"Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss", heißt es in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000. Flüsse, Bäche, Seen und auch das Grundwasser in der gesamten Europäischen Union sollten bis 2015 - in Ausnahmefällen bis 2027 - in einen guten ökologischen und chemischen Zustand versetzt werden, so das Ziel der Richtlinie.
Und heute, 22 Jahre später und fünf Jahre vor dem Zieldatum: Wie sieht die Wasserqualität der Flüsse und Bäche in Unterfranken aus? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen geben Eva-Barbara Meidl und Isabel Kaiser von der Regierung von Unterfranken sowie Gabriele Vierheilig vom Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen. Mit den beiden Biologisch-technischen Assistentinnen Vierheilig und Kaiser haben wir uns am Ufer der Streu bei Ostheim im Landkreis Rhön-Grabfeld getroffen, wo sie Wasserproben entnommen haben.
Nur vier von insgesamt 93 Flusswasserkörpern in Unterfranken haben das Ziel der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie erreicht. Dies ist die ernüchternde Antwort der Bayerischen Staatsregierung auf eine Anfrage der Grünen im Landtag um den Würzburger Abgeordneten Patrick Friedl. Flusswasserkörper sind einheitliche Fluss- und Bachabschnitte mit einem Einzugsgebiet über zehn Quadratkilometer.
In gutem ökologischen Zustand sind nur der Stöckigsbach bis oberhalb Zell am Ebersberg (Lkr. Haßberge), die Hafenlohr mit ihren Nebengewässern (Lkr. Aschaffenburg und Main-Spessart), der Haslochbach mit seinen Nebengewässern (Lkr. Aschaffenburg, Miltenberg, Main-Spessart) und die Els mit ihren Nebengewässern (Lkr. Rhön-Grabfeld).
Nur vier weitere Gewässer in Unterfranken könnten bis 2027 in einen guten ökologischen Zustand versetzt werden, so die Staatsregierung: Die Sinn unterhalb von Bad Brückenau (Lkr. Bad Kissingen) bis zur Mündung in die Fränkische Saale (Lkr. Main-Spessart), die Erf von der Landesgrenze zwischen Baden-Württemberg (Main-Tauber-Kreis) und Bayern (Lkr. Miltenberg) bis zur Mündung in den Main, die Elsava bis Rück, einem Ortsteil von Elsenfeld (Lkr. Miltenberg) und der Aubach (Lkr. Aschaffenburg und Main-Spessart).
Wie geht es den Fischen und Pflanzen in den Gewässern?
Ein Kriterium für die Bewertung eines Gewässers ist die Fisch-Fauna: In ganz Unterfranken wurden hierbei nur 19 Flusswasserkörper mit sehr gut oder gut bewertet, 34 Flusswasserkörper mit mäßig und 27 mit unbefriedigend. Ein anderes Kriterium sind die Wasserpflanzen: Hier schneiden nur 15 Flusswasserkörper gut ab. Der Rest ist mäßig oder unbefriedigend.
Warum ist der Zustand der Bäche und Flüsse für uns Menschen so wichtig?
Nicht nur für die Eintagsfliegenlarve hat es gravierende Folgen, wenn ein Bach oder Fluss in einem schlechtem Zustand ist. Denn je weniger Köcherfliegenlarven, Schnecken, Würmer und Flohkrebse, desto weniger Fische, die sich von ihnen ernähren können. "In den Ökosystemen greift das eine ins andere. Je natürlicher ein Gewässer ist, desto besser ist das für die Artenvielfalt", sagen Gabriele Vierheilig vom Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen und Isabel Kaiser vom Sachgebiet Wasserwirtschaft bei der Regierung von Unterfranken.
"... und desto besser ist es auch für uns Menschen, weil Fließgewässer viele Ökodienstleistungen für uns erfüllen", ergänzt Eva-Barbara Meidl, Biologin bei der Regierung von Unterfranken. Denn die Kleinstlebewesen und Fische reinigen das Wasser von Stoffen, die die Kläranlagen nicht ausreichend herausfiltern können. Sie machen sozusagen die Nacharbeit zu den Kläranlagen.
Ohne die Tiere gäbe es nur Bakterien im Wasser. "Unsere Gewässer würden zum Himmel stinken", sagt Meidl. An Naherholung, Entspannung und Tourismus am Wasser wäre nicht mehr zu denken.
