Wer Wasser aus der Natur entnimmt, braucht eine Genehmigung vom Landratsamt oder der kreisfreien Stadt. Die Kontrolle der Wasserentnahmen ist Aufgabe der Wasserwirtschaftsämter. In Unterfranken sollen also die Fachleute in den beiden Wasserwirtschaftsämtern Aschaffenburg und Bad Kissingen sicherstellen, dass jede neue Wasserentnahme noch verträglich ist für die Natur und dass niemand Wasser klaut. Damit niemand mehr entnimmt, als ihm zusteht, muss die tatsächlich entnommene Menge dem Landratsamt im Folgejahr gemeldet werden. Das Landratsamt gibt die Daten an das Wasserwirtschaftsamt weiter. So die Theorie.
Eine gemeinsame Recherche von Main-Post und Bayerischem Rundfunk legt offen: Bei fast 60 Prozent aller knapp 1900 Wasserentnahme-Rechte in Unterfranken - die Trinkwasserversorger nicht mitgerechnet - haben die Entnehmer den Behörden in den Jahren 2018 bis 2021 nicht gemeldet, wie viel Wasser sie tatsächlich aus Brunnen, Quellen, Bächen, Flüssen und Seen entnommen haben.
Warum funktioniert die Kontrolle nicht? Friedrich Altmann, der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg, berichtet über Personalmangel, fehlende Digitalisierung, Altrechte und dem in der Vergangenheit oft zu sorglosen Umgang mit dem Wasser.
Friedrich Altmann: Das ist genau das Problem. Es gibt Hunderte wasserwirtschaftliche Anlagen in unserem Amtsbezirk: Grundwasser-Entnahmen, Kläranlagen-Einleitungen, Bauwerke am Gewässer. Pro Landkreis prüft eine Person der Technischen Gewässeraufsicht nach "pflichtgemäßem Ermessen", ob Genehmigungsbescheide eingehalten werden. Ich vergleiche das mit der Radarkontrolle der Polizei. Es kann nicht an jeder Kreuzung jemand stehen, der die Geschwindigkeit – bei uns ist es die Einhaltung der Wasserrechtsbescheide – kontrolliert.
Altmann: Genau. Das geht nur stichprobenartig mit Schwerpunkt-Kontrollen. Wir wissen aber nie, was jemand nachts oder am Wochenende tut. Wir können nur Schlimmeres verhindern. Eine flächendeckende Kontrolle, wie es sicher wünschenswert wäre, ist nicht zu gewährleisten.
Altmann: In der Tat. Die Polizei soll gezielt zu den Zeiten kontrollieren, in denen unsere Behördenvertreter nicht unterwegs sind. Sie haben von uns Karten bekommen, wo die einzelnen Brunnen liegen und sollen Uhrzeit und Zählerstand aufschreiben. Diese Daten werden dann mit den Daten, die uns die Wasserentnehmer später selbst einreichen, abgeglichen. Denn die Betreiber der Brunnen müssen ein Betriebstagebuch führen und die tatsächlich entnommenen Wassermengen dem Landratsamt meist bis März des Folgejahres vorlegen.
Altmann: Es gibt ein gewisses Defizit. Weil leider auch die Landratsämter völlig überlastet sind und deshalb den fehlenden oder unvollständigen Meldungen nicht konsequent hinterhergehen können. Oft schreiben wir die Landratsämter an, dass Entnehmer XY nicht fristgerecht gemeldet hat. Die Landratsämter müssen manche Entnehmer dann bis zu fünf Mal mahnen, bis Unterlagen vorgelegt werden. Das ist mühselig und zeitaufwändig.
Altmann: Das ist natürlich sehr schwer zu kontrollieren – vor allem, wenn der Entnehmer auch noch falsche Entnahmemengen meldet. Wir können nur im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen, möglichst viele Fälle aufzudecken.
Altmann: Wenn einer 100 Kubikmeter Wasser mehr entnimmt, ist das illegal, aber in der Regel noch kein großes Problem für den Wasserhaushalt. Wenn es aber viele machen, sieht die Sache schon anders aus. Einige Entnehmer melden auch ohne schlechtes Gewissen ihre Mehrentnahmen. Das ist in etwa so, wenn Sie die Polizei fragt: Sind Sie zu schnell gefahren? Und Sie antworten: Ja, in Zone 50 bin ich immer 80 Kilometer pro Stunde gefahren.
Altmann: Wir melden es dem zuständigen Landratsamt oder der Stadt. Sie fordern den Betreffenden auf, dies zu unterlassen. In manchen Fällen werden auch Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und Bußgelder verhängt.
