Wer darf in Unterfranken kostenlos Wasser aus der Natur entnehmen und wofür? Vor sechs Monaten hat ein Rechercheteam der Main-Post gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk begonnen, von allen neun Landratsämtern und den drei kreisfreien Städten die Entnahmerechte für Grundwasser und Oberflächengewässer in Unterfranken zu erfragen. Und den Datensatz mit mehr als 2000 Einträgen auszuwerten.
"Die Daten erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit" - diese Rückmeldung hat die Redaktion so oder ähnlich von fast allen Ämtern erhalten. In vielen Fällen wurden auf konkrete Nachfragen selbst große Entnahmerechte nachgemeldet, die sich "in anderen Wasserbüchern" befanden und offenbar vergessen worden waren.
Uneinheitliche Daten, fehlender Überblick, Geheimniskrämerei: Was wir wissen und was nicht
Die Recherche legt offen, wie uneinheitlich Daten über Wasserentnahmen in unterschiedlichen Ämtern erfasst, verwaltet und kontrolliert werden. Sie zeigt, wie oft der Überblick darüber fehlt, welche Entnahmen genehmigt sind. Wie mangelhaft die Wasserentnahmen in der Fläche kontrolliert werden. Und welche Geheimniskrämerei in Bayern um die Namen derjenigen gemacht wird, die Wasserrechte besitzen. Bis auf die Stadt Aschaffenburg haben sich alle Ämter in Unterfranken geweigert, die Namen der Wasserentnehmer zu nennen.
Trotz aller Einschränkungen: Aus den Daten, die den Redaktionen der Main-Post und des Bayerischen Rundfunks vorliegen, den Auswertungen des Rechercheteams sowie zahlreichen Hintergrundgesprächen mit Ämtern und einzelnen großen Wasserentnehmern lassen sich wichtige Erkenntnisse ziehen.
Welche Wasserquellen werden in Unterfranken angezapft?
Insgesamt gibt es in Unterfranken mehr als 2140 Genehmigungen für Wasserentnahmen. Die Entnahmerechte der Trinkwasserversorger nicht eingerechnet, sind es knapp 1900 Wasserrechte. Die meisten Wasserrechte hat der Landkreis Kitzingen vergeben (über 400), gefolgt von den Landkreisen Würzburg und Schweinfurt. Die wenigsten, dafür aber für große Entnehmer, haben die Städte Schweinfurt und Aschaffenburg (jeweils elf).
Entnommen wird Grundwasser sowie Wasser aus vielen Quellen, Bächen, Seen und Flüssen. Die größten Entnahmen aus Oberflächengewässern erfolgen aus dem Main, der Elsava im Landkreis Miltenberg, der Aschaff in der Stadt Aschaffenburg, der Fränkischen Saale im Landkreis Bad Kissingen und dem Haselbach im Landkreis Main-Spessart.
In ganz Unterfranken gibt es aktuell etwa 1400 Genehmigungen, Grundwasser zu entnehmen und etwa 250 Entnahmerechte aus dem Main. Der Rest verteilt sich auf die anderen Oberflächengewässer.
Wofür wird in Unterfranken Wasser entnommen?
Das Wasser fließt in Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau, in die Bewässerung öffentlicher Grünanlagen, Friedhöfe und Sportplätze, in Dorfbrunnen, Löschteiche, Fischteiche, an Privatpersonen, an Aussiedlerhöfe, die ihre Gärten bewässern und ihre Höfe reinigen sowie an Gewerbebetriebe und die Industrie, die das Wasser zu Produktions- und Kühlzwecken benötigt.
In vielen Fällen haben Landratsämter eine Wasserentnahme gleich zu mehreren Zwecken genehmigt. Zum Beispiel zur Bewässerung eines Sportplatzes, der Hofreinigung und Gartenbewässerung eines Landwirts und außerdem noch für die Bewässerung einer öffentlichen Grünanlage. Alle Entnahmerechte, in denen das Wasser keinem eindeutigen Zweck zuzuordnen war, haben die Ämter, in einigen Fällen auch die Redaktion, unter "Sonstiges" zusammengefasst.
In welchen Landkreisen entnehmen Landwirte und Winzer viel Wasser?