Außerdem wäre es dann auch ohne eine aufwändige und teure Wiederaufbereitung des Wassers nicht mehr möglich, unser Trinkwasser aus Uferfiltrat, also aus ufernahen Bereichen, oder aus Trinkwassertalsperren zu gewinnen. Da Bäche und Flüsse in ständigem Austausch mit dem Grundwasser stehen, müsse man beides rein halten, sonst würde das eine das andere negativ beeinflussen, erklärt die Biologin.
Trocknen durch den Klimawandel die ersten Bäche und Flüsse in Unterfranken im Sommer aus?
Der Klimawandel beeinflusst zunehmend die Gewässer im immer trockener werdenden Unterfranken. "Wir finden weniger Tiere und weniger Arten. Die Biodiversität wird geringer", sagt Gabriele Vierheilig. Je höher die Wassertemperaturen in den Sommermonaten, desto geringer sei die Sauerstoffsättigung im Wasser. Die Folge: Viele Tiere fühlten sich nicht mehr wohl.
Seit dem Trockenjahr 2015 gibt es sogar Monitoring-Stellen im Messprogramm für die Wasserrahmenrichtlinie in Unterfranken, die im Sommer austrocknen: zum Beispiel die Bahra im Landkreis Rhön-Grabfeld. Dort mussten einzelne Untersuchungen schon an drei aufeinander folgenden Jahren ausfallen, weil der Bach im Sommer kein Wasser mehr führte.
Eva-Barbara Meidl erklärt, dass die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie auch zur Bewältigung des Klimawandels wichtig sei: Denn je weniger ein Gewässer begradigt und verbaut ist, desto langsamer fließe es und desto besser könne das Wasser in der Fläche, etwa in überfluteten Uferbereichen, gehalten werden und desto mehr Zeit gewinne man, wenn Dürreperioden im Sommer andauern sollten. Die Biologin sagt: "Je höher die Artenvielfalt, desto stabiler ist ein Gewässer und desto besser kann es Störungen, zum Beispiel Klimastress, kompensieren."
Negativbeispiel für ein völlig verbautes Gewässer ist der Marienbach in Schweinfurt, ein ärmliches, wenig Wasser führendes, natürliches aber naturfernes Gewässer, das in einer Art Betonrinne fließt.
Wie bekommen die Bäche und Flüsse in Unterfranken ihre Noten?
Knietief im Wasser stehen die beiden Biologisch-technischen Assistentinnen Gabriele Vierheilig und und Isabel Kaiser am Ufer der Streu in Ostheim vor der Rhön. Gabriele Vierheilig taucht ihren Kescher bis auf den Grund des Baches. Als sie ihr Netz wieder aus dem Wasser herauszieht, ist es gefüllt mit Sedimenten, darunter Steine, Lehm, Sand und Schlamm, und angeschwemmten Substraten, etwa Holzstückchen, Laubresten, Algen und Wasserpflanzen.
Die Expertinnen durchsuchen das organische und anorganische Material nach Kleinstlebewesen. Erst mit der Lupe, später im Labor unter dem Mikroskop. Jede Eintagsfliegenlarve, jeder Wasserkäfer und jeder Egel wird begutachtet und mit einer Pinzette in verschiedene Gläser sortiert. Um die mehr als tausend verschiedenen Arten zu unterscheiden, müssen Wasserkäfer auch schonmal in ihre Einzelteile zerlegt werden - in Borsten, Beinchen, Mundwerkzeuge und Penis.
Je nachdem, welche und wie viele Arten in den verschiedenen Lebensräumen eines Gewässers gefunden werden und in welchem Zustand diese sind, lassen sich Berechnungen zur Gewässer-Qualität machen. Mit Einzelproben an 20 verschiedenen Stellen des Baches stellen die Expertinnen sicher, dass die Probe repräsentativ für das Gewässer ist.
Dieses Daten-Sammeln ist wichtig. Denn ähnlich wie in der Schule werden für die Gewässer-Qualität Noten von sehr gut, gut, mäßig, unbefriedigend und schlecht vergeben. In die End-Note fließen vier Einzel-Noten ein, die von der Regierung von Unterfranken, dem Wasserwirtschaftsamt, dem Bayerischen Landesamt für Umwelt und der Fischereifachberatung des Bezirks Unterfranken errechnet werden.
Was genau wird bewertet?