Altmann: Es gibt Ämter, deren Wasserbücher immer noch aus Leitz-Ordnern bestehen. Das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg hat vor etwa zehn Jahren auf Digitalisierung umgestellt. Es gibt aber nach wie vor die vielen alten Wasserrechtsbescheide. Bis diese vollständig und perfekt digitalisiert sind, wird es noch Jahre dauern. Es hilft ja auch wenig, nur die Bescheide zu scannen. Man muss den Inhalt in durchsuchbaren Datenbanken systematisch erfassen.
Altmann: Es gibt in Bayern sogenannte "Altrechte" aus der Zeit vor dem Wasserhaushaltsgesetz von 1907. Sie sind im Detail sehr kompliziert und können nicht einfach entzogen werden. Es gibt aber sehr wenige dieser "Altrechte". Die meisten älteren Wasserrechte haben so lange Laufzeiten oder keine Mengenbeschränkungen, weil früher das Wasserrecht oft zu sorglos gehandhabt wurde, weil Wasser gefühlt im Überfluss vorhanden war.
Altmann: Das ist nicht so leicht. Heute werden für Industrie und Landwirtschaft meist nur noch "beschränkte widerrufliche Erlaubnisse" vergeben. Die könnte man unter gewissen Bedingungen aufheben. Es gibt aber Wasserrechte, die einst als "gehobene Erlaubnisse" vergeben wurden. Würde man sie widerrufen, müsste man möglicherweise den Entnehmern eine Entschädigung zahlen, sollte dadurch deren Existenz gefährdet sein. Und dann gibt es noch die "Bewilligungen". Bei diesen Rechten müsste fast schon die Welt untergehen, bevor man sie aufheben kann. Hier sind die Anforderungen an einen Widerruf extrem hoch.
Altmann: Zum Wohl der Allgemeinheit sind laut Wassergesetz nachträgliche Auflagen möglich. Etwa, dass man die Wassermenge reduziert. Doch dafür müssten wir nachweisen, dass diese eine Entnahme zu einer Verschlechterung des Gesamtwasserhaushalts führt. Das ist leider in etwa so schwer nachzuweisen, wie dass ein bestimmter Autofahrer den Klimawandel anheizt. Da wir ohnehin mehr als ausgelastet sind, konzentrieren wir uns auf die neuen Bescheide. Viele Erlaubnisse laufen in den nächsten Jahren aus und müssen neu beantragt werden. In diesen neuen Rechtsverfahren werden dann die aktuellen Entwicklungen berücksichtigt. Das bedeutet sehr oft, dass viel geringere Mengen genehmigt werden.
Altmann: Ja. Weil dadurch auch die Entnehmer verstehen, dass die Nutzung von Wasser in der Natur, das uns allen gehört, nicht umsonst sein kann. Es wäre ein Anreiz für große Entnehmer, Wasser zu sparen. Denn wer eine Million Kubikmeter Wasser entnimmt, für den machen auch nur ein paar Cent pro Kubikmeter Wasser einen großen Unterschied aus. Würde Wasser Geld kosten, könnte man "Wasserklau" auch härter bestrafen. Dann wäre man – je nachdem, wie der Wassercent in Zukunft rechtlich ausgestaltet ist – schnell beim "Abgaben hinterziehen", also im Strafrecht. Das ist eine andere Hausnummer als wenn jemand sagt: "Ich habe ein bisschen zu viel Wasser entnommen."
Es gäbe bestimmt viele Mountainbiker und Wanderer, viele umweltaktivisten und interessierte , die auf diese Weise ihren Beitrag leisten würden.
Oder bei mir kommt der Strom aus der Steckdose.
Was tut sich denn da mit den im Raum stehenden Fällen von (wiederholten?/dauerhaften?) Verstößen gegen das Eichgesetz? Sind MAINPOST & BR auch hier weiter dran?
Es kann nämlich nicht sein, daß hier strafrechtlich bewehrte Sachverhalte vor sich hindümpeln und auf der anderen Seite bei Ordnungswidrigkeiten (im Straßenverkehr) - zu Recht übrigens - genauer hingeschaut wird.
Das wäre nämlich mMn in Abstraktion ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ...
Wird wenigstens das gemacht?
Und der Vergleich mit dem Straßenverkehr - es tut mir leid - aber der hinkt doch - die Entnahmestellen sind doch fest vor Ort und fahren nicht in der Gegend rum.
Und wenn man es doch mit Autos vergleichen möchte: Jedes Fahrzeug muss wenigstens alle 2 Jahre zum TüV.
7 Pers. x 220 Arbeitstage = 1.540 Tage
=> 0.9 Kontrollen/Tag ... und das können die Mitarbeiter des Amtes nicht leisten ?
Warum auch ?
Der "Chef" gibt in der Presse den Freibrief und das monatliche Geld kommt so oder so.
Noch ein Tipp zur Überwachung, es gibt digitale Wasseruhren mit Fernabfrage. Da muss man noch nicht mal mehr das Amt verlassen.
Das Problem hierbei, das nennt sich Fortschritt und das kann "Amt" nicht !
Armes Deutschland