt gewesen.

Strobl: Das Hochwasser der Altmühl war in der Vergangenheit eine Geisel für die Menschen vor Ort. Das Brombachtal bestand aus Sandgruben und ähnelte einer Mondlandschaft. Franken war von Trockenheit geplagt. Damals wurden 20.000 Hektar Kulturland umgestaltet. Es wurden fünf Talsperren, 27 Wehre, 100 Brücken, drei Wasserkraftwerke und 80 Kilometer Rad- und Wanderwege gebaut. Es entstanden auf sieben Quadratkilometern Naturschutzgebiete. Die Seenkette im Brombachtal ist heute ein florierendes Naherholungsgebiet. Über die Donau-Main-Überleitung wurde bis heute etwa zwei Mal das Volumen des Ammersees nach Franken übergeleitet. Damit wurden wasserwirtschaftliche Engpässe kompensiert.
Strobl: Die Überleitung stößt heute an ihre Grenzen. Die übergeleiteten Wassermengen sind immer weiter gestiegen. Von 2000 bis 2010 wurden pro Jahr im Mittel 133 Millionen Kubikmeter übergeleitet. Von 2011 bis 2022 erhöhte sich die Menge auf 175 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Im Trockenjahr 2020 mussten sogar 263 Millionen Kubikmeter aus dem Donaueinzugsgebiet zur Stabilisierung der Gewässer in Nordbayern beitragen. Doch im Klimawandel führt auch die Donau im Sommer immer weniger Wasser. Wenn es dort kritisch wird, springt der Brombachsee ein. In einzelnen Jahren hat man schon 40 Millionen Kubikmeter aus dem See entnommen. Aber das Seensystem ist ein Naherholungsgebiet. Man kann den See vor allem im Sommer nicht unbegrenzt absenken.

Strobl: Das Wasser, das in das Regnitz-Main-Gebiet übergeleitet wird, war von Anfang an gedacht als Puffer für Notzeiten: um die Gewässergüte des Mains zu erhalten und nicht, um immer mehr Bewässerungswünsche zu befriedigen. Vor allem nicht, solange Wasserentnahmen nicht ausreichend kontrolliert werden können.
Strobl: So kann man keine auf die Zukunft ausgerichtete Wasserwirtschaft betreiben.
Strobl: Früher war das Wasser, das uns zur Verfügung steht, ein Fixum. Heute wird es weniger: durch Klimaveränderung, Versiegelung, Stoffeinträge in die Gewässer, Intensivierung der Landwirtschaft, industrielle Entnahmen, Gewässerbegradigungen. Wir müssen umdenken! Wir müssen mit Wasser sensibler umgehen, Wasser in der Fläche zurückhalten und Wasser einsparen! Das geht am wirkungsvollsten über den Preis. Bayern ist eines der wenigen Bundesländer ohne Wassercent. Doch was nichts kostet, ist nichts wert. Wasser ist ein Allgemeingut, das auch für die Landwirtschaft und die Industrie Geld kosten sollte. Ohne Wasser kein Leben. Um Konflikte beim Wasserverbrauch zu verhindern, muss vorausschauend gehandelt werden, damit wir auch in Zukunft friedvoll miteinander umgehen, wenn es darum geht, Wasser zu verteilen.
Nicht nur der "Wassermangel" ist seit den 60ern bekannt. Auch der deutlich bis dramatisch sinkende bzw. bereits zurückgegangene Grundwasserspiegel ist keine überraschende, neue Erkenntnis. Mich würde hier interessieren wieso die zuständigen Behörden hier so lange (scheinbar) untätig waren und keine Ursachenermittlung betrieben wurde.
Das grenzt für mich an eine schwere Amtspflichtverletzung. Welche Konsequenzen resultieren daraus?
Da frage ich mich weshalb man das Aus für den Hafenlohrtal-Speicher beschlossen hat?
>Da frage ich mich weshalb man das Aus für den Hafenlohrtal-Speicher beschlossen hat?
Herumdoktern an den Symptomen statt an den Ursachen?
Wenn es vor mehr als 50jahren bekannt war das uns hier irgendwann im Sommer das Wasser ausgeht. Wäre der Wasserspeicher kein rumgedoktere sondern präventiver Umweltschutz gewesen.
Jetzt wird das Grundwasser abgepumpt.
https://www.fwm-wue.de/Zahlen-und-Fakten.html
……somit wird nun ein neues Symtom erzeugt.
Für Talsperren giltet:
Spare in der Zeit dann hast du in der Not.
Eine Talsperre benötigt Niederschläge um sie zu füllen.
Was mit solchen Talsperren passiert kann man an ziemlich aktuellen Bildern aus den USA übrigens "wunderbar" sehen ...
Seit Jahrzehnten bleiben die Niederschlagsmengen teils deutlich hinter den langjährigen Mittelwerten zurück; seit knapp 25 Jahren mit zunehmender Tendenz. Mit etwa Oktober 2013 hat sich die Situation nochmals verschärft. Beispiel: Seit Januar 1996 hat sich für Würzburg die Fehlmenge auf fast 1 Tonne Wasser pro Quadratmeter Boden aufsummiert. Die Daten dazu kann man aus dem CDC des DWD herunterladen (Für alle, die es nicht glauben ...).
Und ein großer Teil Unterfrankens liegt in einem Becken das von Alters her durch die Randgebirge von Niederschlägen abgeschirmt wird. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern ...
Wer denkt das Problem durch den Bau von Talsperren gebacken zu bekommen hat immer noch
nicht verstanden, daß an erster Stelle der sorgsame Umgang mit dem kostbaren Naß stehen muß.
Vor 2 Jahren war zu lesen, endlich ist der Hafenlohrtal-Speicher nicht nur aus den Köpfen sondern auch aus den Plänen und Akten verschwunden.
Kaum war das geschehen, ging es los über Wasermangel zu reden.
Empfehlung: Jeder benutzt die WC-Spülung 1x am Tag weniger und Unterfranken spart
2,5 Millionen Kubikmeter, nicht Grundwasser,sondern aufbereitetes Trinkwasser.
Wenige bekommen den Hals nicht voll, der Rest muss sich erheblich einschränken. Dann können die Behörden das nicht mal kontrollieren, schon bleibt alles wie es ist. Wasserentnahme ohne Limit und Kontrolle. Das muss ja so enden.
Von wegen flächige Digitalisierung.