Bewertet werden: Wie stark verschmutzen benachbarte Kläranlagen und Regenüberläufe der Kanäle das Gewässer? Wie stark ist das Gewässer verbaut und begradigt und wie natürlich und durchgängig ist es für die Tiere? Wie sehr ist das Wasser mit Nährstoffen, etwa Stickstoff und Phosphor aus der Landwirtschaft sowie aus kommunalen Kläranlagen, belastet? Und: Wie geht es den Fischen?
"Einen sehr guten Zustand können viele Gewässer gar nicht erreichen. Dafür haben wir eine zu dichte Besiedlung und eine zu intensive Nutzung der Gewässer", sagt Isabel Kaiser. Deshalb sei das Ziel der Europäischen Richtlinie, dass die Flüsse und Bäche zumindest in einen guten Zustand versetzt werden.
Wie kann die Gewässerqualität der Flüsse und Bäche in Unterfranken verbessert werden?
Der "beklagenswerte Zustand" der meisten Gewässer in Unterfranken sei "beschämend", sagt der Landtagsabgeordnete der Grünen, Patrick Friedl. Auch, weil man bei manchen Bächen und Flüssen in der Region inzwischen davon ausgehe, dass ein guter ökologischer Zustand frühestens im Jahr 2045 erreicht wird. Friedl rechnet daher damit, dass auf Deutschland Strafzahlungen wegen der unzureichenden Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie zukommen werden.
Sowohl Staatsregierung als auch Kommunen müssten seiner Meinung nach mehr für ihre Gewässer tun. In vielen Gemeinden fehle das Bewusstsein, dass sie für ihre kleinen Bäche (Gewässer 3. Ordnung) selbst verantwortlich sind. Es mangele aber auch an Fördermitteln.
Durchschnittlich 150.000 Euro pro Jahr wurden laut Bayerischer Staatsregierung in ganz Unterfranken in den vergangenen drei Jahren an Fördermitteln ausbezahlt, um Kommunen dabei zu unterstützen, die Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen. Dies sei zu wenig, so die Grünen. 600.000 Euro für Unterfranken und fünf Millionen Euro für ganz Bayern wären aus ihrer Sicht angemessen, um die heimischen Bäche, Flüsse und Seen wieder in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen.
Und wie gesund ist jetzt die Streu bei Ostheim (Lkr. Rhön-Grabfeld)?
Auch wenn die Biologisch-technischen Assistentinnen von Wasserwirtschaftsamt und Regierung von Unterfranken bei ihren Wasserproben in der Streu bei Ostheim einige anspruchsvolle Eintagsfliegenlarven entdeckten, so ist es trotzdem nicht gut um den Bachabschnitt im Landkreis Rhön-Grabfeld bestellt. Biologin Eva-Barbara Meidl erklärt: Die Streu bildet zusammen mit der Bahra und dem Stettbach einen Flusswasserkörper. Für die Bewertung würden Pflanzen, Algen, Kleintiere und Fische untersucht. Größere Probleme habe der Flusswasserkörper vor allem wegen seiner fehlenden Durchgängigkeit und seinem Wasserhaushalt. Deshalb hat er nur die Gesamtnote 4 (unbefriedigend) erhalten.
und das allergrößte Ungeziefer, nämlich der "homo sapiens" wird dann mangels Wasser vmtl. auch (endlich) dran glauben müssen... ich finde es bis zu einem gewissen Grad faszinierend, wie hier so manche/r glaubt, entkoppelt von der Natur leben zu können. Habt Ihr alle einen Raumanzug, Energieversorgung von außen und eine Nabelschnur zwecks der Ernährung?
Es vergeht kein Tag an dem nicht ein Haar in der Suppe gesucht wird.
Ich bin kein Grüner, aber wenn man mit offenen Augen unsere Bäche betrachtet ist es so wie im Bericht.
Ich würde mir wünschen es würden mehr Menschen sich mit der Realität beschäftigen als alles als Fakt News zu bezeichnen und sich Ihre eigene verquerten Realität zu umgeben.
Wenn die Quellen versiegen, weniger Wasser fließt dann frage ich mich wie der Abgeordnete Friedl das Bewusstsein der Gemeinde beurteilen kann .
Pure Polemik und mit den Finger auf die anderen zeigen , keine Vorschläge oder Lösungen
und nur mit Zuwendungen winken , welche viele Probleme gar nicht lösen können .
Ohne Dünger geht es leider auch nicht.
Dauert halt ein paar Jahre, bis der Boden sich erholt hat von jahrzehntelangem Kunstdünger-Missbrauch.