Landwirtinnen und Landwirte in Unterfranken entnehmen laut den Daten, die der Redaktion vorliegen, ihr Wasser für die Bewässerung zu 80 Prozent aus dem Grundwasser und zu etwa 20 Prozent aus Oberflächengewässern. Bei Winzerinnen und Winzern ist das Verhältnis genau umgekehrt.
Die größten Wasserentnahmen für den Weinbau erfolgen im Landkreis Kitzingen, die größten Entnahmen für die Landwirtschaft im Bereich Albertshofen (Lkr. Kitzingen), rund um Schwebheim (Lkr. Schweinfurt) und rund um Unterpleichfeld (Lkr. Würzburg). Auf diese drei Landkreise entfallen auch rund 87 Prozent der genehmigten Wasserentnahmen für landwirtschaftliche Zwecke aus dem Grundwasser.
Die Regierung von Unterfranken geht geschätzt von etwa 6,5 bis 7 Millionen Kubikmeter Wasser aus, die von 2018 bis 2020 pro Jahr für landwirtschaftliche Zwecke inklusive Weinbau in Unterfranken aus Grund - und Oberflächenwasser entnommen wurden. Das deckt sich mit den vorliegenden Daten der Redaktion: Eindeutig der Landwirtschaft und dem Weinbau zuzuordnen war im Jahr 2022 eine genehmigte Menge von etwa 6,1 Millionen Kubikmeter Wasser in Unterfranken.
In welchen Landkreisen entnehmen Industriebetriebe viel Grundwasser?
Einzelne Industriebetriebe entnehmen oft sehr große Wassermengen. Das Wasser wird in der Regel zu Kühl- und Produktionszwecken verwendet und anschließend zum großen Teil über Kläranlagen wieder in oberirdische Gewässer eingeleitet. Die genehmigten Entnahmen für Industrie und Großgewerbe belaufen sich laut Datenanalyse auf etwa 25,3 Millionen Kubikmeter Grundwasser für das Jahr 2022.
Die größten industriellen Entnehmer von Grundwasser sind in den Landkreisen Miltenberg und Haßberge ansässig. In Elsenfeld entnahm das Industriecenter Obernburg, ein Zusammenschluss von etwa 30 Firmen, im Jahr 2021 etwa 9,3 Millionen Kubikmeter Grundwasser. Auf Kühl- und Brauchwasser für die Papierindustrie in der Gemeinde Eltmann entfielen im Jahr 2021 etwa 3,6 Millionen Kubikmeter Grundwasser. Das entspricht der Größenordnung, die für das Jahr 2018 von der Regierung genannt wird.
Wie viel Grundwasser darf in Unterfranken insgesamt entnommen werden?
Den Daten zufolge duften im Jahr 2022 insgesamt in Unterfranken 36,5 Millionen Kubikmeter Grundwasser entnommen werden. Zum Vergleich: Um die Trinkwasserversorgung in ganz Unterfranken sicherzustellen, werden laut Regierung pro Jahr etwa 80 Millionen Kubikmeter Wasser aus mehr als 561 Brunnen und 206 Quellen in der Region gewonnen.
Doch Vorsicht: Die Gesamtmenge sagt nichts darüber aus, ob an einzelnen Orten in Unterfranken das Grundwasser knapp wird. Und die auf dem Papier genehmigte Menge ist auch nicht das, was tatsächlich aus der Natur entnommen wird. Denn viele Entnehmer melden ihre tatsächlich verbrauchten Wassermengen den Ämtern nicht. Und wieder andere schöpfen ihre maximal erlaubten Wassermengen nicht aus.
Ein Beispiel: Das Industriecenter Obernburg hätte im Jahr 2021 theoretisch 14 Millionen Kubikmeter Grundwasser entnehmen dürfen. Tatsächlich waren es 9,3 Millionen Kubikmeter. Und netto sogar nur 2,7 Millionen Kubikmeter. Denn das Industriecenter entnahm zuerst 6,6 Millionen Kubikmeter aus der Elsava, ließ dieses Wasser ins Grundwasser versickern und entnahm anschließend das durch die Bodenschichten gereinigte Grundwasser.
Sind Entnahmen aus dem Grundwasser ein Problem?