Und Gülle kann man auch sinnvoll ausbringen.
Klar, natürlich nicht. Es geht allerdings nicht um die grundsätzliche Frage, sondern um die Menge und die "Qualität" = Inhaltsstoffe an dieser Stelle. Es ist doch evident und sollte eigentlich jeder schon gelesen haben, dass ca. 60 % unserer Tiererzeugnisse für den Export bestimmt sind. Aber: deren Gülle bleibt hier! DAS ist das Problem, dass das verschärft. Was hinzukommt, vlt. weniger bekannt, ist, dass man sich, wie beim Klima im Luftverkehr, sozusagen "freikaufen" kann, böse ausgedrückt. Das wiederum, ob hier in Unterfranken weiß ich nicht, aber in nördlicheren Bundesländern, führt dazu, dass Bauern die Gülle von Nachbarländern, besonders NL (dort strenge Grenzen) gg. Geld nehmen u.aufbringen. Denn der weitere Verlauf in dem schlimmen Verteilungsprocedere wird nicht kontrolliert. Was zu Problemen bei unserem Grundwasser, Klagen der EU gegen die BRD usw. - nur nicht zu besserer Wasserqualität führt! On top nun die Klimawandelprobleme.
Soja wird aus Südamerika importiert, dafür wird Regenwald gerodet,
hier bei uns werden die Schweine und Rinder "gemästet", die Gülle landet in unseren Gewässersystemen,
verkauft wird das "Produkt" Fleisch in Arabien oder China oder sonstwohin.
Die Kosten trägt die Allgemeinheit, und den Gewinn streicht der Agrarökonom ein.
Dass dieses System grottenschlecht und kaputt ist, das muß ich hier wohl nicht weiter ausführen.
Da hört man von Kollegen wie Halbleib viel öfter was.
(https://www.bestellen.bayern.de/application/eshop_app000001?SID=2079291676&ACTIONxSESSxSHOWPIC(BILDxKEY:%27lfu_was_00126%27,BILDxCLASS:%27Artikel%27,BILDxTYPE:%27PDF%27). Und jetzt soll plötzlich alles ganz anders sein? Das kommt mir vor wie das ewige Jammern der Naturschützer. Obgleich wieder Wölfe, Luchse und Wildkatzen in deutschen Wäldern heimisch sind, weinen sie, weil es keine Löwen gibt. Ich denke wir müssen nicht auf jeden Panikzug aufspringen, wo uns irgendwelche Gruppierungen das Ende der Welt prophezeien. Ein Großteil der Menschen ist heute, was Umwelt und Natur angeht, weit aus sensibler als dies vor 30 Jahren der Fall war.
In den letzten 30 Jahren haben sich die Probleme dramatisch verschärft,
aber weil das ökologische Bewusstsein ja sowas von ausgeprägt ist kann man ja gern einfach weitermachen, wie bisher.
Die kleinen Gewässer sind faktisch tot und trocknen aus, die Wälder in den Quellgebieten sind über alle Maßen ausgelichtet und können kaum mehr Wasser speichern und an die Bäche abgeben,
Landwirtschaft kümmert sich wenig bis kaum um Gewässerabstandsstreifen und wenn echt mal ein Biber einen Damm baut und ne Wiese feucht wird, dann wird vergrämt, bis das Viech entnervt aufgibt.
Also alles super und weiter so, oder wie?
ich bin s von Ihnen ja gewohnt, als dümmlicher Überschriftenleser hingestellt zu werden.
Damit kann ich leben, Sie müssen es ja auch nicht besser verstehen.
Wenn Sie mir jetzt aber allen Ernstes erklären wollen, daß Klimawandel nix mit dem Zustand der hier: kleineren Fließgewässer zu tun haben soll, dann haben Sie sich damit disqualifiziert.
Es geht eben genau um Wasserniederstand, zu viel Sonneneinstrahlung, zu schnelle Fließgeschwindigkeit und etliche andere Umstände, warum eben kaum och Fauna vorhanden ist
Bleiben Sie doch schön innovativ, wenngleich erfolglos, und ich bemühe mich weiterhin um ein artgerechtes Leben im Einklang mit den natürlichen Kreisläufen.
Im Artikel geht's eben explizit nicht um den Main, sondern um die vielen kleinen Bäche, Gräben und Flüsschen in Unterfranken; und diese sind, so kann man das auch lesen, in einem erbärmlichen Zustand!