Will man wissen, ob die Wasserentnahmen eine Gefahr für die öffentliche Trinkwasserversorgung sind, genügt ein Blick in die "Wasserversorgungsbilanz Unterfranken". In dieser Bestandsaufnahme und Prognose bis zum Jahr 2035 wird untersucht, ob die Wasserversorgung in der Region auch in Zukunft gesichert ist.
In der Studie heißt es, große Teile des von der Industrie entnommenen Grundwassers seien für Trinkwasserzwecke nicht geeignet. Deshalb seien aktuell in Unterfranken auch keine Nutzungskonflikte zwischen industrieller und öffentlicher Wassergewinnung bekannt.
Anders sehe es bei den Brunnen für die Landwirtschaft aus. Denn mit fortschreitendem Klimawandel werden die Sommer in der Mainregion immer heißer, der Wasserbedarf steigt. Damit Obst, Gemüse und Wein nicht vertrocknen, werde immer mehr zusätzliches Wasser benötigt.
An einzelnen Orten in den Landkreisen Würzburg, Schweinfurt und Kitzingen übersteige die Wassermenge für die Bewässerung bereits die Menge für die öffentliche Wasserversorgung, heißt es in der "Wasserversorgungsbilanz". Um zu vermeiden, dass Grundwasservorkommen überstrapaziert werden, müsse immer öfter die Wassermenge der Landwirte gekürzt werden.
Wer wird bevorzugt, wenn das Grundwasser knapp wird?
Kritisch wird es laut Studie, wenn mehrere trockene Jahre mit heißen Sommern aufeinanderfolgen. Denn dann treffe der erhöhte Bewässerungsbedarf auf gleichzeitig sinkende Grundwasserstände. Das Risiko von Nutzungskonflikten – zum Beispiel mit der öffentlichen Trinkwasserversorgung – steige. Vor allem in den Monaten Mai bis August, wenn besonders viel Wasser gebraucht wird.
Künftig müsse man in bewässerungsintensiven Gebieten noch genauer hinsehen, mehr Wasser speichern und bei Wasserentnahmen die Datenerfassung und Überwachung verbessern, sagt Axel Bauer, Sachgebietsleiter Wasserwirtschaft bei der Regierung von Unterfranken.
Und wer wird bevorzugt, wenn das Wasser knapp wird? Aktuell gelte bei Wasserentnahmen das "Windhund-Prinzip", heißt es aus Behördenkreisen. Wer zuerst Wasser beantragt, der bekommt den Zuschlag. "Es gibt keine Wertigkeit bei den Wasserentnahmen", sagt Bauer. "Es wird kein Landwirt, kein Winzer, kein Betrieb bevorzugt." Die Frage bei jeder einzelnen Wasserentnahme sei, leistet es die Natur selbst noch oder nicht? Für ihn sei wichtig: "Die öffentliche Trinkwasserversorgung muss konsequenten Vorrang haben."
In Teil 3 der groß angelegten Datenrecherche der Main-Post und des Bayerischen Rundfunks lesen Sie, wie viel Mainwasser in Unterfranken entnommen werden darf, für welche Zwecke und warum die Situation am Main im Klimawandel immer brisanter wird. Droht eine ökologische Katastrophe am Main?
Die Sportvereine, die Golfclubs und die Entnahme aus Brunnen sowie die
Entnahme aus Bächen und Seen zur Garten- und Rasenbewässerung.
Zum Hofreinigen und Gartengiessen täte es auch Wasser aus einer Zisterne - und würde vielerorts die Kanalisation entlasten.
Andererseits beachte man auch die Hürden, die Kommunen bei der Benutzung von Zisternenwasser als Brauch- (und Trink-)wasser stellen .
Aber wieder typisch "deutsch" - bevor Köpfe in Politik und Ämter rollen, Industrie und "Geldige" zu Maßnahmen gezwungen werden, muss es wieder der "kleine Mann" ausbaden.
Andererseits ist diese Diskussion aber auch hier geradezu lächerlich, wenn man bedenkt, wieviel Regenwasser ungenutzt ins Meer läuft, weil sich Staat und Kommunen um die Kosten für Regenrückhaltebecken, Speicherseen und ähnliches streiten.